Filmregisseur Dieter Wedel stirbt vor Prozessbeginn.


Talent und Täter? Das Landgericht München I sollte heute eigentlich entscheiden, ob es zum Prozess gegen Regisseur und Theaterintendant Dieter Wedel kommt. Stattdessen gibt das Gericht den Tod des 82-jährigen Angeklagten bekannt. Demnach starb er am 13. Juli in Hamburg. 1996 soll Wedel die Schauspielerin Jany Tempel vergewaltigt haben und auch andere Frauen hatten öffentlich über gewalttätige Übergriffe berichtet. Wedel hatte die Vorwürfe bis zuletzt bestritten. Die deutschen Medien ringen um einen angemessenen Umgang mit einer problematischen Figur.

Der Filmregisseur und Theater-Intendant drehte zahlreiche Fernsehfilme für ARD und ZDF und gehörte zu den erfolgreichsten deutschen Filmemachern. Von 2002 bis 2014 leitete er die Nibelungen-Festspiele in Worms und später der Bad Hersfelder Festspiele. 2018 berichteten im Rahmen der #metoo-Bewegung mehrere Frauen in der "Zeit" über gewalttätige sexuelle Übergriffe. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn, 2021 folgte die Anklage. Durch seinen Tod wird das Verfahren nun eingestellt.

Auf die Frage, ob man Wedels "Ausnahmetalent" ehren dürfe, schreibt Charlotte Koep auf t-online.de: "Es sollte erlaubt sein, Mensch und Künstler trennen zu dürfen und mit diesem Blick auf ihre Leben zu schauen." Dass er ein "Genie auf seinem Gebiet" sei, sei unumstritten. Auch Joachim Huber schreibt im "Tagesspiegel", das deutsche Fernsehen habe "einen seiner Großen, sehr Großen verloren".

Willi Winkler widerspricht dem in der "Süddeutschen": In Wahrheit habe Wedel vor allem eines perfekt gekonnt: "nie am übersichtlichen Bedarf des mittleren Managements in deutschen Sendern vorbeizuproduzieren". Der "Verdacht des Genies" sei Teil des Problems und der Grund gewesen, weshalb er mit seinem Verhalten durchgekommen sei. Auch Christian Buß findet im "Spiegel" wenig lobende Worte. Wedel sei ein "krasser Prahlhans" gewesen, kritikunfähig und "selbstberauscht". Sein Name stehe auch für das "brutalste bislang bekannte sittliche Systemversagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks".

Wedels Anwälte kritisieren, das Verfahren gegen ihren Mandanten sei medial zum "angeblichen 'Musterverfahren' einer gesellschaftlichen Bewegung aufgebauscht" worden. Sein mutmaßliches Opfer, die Schauspielerin Jany Tempel sagt, sie sei "völlig perplex". Sie hofft, dass sich nach Wedels Tod weitere Opfer melden und ihre Geschichte erzählen.
tagesschau.de, t-online.de, tagesspiegel.de, sueddeutsche.de, spiegel.de, spiegel.de (Tempel)