“Nicht alle müssen alles können.” – Ina Karabasz über Live-Journalismus und Podcasts.
21. September 2022
Mut zum Mikro: Es können viel mehr Medienschaffende live oder Podcasts moderieren, als sie es sich selber zutrauen, sagt Ina Karabasz, Leiterin Live-Journalismus, Podcast und Video beim “Handelsblatt”. Es gehe darum, “genau das zu machen, was wir sonst auch machen: Interviews führen und Menschen treffen”. Sie empfiehlt Medienschaffenden, nicht zu kritisch mit sich zu sein. Außerdem spricht Karabasz darüber, wie das “Handelsblatt” von seinem Audio-Ausbau profitiert.
Ina, was war der erste Podcast, der dich so rich- tig begeistert hat?
Ich finde Storytelling-Podcasts sehr spannend. Cui Bono und Wild Wild Web zum Beispiel habe ich sehr gerne gehört.
Hast du damals schon gedacht: So sieht die Zukunft des Journalismus aus?
Ich habe nie hinterfragt, dass Podcasts Teil der Zukunft des Journalismus sind. Radio hat schließlich auch immer dazu gehört und Podcasts sind für mich eine logische Alternative.
Welche drei Zutaten braucht ein guter Podcast unbedingt?
Inhalt, Qualität und gute Hosts. Guter Inhalt ist ein unbedingtes Muss. Gleichzeitig sind Podcasts ja eine sehr menschliche Form des Journalismus. Wir sind so nah an den Hörerinnen und Hörern, dass man hören kann, ob ein Host für das Thema brennt, es ihn wirklich interessiert und er oder sie auch Spaß dran hat. Deswegen sind die Hosts aus meiner Perspektive auch so wichtig.
Und was stört?
Alles, was im Journalismus auch sonst nichts zu suchen hat, gehört auch nicht in journalistische Podcasts: ungeprüfte Behauptungen etwa. Aber beim Thema Hörqualität gilt zum Beispiel für mich: Ich mag auch mal, wenn es authentisch in der Situation ist. Und wenn man dann nicht vermeiden kann, dass es Hintergrundgeräusche gibt, dann gehört das dazu. Andere haben da einen puristischeren Anspruch. Für mich sind No-Go‘s aber – wenn es nicht um Inhalte geht – grundsätzlich immer schwierig. Ich finde es wichtig, neue Ideen auszuprobieren und auch mal wieder welche zu verwerfen, statt direkt zu sagen: Geht nicht.
Du selbst hast lange für das “Handelsblatt” über IT und Telekommunikation geschrieben. Reicht Schreiben heute als Journalistin nicht mehr aus, müssen alle vors Mikrofon oder gar die Kamera?
Auf keinen Fall. Wir leben in einer journalistisch wahnsinnig spannenden Zeit, in der wir das Glück haben, mehr und andere Kontaktpunkte mit Leserinnen, Hörern oder Zuschauerinnen zu haben als früher. Das heißt aber nicht, dass alle alles können müssen. Wir haben großartige Schreiber, die aber nicht gerne moderieren und das ist auch völlig in Ordnung.
Kann Podcast jede und jeder?
Grundsätzlich können viel mehr Menschen live oder Podcasts journalistisch moderieren, als sie sich selber zutrauen. Es geht ja bei Live-Journalismus nicht darum, Fernsehshows zu moderieren oder galant durch einen Abend zu führen, sondern genau das zu machen, was wir sonst auch machen: Interviews führen und Menschen treffen. Das können grundsätzlich erstmal alle. Aber natürlich gibt es auch bei Moderationen Dinge, die man beachten sollte. Das ist genauso Handwerk, das mit der Erfahrung besser wird, wie Schreiben auch – wenn es auch deutlich leichter zu lernen ist.
Deine drei wichtigsten Tipps für Journalistinnen, die ans Mikrofon oder auf die Bühne gehen?
Interesse am Thema, Spaß an der Erfahrung und Güte im Umgang mit der eigenen Person. Letzteres ist oftmals die größte Herausforderung: Kolleginnen oder Kollegen haben Sorge, eine Frage falsch zu formulieren, auf der Bühne ungeschickt zu sein oder von einem Thema überrascht zu werden, in dem sie nicht ganz sattelfest sind. Dabei sind Hörerinnen oder Zuschauer gar nicht so kritisch, wie man selbst. Und es ist völlig okay, auch mal zu sagen: “Erklären Sie das bitte kurz.” Wenn der oder die Fachexpertin das Thema nicht kennt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es andere auch noch nicht kennen.
Wie trainiert ihr eure Leute?
Wir bieten Schulungen an und sprechen mit den Kolleginnen und Kollegen während der Aufnahmen oder vor dem Auftritt. Viel kommt tatsächlich auch mit der Erfahrung. Wichtig ist, immer nochmal zu sagen: Audio und Live funktionieren sprachlich anders als Print. Das bedeutet auch, Wörter und Formulierungen loszulassen und sich stattdessen mehr auf Stimme und Auftreten zu verlassen. Damit kann auch viel gesagt werden.
Wie profitiert die Marke “Handelsblatt” von Audio?
Wir erschließen mit Audio neue Zielgruppen und bieten den bestehenden Abonnentinnen eine zusätzliche Möglichkeit, die Inhalte des “Handelsblatts” zu konsumieren. Dabei können wir sie in Situationen begleiten, in denen es die Zeitung, auch digital, nicht kann. Beim Autofahren zum Beispiel. Das wird gut angenommen.
Bringen eure Podcasts auch Geld ein?
Ja, wir verdienen mit den Podcasts. Dabei sind einige profitabler als andere, wie das in jedem guten Portfolio so ist. Wie sie sich finanzieren, ist unterschiedlich, einige auch über Reichweite.
Warum reicht euch Podcast nicht, wieso braucht es auch noch Live und Video dazu?
Die drei Formate sind unabhängig voneinander entstanden und gewachsen. Die Zusammenlegung ist eine fast schon logische Konsequenz: Das “Handelsblatt” ist im Event-Bereich sehr stark und durch die massive Digitalisierung der Veranstaltungen in den vergangenen zwei Jahren ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, um Podcasts, Live und Video direkt zusammen zu denken oder die Bereiche voneinander profitieren zu lassen. Da kann man auch selbstbewusst sagen: Da spielen wir beim “Handelsblatt” vorne mit, warum sollten wir es also nicht auch stärker nutzen.
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Die Handelsblatt Media Group kommt aus der Printwelt, wie viel Zeit und Geld fließen in die Podcasts?
Wir haben eigene Podcasts-Studios eingebaut, wir haben ein Producer-Team, das die meisten unserer Podcasts inhouse produziert, wir haben ein kleines, aber wachsendes Redaktionsteam und viele Redakteurinnen und Redakteure, die bei den Podcasts mitarbeiten. Wir investieren viel Zeit und auch Geld.
Welche Rolle werden Live und Audio in fünf Jahren für eine Medienmarke wie das “Handelsblatt” spielen?
Genauso wie jetzt auch schon: Eine gleichberechtige wie viele andere Produkte und Inhalte aus unserem Haus. Wir haben da zum Glück keine “Wir sind wichtiger als andere”-Kultur im Haus. Dafür ist das Verständnis, dass eins nicht ohne das andere funktioniert, bei den meisten einfach zu groß.
Wird Journalismus immer mehr zum Event?
Das kommt drauf an, wie man Event definiert. Wenn es darum geht, dass man Menschen zu einem Thema versammelt, um Informationen auszutauschen, dann ist daran aus meiner Perspektive nichts auszusetzen. Und wenn man sich vorher Gedanken darüber macht, in welcher Form diese Inhalte am besten rübergebracht werden, dann finde ich das noch besser, schließlich gehört diese Frage zum Kernhandwerk des Journalismus. Wenn Event so verstanden wird, möglichst reißerisch zu sein, um die Massen anzuziehen, ist das nicht gut. Aber die Gefahr sehe ich gerade nicht.
Verdrängen Audio und Video irgendwann den geschriebenen Journalismus?
Sollten wir irgendwann in einer Welt leben, in der wir nur noch mit VR-Brillen auf einer Couch liegen und uns von virtuellen Welten berieseln lassen, dann vielleicht. Bis dahin bin ich mir sicher, dass es sehr gut nebeneinander existieren kann.
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