turi2 edition #18: Finanzjournalistin Jessica Schwarzer im Porträt.


Nutzwert statt Nullnummer: Jessica Schwarzer kommt zunächst nicht auf die Idee, Finanzjournalistin zu werden. Ein Praktikum bei der „Handelsblatt“-Tochter DM Online weckt schließlich ihr "Börsenblut". Heute ist das tägliche Auf und Ab der Märkte ihre Passion. Das "Rüstzeug zum Zocken" erfährt man von ihr aber nicht.

Seit über 25 Jahren sind Geldanlagen die journalistische Heimat von Jessica Schwarzer. Doch heute definiert sie ihren Beruf „völlig anders als früher“: Schwarzer schreibt, moderiert Events, gastiert in Podcasts, dreht Videos, leitet Seminare und macht Social Media. Die Börse hatte sie beruflich zunächst gar nicht auf dem Schirm, dafür aber den Journalismus. Ihr Kindheits-Idol ist die rasende Reporterin Karla Kolumna aus den Hörspielen um Benjamin Blümchen.

Nach dem Politik- und Geschichtsstudium in Düsseldorf macht sie ein Praktikum bei der damaligen „Handelsblatt“-Tochter DM Online. Der Redaktionsleiter Matthias von Arnim erkennt Schwarzers Börsenblut. „Vorher war ich gar nicht auf die Idee gekommen, dass ich Finanzjournalistin werden könnte“, erzählt sie. Knapp zehn Jahre später startet sie beim „Handelsblatt“ und erklimmt die Karriereleiter: Von der Redakteurin im Newsroom entwickelt sie sich zur Ressortleiterin Finanzen und dann zur Chefkorrespondentin. 2018 entscheidet sie sich schließlich für die Selbstständigkeit als Journalistin, Autorin und Moderatorin. Was bleibt ist „das Spannendste an meinem Job: das tägliche Auf und Ab an den Märkten“.

Neue Möglichkeiten auszutesten, ist Jessica Schwarzer wichtig. Gleichzeitig ist sie ein „großer Fan des guten, alten Nutzwert-Journalismus“. Sie empfiehlt deshalb eher, „die Grundlagen der erfolgreichen Geldanlage zu vermitteln als das Rüstzeug zum Zocken“. Auch wenn letzteres etwas aufregender scheine. Ein langer Atem sei an der Börse Grundvoraussetzung. Schwarzer empfiehlt für den Vermögensaufbau deshalb: „Langfristig denken und sein Risiko breit streuen – am besten mit Fonds und ETFs“. Ihre Karriere als Börsenanlegerin startet bereits 1996: Beim Börsengang der Deutschen Telekom ersteht sie ihre erste Aktie. Damit wird sie Unternehmerin, betont sie in einem Interview, denn Aktien sind Unternehmensbeteiligungen.

Jessica Schwarzer denkt Finanzjournalismus und Gleichberechtigung zusammen. Sie wünscht sich definitiv mehr Frauen in den Chefetagen der Finanzwelt, grundsätzlich mag sie die Branche aber. In ihren Seminaren stellt sie heraus, dass Frauen andere Erwerbsbiographien haben als Männer und deshalb auch anders mit ihrem Geld umgehen sollten. Schwarzer vermittelt Grundwissen, erklärt die Fachsprache und will so die Angst vor der Börse nehmen. Deshalb unterstützt sie auch die Initiative Finanz-Heldinnen, die Frauen für Geldfragen begeistern und mit Wissen unterstützen will. Dass männliche Bullen und Bären die Märkte dominieren, habe mit der heutigen Realität nichts mehr zu tun.

Schwarzer liebt es, „wenn die Ideen nur so sprudeln und meinen Auftraggebern auch gefallen“. Sie hat acht Bücher geschrieben und beweist, dass ihr Beruf vielseitig ist: Sie schreibt darüber, „wie wirklich jeder entspannt reich werden kann“, über Finanzplanung für Frauen und Emotionsregulierung bei schwerem Börsengang. Damit tritt sie den Beweis an, dass man über Geld eben doch sprechen kann – und auch schreiben.

Tipp von Jessica Schwarzer für eine Anfängerin: „Immer an die Leserin und den Leser denken. Heißt konkret: Lieber über Strategien für den langfristigen Vermögensaufbau zu berichten, als über die vermeintlich nächste 100-Prozent-Chance“

Jessica Schwarzer
Geb. 1974 in Düsseldorf
1995 Studium neuere Geschichte, Wirtschaftsgeschichte und Politik in Düsseldorf und Wien
1996 Kauf der ersten Aktie: Deutsche Telekom beim Börsengang
1999 Praktikum bei DM Online
2008 Redakteurin, später Ressortleiterin Finanzen und Chefkorrespondentin Börse beim „Handelsblatt“
2018 Freiberufliche Journalistin, Autorin und Moderatorin


Foto: Olaf Rayermann

Dieser Beitrag ist Teil der turi2 edition #18 Kapital – alle Geschichten hier im E-Paper: