Christian Drosten wirft Medien eine “verharmlosende Berichterstattung” vor.


Mitschuldige Medien: Virologe Christian Drosten gibt den Medien eine Mitschuld an der aus seiner Sicht schlechten Impfquote von derzeit 70,5 % in Deutschland. Es habe eine "Kontinuität von verharmlosender Berichterstattung aus einer ganzen Ecke der Medien" gegeben, sagt er im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" – im Übrigen hinter einer ungeliebten Paywall. "So wurde über Monate einer breiten Bevölkerung suggeriert, dass das Problem viel kleiner ist, als es in Wirklichkeit ist. Dass die Sorge übertrieben ist, nicht real." Das habe dazu beigetragen, "dass das Vertrauen erodiert ist in die leider schmerzhaften politischen Maßnahmen, die man nun einmal ergreifen musste". Drosten kritisiert freie Journalistinnen und Kommentatorinnen, die "systematisch und subtil vorgehen, die ständig sticheln" – u.a. im Fernsehen. Interessant sei, dass es dort gerade wieder stiller werde: "So wie immer, wenn sich die Intensivstationen füllen." Wissenschaftsredaktionen hätten unterm Strich jedoch gut gearbeitet, politischen Journalismus habe er als "schwierig" empfunden.

Zu Talkshows wolle Drosten nicht mehr gehen, problematisch finde er hier insbesondere die "Verkürzungen und Zuspitzungen von differenzierten Aussagen, die dann gegen mich verwendet werden". Zudem wolle er nicht zur "medialen Ware" werden. Dass es erst nach dem "Bild"-Bericht "Die Lockdown-Macher" von Anfang Dezember eine breite Positionierung der Wissenschaftsorganisationen gegeben hat, erklärt sich Drosten damit, dass Wissenschaftlerinnen "eigentlich nicht die Kapazität für so etwas" haben. Zudem hätten sie jahrzehntelang die Erfahrung gemacht, dass "jede kontroverse Debatte von selbst wieder schnell verschwindet, weil ihre Themen von der breiten, glitzernden Medienöffentlichkeit entfernt sind". Nun würde man aber sehen, dass "diese Torpedos" immer wieder kommen. "Und dann war es ganz schneller Konsens: Wir reagieren."
sueddeutsche.de (Paid), welt.de