Warum hören sich Männer so gerne reden, Ivy Haase?
24. August 2022
Frauen ans Mikro: “Männer sprechen mit Männern, oft über Männer und für Männer”, beobachtet Ivy Haase, stellvertretende Redaktionsleiterin der Audio Alliance von Bertelsmann, mit Blick auf die meisten deutschen “Laber-Podcasts”. Weibliche Podcast-Stimmen sind meist Presenterinnen, Interviewerinnen und Sprecherinnen, aber selten “Meinungsmacherinnen”, schreibt sie im Gastbeitrag im Rahmen der turi2 Podcast-Wochen. Nur das Genre True Crime sei stark weiblich geprägt: “Aber sollten Frauen nur Gehör finden, wenn sie sich aktiv an eine weibliche Zielgruppe wenden? Das können wir doch nicht ernsthaft hinnehmen!” Haases Appell an Publisher ist daher, weiblich besetzte Formate zu fördern und finanziell zu pushen, “damit Frauen nicht nur zu Wort kommen – und gehört werden – wenn es um Crime, Gossip und Make-up geht”.
Warum hören sich Männer so gerne reden? Weil sie es gewohnt sind. Weil wir es alle gewohnt sind.
Schauen wir uns die Mutter – oder sollte ich in diesem Zusammenhang lieber sagen: den Vater? – aller Podcast-Formate, den oft unschön so genannten “Laber-Podcast” an, fällt eines auf: Männer sprechen mit Männern. Dabei ist die Podcast-Hörerschaft keineswegs rein männlich. Aber immerhin knapp 60 % der Hörenden sind Männer, davon knapp unter 70 % im Alter von 21 bis 35 Jahren, wie aus einer Studie der Podstars kürzlich hervorging.
Natürlich finden wir in den Charts auch weibliche Stimmen, diese weiblichen Stimmen sind allerdings meist Presenterinnen, Interviewerinnen und Sprecherinnen statt Meinungsmacherinnen – von der Präsenz der Frauen in der Rubrik Comedy will ich gar nicht erst anfangen.
Das Problem ist nicht, dass diese Formate mit Frauen nicht existieren. Sondern, dass wir sie nicht hören, dass sie nicht aus der Masse der allein bei Apple Podcasts frei verfügbaren 2,4 Mio Formate herausstechen. Und das hat nicht etwa etwas mit ihrer Qualität zu tun.
Wir sind es seit Jahrzehnten gewohnt, Frauen zwar zu sehen, aber gar nicht mal so oft zu hören, auch nicht, wenn sie die Protagonistin sind. Ist euch zum Beispiel bewusst, dass im Disneyfilm “Mulan” nur 30 % Redeanteil bei weiblichen Rollen liegen? Bei einem Film für Kinder mit einer titelgebenden Heldin!? “Dschungelbuch”: 2 % weiblicher Redeanteil. Mal ehrlich, wenn wir schon als Kinder internalisieren, dass Frauen nicht sprechen: Wieso sollten wir uns dann Podcasts von ihnen anhören?
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Ein richtig weiblich geprägtes Genre ist True Crime. Viele weibliche Hörer:innen, viele weibliche Hosts. 82 % der Hörer:innen von Zeit Verbrechen sind beispielsweise weiblich und bei Mordlust sind es fast 90 %, laut einer Umfrage von PodRatings von 2020. Aber sollten Frauen nur Gehör finden, wenn sie sich aktiv an eine weibliche Zielgruppe wenden? Das können wir doch nicht ernsthaft hinnehmen!
Das “Warum” aus der Eingangs-Frage beantwortet also unsere Sozialisierung. Aber warum das 2022 immer noch so ist, ist ein ganz anderes Thema: Da sehe ich die Publisher in der Verantwortung, weiblich besetzte Formate zu fördern und vor allem finanziell zu pushen, damit Frauen nicht nur zu Wort kommen – und gehört werden – wenn es um Crime, Gossip und Make-up geht. (Foto: Carolin Windel)
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