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Screen-Schrittmacher: Sehnsuchtsort Metaverse.

1. November 2023

Doppelgänger-Dilemma: Der virtuelle Raum kommt nicht so richtig in Fahrt. Selbst Meta, das sich die Technologie in den Namen geschrieben hat, tüftelt jetzt lieber an KI. In der turi2 edition #22 zeigen wir fünf Unternehmen, die im Metaversum trotzdem ihr Glück versuchen – oder daran gescheitert sind.

Von Nancy Riegel
 
Aldi Süd: Digitale Umkleidekabine
 
Klamotten am Grabbeltisch kaufen ist Glückssache – ob die Teile passen, zeigt sich erst zu Hause. Aldi Süd sucht für die Sommerkollektion 2023 die Lösung im Pixeligen: Eine Woche vor Launch kann man die Shirts, Shorts und Socken virtuell anprobieren. Möglich macht’s ein digitaler Zwilling auf der Avatar-Plattform ReadyPlayerMe.

Aldi ist damit laut eigenen Angaben der erste Lebensmittelhändler mit einer digitalen Kollektion im Metaverse. Klingt gut, ist aber eigentlich Metaverse light: Die fesch gekleideten Hologramme können Nutzerinnen zwar tanzen lassen und die Videos davon auf Social-Media-Plattformen teilen – mehr aber auch nicht. Interaktivität und soziale Vernetzung sind kaum möglich. Wie viele Kundinnen die Anwendung getestet haben, will der Discounter aus „Wettbewerbsgründen“ nicht verraten. Nur so viel: „Die Kollektion fand großen Anklang“, sagt eine Sprecherin.
 

Siemens und Nvidia schaffen in Echtzeit fotorealistische, digitale Zwillinge von Fabriken

Siemens: Werkeln 4.0
 
Aus dem Industrie-Giganten soll ein Techie werden, der es mit Alphabet und Amazon aufnehmen kann – so die Vision von Siemens-Chef Roland Busch, Physiker aus Franken. Siemens tüftelt dafür mit den US-Grafikspezialisten von Nvidia am „Industrial Metaverse“, einem digitalen Raum mit virtuellen Abbildern realer Maschinen, Fabriken und Systemen, an denen Menschen arbeiten und forschen können. Mögliche Probleme, die in der echten Welt auftreten, sollen im industriellen Metaverse durchgetestet werden, was wiederum echte Millionen Euro sparen soll, in der Automobilindustrie oder im Gesundheitswesen.

Für die Mitarbeitenden des Konzerns ist diese Vision schwer zu verstehen, hört das „Manager Magazin“. Der Chef lässt sich davon nicht abhalten: In Erlangen investiert Siemens 500 Millionen Euro in den Nukleus des industriellen Metaverse, einen neuen Campus für Entwicklung und Hightech-Fertigung.

NexR: Doppelt hält nicht besser
 
Das Berliner Startup NexR Technologies will gleich eine ganze Armada digitaler Doppelgänger auf die Welt loslassen. Die Scanner des Unternehmens nehmen dafür Dutzende Körpermaße der Kundinnen und schaffen so virtuelle Abbilder – Avatare. Diese probieren online etwa Klamotten von H&M an oder dokumentieren im Fitnessstudio, wie sehr der Bizeps schon gewachsen ist. „Wir glauben, dass bald jeder seinen eigenen Avatar haben will“, sagt NexR-Chef Markus Peuler noch Ende 2022 dem „Spiegel“.

Diese Vision scheint nicht jeder zu teilen: Ein Großinvestor kappt dem Unternehmen Anfang 2023 die Geldquelle, ein neuer Finanzier ist nicht in Sicht. Mitte 2023 rutscht NexR Technologies in die Insolvenz.
 

Die „Vans World“ auf der Plattform Roblox
 
Vans: Spiel, Spaß und Skateboards
 
Die Klamotten- und Schuhmarke Vans gilt als Vorzeigebeispiel fürs Metaverse. Im August 2023 zählt sie den 100.000.000. Besucher in der „Vans World“, einem digitalen Skatepark auf der Gaming-Plattform Roblox. Nutzerinnen probieren dort mit ihren Figuren Tricks aus und treten zu Wettbewerben an. Dazu können sie sich digitale Klamotten und Accessoires von Vans mit der In-Game-Währung kaufen. Roblox nutzen auch andere Marken als Einfallstor zum Metaverse: Gucci, Nike und Samsung haben dort bereits 3-D-Marketing-Welten.

PwC: Virtuelle Verhandlung
 
Der Prüfungs- und Beratungskonzern PwC startet Mitte 2023 eine virtuelle Plattform für Meetings und Teamwork. Mitarbeitende, Kunden und Bewerberinnen sollen sich dort in Form ihrer Pendants in Videospieloptik versammeln, plaudern und verhandeln – ein Schritt in Richtung Metaverse. „Wir sehen darin eine disruptive Technologie, die Teil des kommenden neuen Web-Zeitalters sein wird. Und da wollen wir früh dabei sein“, sagt Geschäftsführer Clemens Koch dem „Handelsblatt“. Der 3-D-Konferenzraum kostet das Unternehmen einen mittleren einstelligen Millionenbetrag. Ob sich die Investition bereits gelohnt hat? PwC will dazu nichts sagen.

Fotos: Aldi Süd, Siemens, Vans

Alle Geschichten der turi2 edition #22 – direkt hier im Browser als E-Paper:
 

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