“Einen dpa-Podcast wird es niemals geben.” – David Krause über die Podcast-Pläne der Deutschen Presse-Agentur.
31. August 2022
Backstage statt Rampenlicht: “Ich fühle mich ein bisschen, wie ein Kind im Spielzeugladen ohne Limits”, schwärmt David Krause im Interview im Rahmen der turi2 Podcast-Wochen über seinen Job als Head of Podcast bei der dpa. In Gesprächen mit dpa-Kolleginnen in aller Welt spüre er die Begeisterung, in Podcasts endlich Geschichten erzählen zu können, “die vielleicht keinen nachrichtlichen Wert haben, aber unglaublich spannende, zum Teil skurrile Storys sind”. Die große Aufmerksamkeit für Podcasts bringe bei der dpa Menschen zusammen, “die sich sonst vermutlich nur bei der Weihnachtsfeier gesehen hätten”. Für Spotify hat die dpa mit Troll Army – Russlands Krieg im Internet einen Investigativ-Podcast mit Recherche in Echtzeit aufgesetzt. Als reines B-to-B-Unternehmen tritt die dpa nicht selbst als Podcast-Publisher auf, sondern unterstützt Medienhäuser mit individuellen Auftragsproduktionen.
David, du bist seit April 2022 Head of Podcast bei dpa, kommst von Studio Bummens. Machst du bei dpa jetzt Studio Bummens Konkurrenz?
Haha, nein auf keinen Fall. Das würde auch rein von unserer Struktur nicht funktionieren. Denn wir als dpa handeln im Podcast-Geschäft in den allermeisten Fällen im Auftrag unserer Partner. Das heißt, wenn jemand einen Podcast umsetzen möchte, ob einen eigenen oder einen unserer vielen Pitches, die wir rausgeben, dann unterstützen wir, wo wir können. Ob mit unserem Audiohub, unserer journalistischen Schlagkraft, unseren Korrespondentinnen und Korrespondenten in der ganzen Welt oder auch kreativer Konzeptarbeit.
dpa heißt eigentlich Deutsche Presse-Agentur – oder bald Deutsche Podcast-Agentur?
Tatsächlich beschäftigen wir uns sehr intensiv mit dem Medium Audio, was fantastisch ist. Gerade erst ist meine neue Kollegin Dorothée Barth von funk zu uns gestoßen. Meine Kolleg*innen von Asien bis in die USA, mit denen ich regelmäßig Ideen austausche sind begeistert davon, dass wir hier in Deutschland endlich die vielen Geschichten erzählen können, die vielleicht keinen nachrichtlichen Wert haben, aber unglaublich spannende, zum Teil skurrile Storys sind, die wir als Podcast erzählen können. Ich habe den Eindruck, dass durch die große Aufmerksamkeit auf Podcasts auch innerhalb der dpa ganz neue Strukturen entstehen, die Kolleg*innen zusammenbringen, die sich sonst vermutlich nur bei der Weihnachtsfeier gesehen hätten.
Was ist dein Auftrag, wofür wurdest du geholt?
Ich sehe meine Aufgabe darin, die dpa mit ihren Partnern durch das Medium Podcast noch stärker zu verbinden. Regelmäßig erstellen wir einen Content-Katalog mit vielen spannenden Pitches, die wir anbieten. Auch hier versuche ich wirklich jeden Menschen innerhalb der dpa zu aktivieren, denn bei uns schlummern überall Geschichten, Kontakte oder Ideen, die man perfekt einbringen kann. Und durch unsere vielen Standorte weltweit gibt es Möglichkeiten, von denen ich als Creative Producer früher immer geträumt habe. Ich fühle mich ein bisschen, wie ein Kind im Spielzeugladen ohne Limits.
Was wäre der größtmögliche Erfolg in deinem Job, wovon träumst du?
Wir bauen gerade ein neues, großes Podcast-Studio in unseren neuen Räumlichkeiten, das nächstes Jahr fertig wird. Beste Technik, Video-ready, da freue ich mich total drauf. Mein Traum ist, dass wir dort rund um die Uhr produzieren, was durch die Kolleg*innen in den verschiedenen Zeitzonen absolut denkbar ist. Wenn dabei mehrsprachige Storytelling Formate und daily Podcasts herauskommen, würde ich das als persönlichen Erfolg verbuchen.
Was wäre das größtmögliche Scheitern?
Schade wäre es, wenn der deutsche Podcast-Markt gut recherchierte Geschichten nicht annimmt, sondern im Promi-Talk verharrt. Missing Richard Simmons von Dan Taberski hat mir damals die Augen geöffnet, wie großartig man vermeintlich kleine Geschichten erzählen kann. Ideen wie diese haben wir in unserem Team einige – es muss nur auch auf Interesse stoßen.
Was unterscheidet die dpa als Podcast-Produzent von z.B Studio Bummens?
Das kann man nicht vergleichen. Wir sind sowohl für andere Produktionsfirmen, als auch Medienhäuser eine Unit, auf die man zugreifen kann. Wir verfügen über ein einzigartiges, journalistisches und kreatives Netzwerk, mit dem wir unsere Partner unterstützen.
Ein “dpa-Podcast” ist uns bisher nicht aufgefallen. Arbeitet Ihr lieber im Verborgenen?
Die dpa ist ein reines B-to-B-Unternehmen – übrigens seit 1949. Wir produzieren keine Inhalte, die sich direkt an Endnutzer wenden oder von diesen gekauft werden können. Wir versorgen Medienhäuser mit Inhalten, die diese einsetzen, um die eigenen Nutzerinnen und Nutzer zu informieren. Insofern wird es also niemals einen dpa-Podcast geben.
Was hat die dpa in Sachen Podcast denn bisher schon gemacht?
Besonders stolz sind wir auf Troll Army – Russlands Krieg im Internet, ein investigativer Podcast, den wir für Spotify umgesetzt haben. Das Besondere daran ist, dass es sich um eine Recherche in Echtzeit gehandelt hat, was bis dahin völlig neu war. In dem Podcast haben wir uns zu Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine angeschaut, wie Desinformation im Netz funktioniert. Und – ohne zu spoilern – wer hätte gedacht, dass Trolling, wie wir es kennen, durch einen Hot-Dog-König entstanden ist?
dpa ist super kompetent in Sachen Nachrichten. Braucht Deutschland noch einen News-Podcast?
In diesen Zeiten: mehr denn je! Denn nicht jeder News-Podcast ist auch für jeden Menschen gemacht. Ich persönlich denke, wir sollten noch sehr viel zielgruppengenauer denken und Formate konzipieren. Eine 16jährige aus Paderborn informiert sich anders als Twitter-Berlin Ü30.
Was wäre der ideale News-Podast und wie würdest du den aufziehen?
Der ideale News-Podcast ist, wenn er von seinen Hörerinnen und Hörern verstanden wird (und im Idealfall noch Spaß macht zu hören). Es gibt also nicht den einen, sondern vielmehr die Herausforderung, Fakten und Hintergründe jeweils für die passende Gruppe aufzubereiten. Eine tolle Sache, weil wir endlich wieder lernen, auch im Nachrichten-Business kreativ zu werden, alte Formate über Board schmeißen und völlig neu denken.
In ihrem Kerngeschäft liefert die dpa ja Inhalte, die dann viele Medien übernehmen, teilweise 1:1. Wäre dieses Modell auch für Podcasts denkbar? Also z.B. eine Art Whitelabel-Nachrichten-Podcast, den die Medienhäuser dann um einen eigenen Lokalteil ergänzen?
Diese Idee gab es bei uns bereits und wurde auch schon umgesetzt. Ehrlicherweise muss ich sagen, entspricht das nicht meiner Idee von unseren Produktionen. Kein anderes Medium funktioniert so intim wie Podcasts – ich möchte Hörerinnen und Hörer direkt ansprechen, wissen wer sie sind, was sie wollen und am wichtigsten: was sie inspiriert. Whitelabel-Nachrichten empfinde ich ganz persönlich – im Podcast Bereich – als uninspiriert und tatsächlich auch als verpasste Chance. Jedes Medienhaus hat durch Podcasts die Möglichkeit, sein eigenen Image zu transportieren und die Menschen direkt anzusprechen. Das funktioniert nur durch Produktionen, die individuell gemacht sind.
Was machen deutsche Verlage und Sender gut beim Podcasten?
Ich habe das Gefühl, dass Fakten wirklich einen hohen Stellenwert hier in Deutschland haben. 99 % der journalistischen Formate sind sauber recherchiert – diesen Anspruch hat auch das Publikum. Toll finde ich auch, dass Sender und Verlage sich sehr gut untereinander vernetzen. Die Podcast-Szene profitiert von ihren unterschiedlichen Kompetenzen, es gibt keinen Neid, wie in anderen Medien – eher wird immer versucht Koproduktionen zu stemmen – das ist doch irgendwie … schön!
Was machen sie schlecht?
“Schlecht” ist zu hart. Was mir auffällt: Gebt Leuten Sprechtraining. Nicht jede Journalistin und jeder Journalist eines Projekts ist automatisch dazu geeignet die Geschichte auch zu erzählen. Nun hat man ja nur einen Sinn, der bedient wird, da sollte die Spreche sitzen und nicht zum Abschaltfaktor werden. Ansonsten kann ich immer nur sagen: Seid mutig und wagt etwas. Eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte!
Welchen Rat gibst du Medien, die Podcasts ausbauen wollen?
Sucht euch jemanden, der sich mit dem Medium auskennt und spart nie an der Recherche.
Was ist dein persönlicher Lieblings-Podcast – und warum?
Kein Geheimtipp aber absoluter Liebling ist 9/12 von Dan Taberski. Das ist eine Geschichten-Sammlung über den Tag nach dem 11. September. Über Menschen, die auf hoher See gar nichts davon mitbekommen haben bis hin zu Comedy-Autorinnen und -Autoren, die sich gefragt haben: Dürfen wir je wieder lachen? Liebevoll produziert und Wahnsinn in der Recherche der Storys.
Zum Thema Audio erscheint ein ganzes Buch: die turi2 edition #19 Audio – Erscheinungstermin: 12. Oktober 2022. Du kannst die Buchreihe turi2 edition kostenfrei lesen und als E-Paper hier kostenlos abonnieren.
Nutze die turi2 Podcast-Wochen auch als Bühne für dich, deine Marke oder Dienstleistung. Du erreichst die 20.000 wichtigsten Entscheiderinnen in Deutschland aus Medien, Wirtschaft und Politik auf turi2.de und im turi2-Newsletter. Das turi2-Media-Team berät Dich gerne zu unseren Werbemöglichkeiten. Melde Dich einfach unter media@turi2.de.