Fortsetzung folgt nicht: Selbst erfolgreiche Serien bekommen bei Streamingdiensten manchmal keine Fortsetzung. Fans der Science-Fiction-Erzählung “Peripherie” bei Amazon oder der Geisterjäger von “Lockwood & Co.” bei Netflix stehen dann “im Nirgendwo”, schreibt Michael Ridder bei epd Medien. “Ein Glück, dass die Buchhandlung des Vertrauens hier Abhilfe schaffen kann.” Denn viele Serien beruhen auf der Vorlage von Romanen. Für Ridder hilft der “Serieneinstellungs-Boom” der Streamingdienste somit dem Buchhandel. turi2 veröffentlicht diesen Beitrag in der Reihe Das Beste aus epd Medien bei turi2.
Von Michael Ridder / epd Medien
Die Strategie ist bekannt: Streamingdienste fixen ihre Nutzerinnen und Nutzer mit Cliffhangern am Staffelende an, die Rätsel aufwerfen und heftige Neugier auslösen. Ob da mal eben eine weitere Paralleldimension angedeutet wird wie bei “Dark” oder ob Megaschurke Lalo Salamanca in “Better Call Saul” einen Anschlag überlebt, den eigentlich niemand überleben kann – sofort möchte man mit der nächsten Staffel weitermachen. Zuweilen gibt es dann leider Wartezeiten von einem Jahr oder mehr zu überbrücken.
Aber was tun, wenn die sehnlichst erwartete Fortsetzung mit der Auflösung des Cliffhangers niemals kommt? Dann stehen die Serienfans, im Stich gelassen von ihrem Streamingdienst, im Nirgendwo. So geschehen beispielsweise bei der Amazon-Serie “Peripherie”, deren erste Staffel auf dem ersten Band der “Jackpot-Trilogie” des britischen Science-Fiction-Visionärs William Gibson basiert. Sie begeisterte im Herbst 2022 Publikum und Kritik, schnell gab Amazon eine Fortsetzung bekannt.
Streamingdienste brechen Serien ab
Im August dieses Jahres nahm der Dienst die Ankündigung plötzlich zurück und stoppte “Peripherie”. Intern wurde dies laut einem “Variety”-Bericht mit dem Streik der Autoren und Schauspielerinnen in Hollywood begründet, eine Fortsetzung erst 2024 oder 2025 schien für Amazon demnach nicht vermittelbar. Gibsons fesselnde Erzählung, die technikkritisch und gesellschaftsphilosophisch eine Art “Krieg der Zeiten” zwischen dem Jahr 2032 und dem Jahr 2099 schildert, bricht somit einfach ab.
Ein Glück, dass die Buchhandlung des Vertrauens hier Abhilfe schaffen kann. In “Agency”, dem 2020 erschienenen zweiten Teil der geplanten Trilogie, tauchen die Leser zunächst in einen ganz neuen Strang im Jahr 2017 ein, bevor die Parallelhandlung im postapokalyptischen London des 22. Jahrhunderts mit den aus “Peripherie” bekannten Figuren fortgesetzt wird. Dass man dazu die Gesichter aus der Amazon-Serie im Kopf hat, ist kein Nachteil, sondern gewährleistet so etwas wie ein visuelles Kontinuum.
Die Handlung im Kopfkino fortsetzen müssen auch Jugendliche, die sich für die erste Staffel der Netflix-Serie “Lockwood & Co.” begeistert haben. Die düstere Geschichte um junge Menschen, die als Geisterjäger das gesellschaftszersetzende “Problem” lösen müssen – Tote kehren als böse Geister in die Welt der Lebenden zurück –, ist fulminant inszeniert und kann als Metapher auf die “Fridays for Future”-Generation durchgehen, welche die Sünden der Alten bewältigen muss.
Bücher als Alternative
Doch Netflix konnte sich nicht zu einer Fortsetzung durchringen, was nun ebenfalls dabei hilft, den Buchmarkt anzukurbeln. Und das womöglich doppelt: Denn jugendliche Leserinnen, die nach den nicht verfilmten Bänden von Jonathan Strouds “Lockwood”-Reihe suchen, finden in ihrer Buchhandlung auch die neue Science-Fiction-Jugendbuchserie “Scarlett & Browne” desselben Autors.
Antiquariate und Internethändler können ebenfalls vom Serieneinstellungs-Boom profitieren. Disney+ stellte Anfang des Jahres trotz glänzender Rezensionen “Die geheime Benedict-Gesellschaft” ohne Angaben von Gründen nach zwei Staffeln ein; die in den Nullerjahren erschienenen Bücher des US-Amerikaners Trenton Lee Stewart, die sich an ältere Kinder richten, sind überwiegend nicht mehr im normalen Buchhandel zu bekommen. Den fünften Band gibt es zudem nur auf Englisch – so betreiben die Streamingdienste im Idealfall auch noch Sprachförderung.