Interview mit Ralf Heuel

Interview mit Ralf Heuel

Sie sind ein ausgezeichneter Werber – wie würden Sie einem Kind ihren Job erklären?
Ich sorge dafür, dass Du Nutella über alles liebst und darüber vergisst, dass sowas wie “Nusspli” überhaupt jemals erfunden wurde. Und jetzt Zähneputzen und ab ins Bett.

Sie infizieren also unschuldige Kinderherzen mit der Botschaft, Nusscreme aus Italien schmecke besser als Nusscreme aus Aachen?
Positiv gesehen öffne ich der jungen Generation die Augen, damit sie entdecken können, dass das kulinarische Europa nicht kurz vor der niederländischen Grenze zu Ende ist.

Was wollten Sie als Kind werden?
Das wechselte dauernd. Mal Profi-Fußballer, mal Rockstar, mal Schiffskoch. Die ersten zwei sind für mich heute sogar noch nachvollziehbar. Aber warum um Himmels Willen wollte ich eigentlich mal Schiffskoch werden? Keine Ahnung. Vielleicht fand ich die Kombination aus “Kochen” und “Weite Welt” immer schon ganz reizvoll.

Warum sind Sie nichts davon geworden?
Zum Profi-Fußballer fehlte mir letztlich das Talent, zum Rockstar das Aussehen und irgendwann hab ich dann auch noch rausgekriegt, dass der Schiffskoch doch eher unter Deck die Kroketten in die Fritteuse schmeißt und nicht stundenlang zu klassischer Musik an irgendwelchen raffinierten Amuse-Gueule rumfriemeln darf.

Wenn Sie noch mal die Wahl hätten: Was würden Sie heute werden?
Erstmal bin ich sehr glücklich mit meiner Wahl. Ich weiß gar nicht, ob ich das gern ändern würde. Und: Mein Problem ist, dass ich so vieles interessant finde, mich alles mögliche fasziniert und ich wirklich sehr schnell zu entflammen bin. Es gibt also ein ganze Palette an vorstellbaren Job-Alternativen. Irgendwas mit der Restauration alter Sportwagen fände ich spannend. Genauso finde ich den Lehrer-Beruf toll, wenn es nicht das deutsche Bildungssystem gäbe. Regisseur ist ein unglaublich faszinierender Beruf. Architekt. Testfahrer. Bio-Landwirt. Und, und, und. Ich kann mir alles mögliche vorstellen. Bis auf Schiffskoch. Wir wissen, warum. Kroketten-Trauma.

Schon klar. Ist Werber noch ein attraktiver Beruf?
Das kommt drauf an, was man unter “Beruf” versteht. Ich verstehe darunter, dass ich möglichst wenig zwischen Beruf und privat trennen möchte, dass ich also einen Job habe, der mich wirklich interessiert und fasziniert und bei dem ich keine Schwierigkeiten habe, Leidenschaft zu entwickeln. Wenn man sowas sucht, ist ein Beruf in der Werbung hochattraktiv.

Und wenn nicht?
Wenn man etwas sucht, das eher geregelt ist, feste Arbeitszeiten und Abläufe hat, dann sollte man vermutlich lieber was anderes machen.

Wie würden Sie für Ihren Beruf werben?
Puh, schwierige Frage. Für sowas brauche ich erstmal ein Briefing, Insights, Planning, Deadlines, Kaffee, Zigaretten. 

Und einen Etat!
Selbstverständlich. Gern in dreistelliger Millionenhöhe. Aber im Ernst: Aus dem Bauch heraus würde ich zwei Sachen machen. Ich würde zunächst irgendwie dafür sorgen, dass das gegenseitige Bashing in unserer Branche endlich aufhört und man sowas wie einen Ehrenkodex unter den Agenturen etabliert. Wir können Werbung für unseren Beruf machen, solange wir wollen – wenn alle Marktteilnehmer nur schlecht übereinander reden, ist das alles wirkungslos. So toll die Kampagnen auch sind, die wir für unsere Kunden machen – in der Außendarstellung wirken wir leider häufig unglaublich amateurhaft. Also: Zunächst mal Substanz im Produkt herstellen.

Und dann?
Ich würde in den Mittelpunkt stellen, dass Werbung, um meinen Partner Reinhard Patzschke zu zitieren, “neben Autorennfahrer der aufregendste Beruf der Welt ist.” Es gibt kaum einen anderen Job, der soviel Spaß macht, der so abwechslungsreich ist und in den man soviel von sich selbst hereingeben kann. Und natürlich: Kaum einen anderen Job, der so viele Schnittstellen zu Film und Fotografie, Kunst, Musik und Kultur oder neuen Technologien hat.

Ist ein Werber also ein Künstler, der Geld verdienen will?
Ich kenne keinen Künstler, der grundsätzlich irgendwas gegen Geld hätte. In Verbindung mit Werbung klingt mir “Künstler“ aber immer ein bisschen zu sehr nach Aquarellmalerei oder Ausdruckstanz. Ich glaube, ein Kreativer in der Werbung ist ein Mensch, der sich gern ausdrückt, der neugierig ist und dem es Spaß macht, spannende Geschichten zu erzählen. Und wenn er das gut macht, verdient er damit Geld.

Wird Werber in 10 oder 20 Jahren noch ein attraktiver Beruf sein?
Wenn man das vorher gesagte akzeptiert und Spaß daran hat, ganz sicher sogar. Denn unser Werkzeugkasten wird ja jeden Tag größer. Und damit natürlich auch die Möglichkeiten, spannende Kommunikation zu machen. Als ich vor über 25 Jahren mit Werbung anfing, gab es TV, Kino, Print, Outdoor, Radio. Ende der Durchsage. Heute kann eine App Kommunikation sein, oder ein Song, ein Gebäude, ein Spiel, eine Projektion… Wenn ich diese Entwicklung auf die nächsten 20 Jahre hochrechne, wird unser Job eher spannender als langweiliger.

Wie ändert sich der Beruf denn?
In der Werbung gibt es ja verschiedene Berufsbilder, heute sicher mehr als je zuvor. Daher wird sich jeder Bereich sicher unterschiedlich verändern. Haupttreiber wird auch hier die Digitalisierung und vor allem auch die mobilen Endgeräte sein. Was sich aber ganz sicher für jeden ändern wird, der in der Werbung arbeitet, ist die mentale Disposition: Wer Erfolg haben will, muss immer weniger “brand-centric“ denken, und immer mehr “consumer-centric“, um mal ein paar modische Anglizismen in den Raum zu werfen.

Das bedeutet in Klardeutsch?
Wir müssen viel weniger darüber nachdenken, was Marken eigentlich sagen wollen. Und viel mehr darüber, was Menschen hören wollen, was sie interessiert, berührt, bewegt. Alles, was nicht nützlich oder unterhaltsam für Menschen ist, wird nicht mehr zu ihnen durchdringen.

Wie ändert sich die Werbung generell?
Komplett wäre untertrieben. Wir stehen vor der größten Veränderung, die die Werbung je erlebt hat. Genaugenommen stehen wir nicht davor, sondern sind schon mittendrin. Denn das Unterbrecher-Prinzip, das so lange die Basis für den Deal zwischen Verbrauchern, Medien und Werbungtreibenden war, funktionier immer weniger. Bislang war der Deal ja folgender: Du darfst Dir einen Lassie-Film kostenlos im TV anschauen, wenn Du dafür akzeptierst, dass ich Dich dafür 10-mal mit meiner Domestos-Werbung unterbreche. Oder: Dein Lieblings-Magazin kostet nur 5 Euro und nicht 15, wenn Du akzeptierst, dass zwischen den Sachen, die Du eigentlich lesen willst, Anzeigen erscheinen. Dieser Deal platzt gerade.

Warum das?
Zu verdanken haben wir das der Digitalisierung. Denn die Technologie wird den Menschen immer mehr Werkzeuge geben, um Werbung, die sie nicht sehen wollen oder von der sie sich belästigt fühlen, einfach auszublenden. Die aktuelle Diskussion um den Ad-Blocker zeigt das sehr gut. Da wollen einige vor Gericht tatsächlich durchsetzen, dass man Menschen weiter mit irgendwelchem Zeug belästigen darf, das sie gar nicht sehen wollen. Absurd. Wir müssen in der Kommunikation also von Push-Werbung zu Pull-Werbung kommen.

Das heißt?
Unsere Werbung muss aus sich heraus so interessant sein, dass Menschen sie akzeptieren, oder besser noch selber suchen und sehen wollen. Und diese Entwicklung begrüße ich mit jeder Faser meines Körpers. Weil für mich gute Werbung schon immer genauso war.

Haben Sie ein Beispiel?
Unsere Robbie-Williams-Kampagne für Volkswagen zum Beispiel. Die Idee “Wie macht sich ein internationaler Popstar als Marketingleiter bei einem deutschen Autohersteller” hat viele Menschen so sehr interessiert und war so unterhaltsam, dass sie der Story fast ein Jahr lang freiwillig gefolgt sind. Das ist ja eine klassische “Fish out of water”-Story und könnte praktisch der Plot einer Fernsehserie sein. Von Anfang an haben die Menschen die Spots und anderen Content aktiv im Web gesucht und dann sogar selbst geteilt. Über die damit erzielte Aufmerksamkeit und Bindung haben wir eine der erfolgreichsten Sondermodell-Kampagnen aller Zeiten für Volkswagen auf die Beine gestellt.

Gibt es andere Kampagnen, auf die Sie stolz sind?
Wenn man so lange Werbung macht wie ich, gibt es natürlich Arbeiten, die einem besonders am Herzen liegen. Die Edeka-Kampagne “Wir lieben Lebensmittel” zum Beispiel, weil sie damals eine ganze Branche aufgemischt hat. Genauso aber auch viele Arbeiten für Ikea, Volkswagen, DEVK-Versicherungen oder andere Kunden. Besonders stolz macht es mich, wenn wir Marken wirklich langfristig entwickeln können. Das ist dann mehr als ein One-Hit-Wonder. Für Ikea arbeiten wir über 20 Jahre lang, für Volkswagen 15 Jahre, für die DEVK auch fast 20 Jahre.

Ihre Agentur Grabarz & Partner hat jede Menge Preise abgeräumt mit einer Kampagne, die eine rechte Demo zum Marsch gegen rechts umfunktioniert hat. Wie kommen Sie auf so eine Idee?
In diesem Fall gar nicht allein. Die Idee ist gemeinsam mit der Agentur GGH MullenLowe und der Aussteiger-Organisation Exit entstanden. Für Exit arbeiten wir pro bono schon viele Jahre lang und kennen daher das schwierige Umfeld “Rechtsradikalismus” und die Psychologie dahinter ganz gut. Die initiale Überlegung war, ob man nicht etwas Schlechtes in etwas Gutes verwandeln kann. Im Laufe der Diskussionen entstand dann die Idee, aus einer Nazi-Demo einen Spendenlauf zu machen. Und in der Konstellation Grabarz & Partner, GGH MullenLowe und Exit haben wir das Ding dann durchgezogen.

Das war natürlich eine schöne Geschichte mit den rechten Krakelern, die plötzlich zum Spendenlauf für Aussteiger beitragen. Ist Storytelling und Content Marketing denn die Zukunft der Werbung?
Es ist die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Werbung. Denn bei beidem geht es um nichts anderes als um Relevanz. Herausragende Werbung hat schon immer eine relevante Geschichte erzählt. Eine Geschichte, die Menschen gern hören möchten und die die Marke dabei inszeniert. Das war früher so, ist heute so und wird in Zukunft so sein. Wir haben heute allerdings die medialen Möglichkeiten, diese Geschichten viel passgenauer und intelligenter zu erzählen.

Werden Werber überflüssig? Ersetzt durch Big Data, Facebook und Google?
Bis ich den ersten Liebesbrief von einer Maschine bekomme, bei dem ich Gänsehaut oder eine Erektion kriege, glaube ich das nicht so recht. Technologie ersetzt keine Idee, sondern ergänzt sie – oder sorgt dafür, dass wir die richtigen Menschen am richtigen Ort in der richtigen Verfassung erreichen. Solange Maschinen nicht in der Lage sind, Emotionen oder langfristige Beziehungen zwischen Menschen und Marken zu knüpfen, bin ich da ganz entspannt. Es hilft, Mensch zu sein, wenn man andere Menschen berühren oder bezaubern will. Und darum geht es in unserem Job.

Welche Rolle bleibt für Print?
Printmedien sollten nicht darauf warten, was für sie “bleibt”, sondern viel offensiver und selbstbewusster in den Markt gehen. Print hat ganz spezifische Stärken: Qualität und Kontext, Ruhe und Zeit, Meinung und Haltung. Das sollte Print viel konsequenter kommunizieren. Passiert nur merkwürdigerweise nicht. Genaugenommen nehme ich überhaupt nicht wahr, das die Gattung Print für sich kommuniziert oder sich inszeniert. Die einzigen Anzeigen für Print als Medium, die ich sehe, sind Abo-Anzeigen mit Headlines “Abonnieren Sie den ‘stern’ und Sie erhalten diese Tiptop-Salatschleuder obendrauf.” Selbstbewusstsein sieht für mich anders aus. Dabei könnte Print so mutig sein: In welcher Mediengattung gibt es so starke Marken wie “Spiegel”, “FAZ”, “SZ” oder “Zeit”? Selbst das öffentlich-rechtliche Fernsehen sähe da ohne die “Tagesschau” nicht gut aus.

Gibt es Kampagnen, für die Sie sich heimlich schämen?
Wir versuchen mit allen Mitteln, möglichst überhaupt nichts zu machen, für das man sich schämen muss oder das man irgendwie mit blumigen Worten oder Sätzen wie “das hat aber gut getestet” oder “schwieriger Kunde” oder “für die Umstände gar nicht schlecht” rechtfertigen muss. Irgendwer hat mal gesagt: Es gibt so wenig Gutes in der Werbung, weil alle dauernd “gar nicht so schlecht” sagen. Wenn eine Agentur tolle Kreation macht, zieht das Kunden an, die auch tolle Kreation wollen. Und umgekehrt. Dieser Magnetismus funktioniert bei uns ziemlich gut. Dennoch entstehen auch bei uns manchmal Kampagnen, bei denen ich denke: Alter, das hätten wir echt besser gekonnt.

Wie groß ist der Anteil an Ihrer Arbeit, der letztlich im Papierkorb landet?
Im Schnitt 90%. Meine Arbeit in der Kreation besteht größtenteils aus Bewerten und Wegwerfen.

Warum?
Das liegt in der Natur der Sache. Kreative Arbeit funktioniert eigentlich wie ein Sieb, das von Runde zu Runde engmaschiger wird und dafür sorgt, dass nur die beste Lösung weiter kommt. Von 25 internen Kampagnen-Entwürfen finde ich vielleicht anfangs zehn ganz interessant, nach ersten Überarbeitungen nur noch fünf, nach weiteren Überarbeitungen sind es vielleicht noch zwei oder drei, die dann zum Kunden gehen.

Wie fühlen Sie sich nach einem Pitch, den Sie verloren haben?
Ich verliere nicht gern. Aber meine emotionale Verfassung hängt immer von den Umständen ab. Und die sind praktisch bei jedem Pitch anders. Pitches werden ja nicht unbedingt über Kreation gewonnen – da spielen viele andere Dinge rein. Persönliches, Menschliches,Taktisches, die Tagesform, die Frau des Vorstands. Insofern variiert meine psychische Gemengelage von “Nicht schlimm, mit denen hätte es langfristig eh nicht geklappt” bis zu “Scheisse, das waren gute Leute, mit denen hätte man tolle Sachen machen können”. Am schlechtesten fühle ich mich, wenn ich nach ein paar Monaten sehe, womit letztlich der Pitch gewonnen wurde – und das entweder kreativ total indiskutabel ist oder überhaupt nichts mehr mit der eigentlich gebrieften Aufgabe zu tun hat. Das kommt durchaus vor.

Gibt es etwas, was Sie den Kunden dann am liebsten sagen würden – sich aber nicht trauen zu sagen?
Nein, aus dem Alter bin ich raus.

Haben Sie manchmal das Gefühl, dass sich nicht unbedingt die besten Ideen durchsetzen?
Natürlich setzen sich nicht immer die besten Ideen durch. Sonst sähen unsere Werbeblöcke und Zeitschriften anders aus, kein Mensch würde Werbung wegschalten wollen, es gäbe keine AdBlocker und die Werbung hätte kein Nachwuchsproblem.

Warum setzt sich so oft schlechte Werbung durch?
Weil Werbung und die Beurteilung der Qualität von Werbung eine sehr subjektive Angelegenheit ist. Da gibt es unterschiedliche Wahrheiten. Die wenigsten Kunden, die gerade eine schlechte Kampagne gekauft haben, kommen abends nach Hause und flöten: “Schatz, heute im Büro haben wir endlich eine Pitch-Entscheidung getroffen! Und weißt Du was? Wir haben die schlechteste Kampagne genommen! Verrückt, was?” In ihrer persönlichen Realität kauft jeder Kunde die beste Kampagne. Auch, wenn die dann letztlich keinen Menschen in diesem Sonnensystem interessiert.

Kann schlechte Werbung gut verkaufen? Stichwort: “Seitenbacher – lecker, lecker, lecker”.
Ach, Seitenbacher. Das Lieblings-Beispiel der “There is no bad publicity”-Fraktion. Diese Argumentation funktionierte vielleicht irgendwann mal in den 50er Jahren, als es um reine Awareness ging. Heute geht es aber um viel mehr. Es geht um Sympathie und darum, eine langfristige Beziehung zwischen Marke und Mensch aufzubauen. Eine Beziehung, die ich nicht alle fünf Minuten neu mit Werbung aufladen muss. Insofern: Nein, schlechte Werbung verkauft nicht gut. Denn sie muss sich der Frage stellen: Welche Sympathie und langfristige Markenbindung hätte man mit dem gleichen Budget in der gleichen Zeit aufbauen können?

Leben Sie privat eigentlich so wie die Protagonisten Ihrer Spots?
Nein. Ich bin ja nicht wahnsinnig.

Fahren Sie privat VW?
Selbstverständlich. Autos sind mein Hobby – mit einem Freund zusammen teile ich mir ein paar klassische Fahrzeuge. Keine besonders teuren, aber besonders schöne. Als Daily Driver fahre ich natürlich einen Volkswagen. Einen Touareg. Ein fantastisches Automobil. Sicher, zuverlässig, kraftvoll, schnell und ausgesprochen praktikabel. Ich kann all Ihren Lesern nur ans Herz legen, sich genau dieses Ausnahmefahrzeug mal anzuschauen, das es bei jedem Volkswagen Partner schon ab 53.700 Euro zu erwerben gibt.

Ende der Werbedurchsage. Ausnahmsweise lassen wir das durchgehen, weil Sie so geduldig unsere Fragen beantworten. Nächste Frage: Wenn Sie einkaufen gehen – belohnen Sie dann die Marken mit guter Werbung?
Ja, ich belohne Marken, die mich als Verbraucher ernst nehmen. Viel wichtiger aber: Ich bestrafe Marken, die mich mit ihrer Werbung nerven, mich für dumm verkaufen, mich anlügen oder von denen ich weiss, dass sie politisch oder ethisch nicht in Ordnung sind. Der Kassenbon ist ein Stimmzettel.

Dann nehme ich mal an, dass es bei Ihnen zum Frühstück kein Seitenbacher-Müsli gibt.
Ich esse eigentlich gar kein Müsli. Aber bei jeder Seitenbacher-Werbung erwische ich mich dabei, wie ich spontan größere Mengen bei mymuesli.com bestellen will. Nur um Seitenbacher wenigstens im Promille-Bereich Marktanteile wegzunehmen.

Weil wir es vorhin von Nutella hatten: Warum druckt Nutella eigentlich neuerdings Namen wie Kurt und Simone aufs Glas, ähnlich wie Coca-Cola? Ist das die Zukunft der Werbung, dass große Marken sich dermaßen klein machen?
Ich habe eine verrückte These, warum Nutella das macht: Die haben gesehen, dass das bei Coke sehr gut funktioniert hat und haben die Idee dann 1:1, sagen wir: nachgeahmt. Was Marken übrigens grundsätzlich nicht machen sollten. Sowas ist nicht gut fürs Selbstbewusstsein und auch nicht fürs Karma. Als Coke das gemacht hat, mochte ich das dagegen sehr. Ich finde auch nicht, dass eine Marke sich dadurch klein macht; sie begibt sich eher auf Augenhöhe mit den Menschen. Es geht ja für Marken darum, Beziehungen zu Menschen aufzubauen. Und eine Beziehung muss man pflegen, wie in einer Partnerschaft. Da überrascht man seinen Partner ja zwischendurch auch mal und macht ihm spontan eine Freude. Wie halt eine Coke-Flasche mit seinem Namen drauf.

Sind die goldenen Zeiten für Werber nicht vorbei? Konstantin Jacoby war ein Popstar, Jean-Remy von Matt eine Ikonie – was sind Sie?
Ich bin Arbeiter.