“Verwandele dich in ein vierjähriges Kind” – Sprachcoach Arno Fischbacher gibt Stimm-Tipps.
26. September 2022
Der Scham entgegen: “Grundsätzlich werden klare, voluminöse und ausdrucksstarke Stimmen als angenehm empfunden”, sagt Arno Fischbacher im turi2-Interview. Der Stimmcoach und Rhetoriktrainer schreibt der menschlichen Stimme eine große “Macht” zu, denn “sie bildet im Grunde die gesamte Entwicklungsgeschichte der Person ab”. Bei Lampenfieber und Nervosität auf der Bühne oder im Gespräch empfiehlt er: Nichts verbergen und Faxen machen.
Arno, wie viel Macht steckt in unserer Stimme?
Der erste Eindruck im persönlichen Kontakt ist immer der visuelle. Die Person hat sich auf den Termin eingestellt und schaut gut aus. Dann kommt dieser magische Moment, in dem dein Gegenüber den ersten Satz sagt. Die Stimme lässt dich in dem Augenblick zu 100 Prozent hören: Wer ist das überhaupt? Sie bildet im Grunde die gesamte Entwicklungsgeschichte der Person ab. All das serviert dir die Stimme als Zuhörerin und erlaubt, diesen Menschen zu erfassen.
Gibt es die eine magische Stimme, die alle mögen?
Nein, denn es gibt immer einen Prozentsatz von persönlicher Betroffenheit, der eine Rolle spielt. Es kann sein, dass die Stimme irgendetwas berührt, das mir persönlich unangenehm ist. Grundsätzlich werden Stimmen als angenehm empfunden, die klar, voluminös und ausdrucksstark sind und zur Situation passen. Wenn die Stimme das bietet, so höre ich sie gerne.
Was kann ich tun, damit mein Gegenüber oder das Publikum nicht merkt, dass ich aufgeregt oder angespannt bin?
Es ist keine valide Strategie, zu versuchen, etwas zu verbergen. Die anderen merken dann nur, dass du etwas nicht zu Tage kommen lassen willst und das stört die Kommunikation. Vernünftiger ist es, dass du im Sinne eines mentalen Warm-ups Zuversicht entwickelst. Das funktioniert, indem du visuell oder kognitiv ein Ziel anpeilst: Wohin willst du? Welche Schritte hast du vorbereitet und wie denkst du, wird dein Gegenüber reagieren?
Was mache ich, wenn ich im Gespräch oder während eines Vortrags den Faden verliere oder ein Blackout habe?
Einen Schritt zur Seite machen oder sich bewusst anders hinsetzen. Nutze den Sense-Focusing-Effekt. Du lenkst deine Aufmerksamkeit auf den siebten Sinn, also deine Körperwahrnehmung. Das tust du ganz einfach, indem du etwa den Fuß wahrnimmst, der den Boden stärker berührt, oder die Last auf deinem Gesäß. In dem Moment, in dem du das tust, schickt dir dein Organismus eine muskuläre Rückmeldung. Dann lassen Mimikmuskeln und Schultern los und du hast dich für ein paar Sekunden vollständig von dem Stressor, nämlich der Umgebung abgekoppelt. Dadurch regenerieren sich die Tätigkeiten in deinem Gehirn.
Wie viel Sinn macht es, sich vorm Spiegel gut zuzureden?
Ich empfehle da eher zwei andere Dinge. Konfrontiere dich mit deiner Angst vor der Blamage, gerade wenn es um Vorträge oder Gespräche mit Vorgesetzten geht. Lampenfieber und Nervosität sind nichts anderes, als die Angst vor der Beschämung. Die Scham ist ein soziales Gefühl, das uns anerzogen wird und poppt im Schmerzzentrum auf. Vor dem Vortrag kannst du mit einem gezielten Warm-up deine Schamgrenzen dehnen.
Wie mache ich das?
Indem du zum Beispiel einen Klassiker aus dem Stimmtraining nimmst und ihn verblödelst. Verwandele dich in ein vierjähriges Kind, das noch keine Scham entwickelt hat. Suche dir einen Raum mit einem Spiegel, wo du alleine bist, führe ein paar Artikulations-Aufwärmübungen aus und mache dabei Faxen, die du als Kind gemacht hast.
Was ist der zweite Tipp?
Diese Selbstsuggestionen müssen schon sehr geübt sein, damit sie greifen. Beschäftige dich deshalb lieber mit deinem Gegenüber. Was dich beflügeln wird, ist Zuversicht. Die entsteht weniger dadurch, dass du sagst, dass du großartig sein wirst. Das verstärkt eher den Druck und ist ein Scham-Verstärker. Überlege dir lieber: Wohin willst du die Zuhörer führen und wie gelingt es dir, sie über gewisse Hürden zu deinem gesetzten Ziel zu begleiten? Damit das funktioniert, brauchst du eine gute inhaltliche Vorbereitung, die sich auch mit den Gesprächspartnern beschäftigt.
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