“Du sollst nicht podcasten!” – Doris Hammerschmidt gibt 10 Tipps, um einen Podcast zu vergeigen.
4. September 2022
Anleitung zum Scheitern: Wozu Konzept, Storytelling oder Zielgruppen-Analyse? Und bloß keine zum Hören angepassten Texte oder gar Hilfe von Profis! In ihrem satirischen Gastbeitrag nennt Podcast-Expertin Doris Hammerschmidt zehn Punkte, die Unternehmen befolgen sollten, wenn sie einen wirklich sinn- und konzeptionslosen, mindestens aber langweiligen “Me too”-Corporate-Podcast machen wollen. Bei manchen Podcasts von Unternehmen oder Organisationen denkt sie sich mit einem Stoßseufzer bloß: “Du sollst nicht podcasten!”
1. Kein serielles Konzept haben
Langer Atem? Ist was für Apnoe-Taucher. Planen Sie nicht langfristig, fangen Sie mit ein, zwei Episoden an und schauen, wie es sich anfühlt. Dann fragen Sie in der Kantine mal rum, wer das Teil gehört hat und wenn das zu wenige sind … dann lassen Sie’s halt wieder. Sie haben es doch eh geahnt: Völlig überschätzt, diese Podcasts. Wer hat denn bitte die Inhalte und die Zeit, wöchentliche oder zweiwöchentliche Episoden zu planen? Und dann noch einen Redaktionsplan für ein ganzes Jahr aufstellen? Also wirklich.
2. Keine Meta-Erzählidee entwickeln
Machen Sie einen großen Bogen um das Prinzip “Storytelling” und alles, was damit zu tun hat. Denken Sie nicht darüber nach, welche spannenden Geschichten Ihr Unternehmen oder ihre Mitarbeiterinnen zu erzählen haben. Vor allem: Denken Sie keinesfalls journalistisch oder als Medienmacher. Am besten ist, Sie bleiben an der Oberfläche und nehmen das Naheliegendste – vertonen Sie Ihre Newsletter oder Blog-Einträge.
3. Die Stärken bzw. Schwächen von Audio ignorieren
Schreiben Sie elaborierte Sätze mit Myriaden von Zahlen, Daten, Fakten und Aufzählungen, die der werte Zuhörer nolens volens vergisst, weil er irgendwann in der Mitte des Schachtelsatzes aufgegeben hat, zuzuhören, weil man beim Hören schließlich nicht zurückblättern kann, wobei Sie bitte zudem stets darauf achten, unverständliche Fremdwörter wie auch altes und steifes Deutsch zu verwenden. Nach den Stärken von Audio fragen Sie erst gar nicht.
4. Die unterschiedlichsten Zielgruppen adressieren
Von der Führungsebene über das mittlere Management bis zum Kantinenbetreiber und dem Wachpersonal – der Podcast soll für alle da und für alle verständlich sein. Wenn Sie schon Geld für diesen neuartigen Scheiß ausgeben, dann muss es Reichweite bringen. Wenn die Agentur allen Ernstes meint, sie könne mit dieser Vorgabe weder ein sinnvolles Format noch eine einheitliche Ansprechhaltung entwickeln – tauschen Sie die Agentur aus.
5. Das gängigste Podcast-Format wählen
Werden Sie bitte nicht kreativ. Scheiße… Fliegen… Sie wissen schon. Das, was alle machen, das wird schon gut sein. Stellen Sie also ein Mikro auf einen Tisch. Kein allzu teures, wie sich versteht. Setzen Sie die giggelnde Marketingmitarbeiterin auf die eine Seite und einen der vielen Wichtigtuer aus Ihrer Branche auf die andere Seite. Und lassen Sie sie einfach labern. Wagen Sie keine Experimente mit Storytelling-, Reportage oder gar Comedy-Formaten.
6. Den Podcast als Abverkaufs-Instrument sehen
Scheren Sie sich einen Dreck um die Aspekte Kunden- oder Markenbindung, Image-Transfer oder Community-Aufbau. Der Podcast muss verkaufen – und zwar nachweisbar! Erzählen Sie deswegen ganz viel davon, wie geil Ihre Produkte sind und warum die Konkurrenz scheiße ist. Sehen Sie den Podcast als verlängerte Produktwerbung. Content Marketing ist eh nur was für Hornbrillenträger. Verzeihung, farbige Hornbrillenträger.
7. Nicht um die Komplexitäten des Podcast-Universums kümmern
Hosten Sie maximal auf dem kostenlosen Soundcloud-Account, lassen Sie Landingpage und Shownotes weg und die Finger von irgendwelchen SEO- oder anderen Maßnahmen, die Menschen auf Ihren Podcast aufmerksam machen könnten. Kaufen Sie vor allem keinesfalls mein “Podcast-Buch”. Schimpfen Sie aber anständig, wenn Ihren Podcast kaum jemand hört und arbeiten Sie weiter an der Image-Broschüre fürs Firmenjubiläum.
8. Azubis mit der Podcast-Produktion beauftragen
Wenn das schon so junges, hippes Zeug ist, dieses Podcasten, dann sollen das auch die jungen Leute machen. Dann wird das auch frisch und funky. Und wenn das nicht klappt, weil es nicht professionell ist, dann spielen Sie die Generationen-Karte: Also das ist Geschmackssache, wir Älteren können das doch gar nicht beurteilen. Lasst die Jungen das machen!
9. Keine Hilfe von Podcast-Profis holen
Also bitte, Sprechen, das kann doch jeder. Moderieren Sie den Podcast selbst! Bei der Seitenbacher-Werbung klappt das doch auch. Sie werden doch nicht jemanden dafür bezahlen wollen, dass er was macht, was schon Dreijährige können. Und den Rest KnowHow holen Sie sich im Internet, da gibt’s haufenweise Leute, die in Podcasts erzählen, wie man Podcasts macht.
10. Erwarten, dass sich der Podcast von selbst vermarktet
Seit Sie vor Jahren gelernt haben, “virales Marketing” nachzusprechen, ob nun auf schwäbisch oder nicht, wissen Sie: Diese “Soschel Midia”-Sachen, die gehen viral, ganz von selbst, das ist wie bei Corona. Nur besser. Also legen Sie ihrer Marketing-Abteilung Zügel an und ansonsten die Hände in den Schoß. Und warten.
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