Mit Anstand begegnet Michelle Obama Anfeindungen: “When they go low, we go high.” Mit dieser Einstellung kommt sie sie erst nach Harvard, dann ins Weiße Haus. News-Aktuell-Chefin Edith Stier-Thompson schreibt in der turi2 edition #12 über eine inspirierende Frau, die sich ihre Chancen selbst schafft.
Ich war kurz versucht, hier über meine Mutter zu schreiben. Obwohl sie nicht mehr lebt, ist sie bis heute mein größtes Vorbild. Die Welt hat sich seit ihrem Tod aber weiterentwickelt: Auf der Agenda stehen wirtschaftliche, politische, soziale Themen, die sich meine Mutter in ihren kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können. Daher habe ich mich entschieden, meine Laudatio Michelle Obama zu widmen.
Für mich ist sie eines der größten Vorbilder der heutigen Zeit. Kaum eine andere inspiriert weltweit Millionen von Menschen – alters-, geschlechts- und kulturübergreifend. Sie ist eine Kämpferin, die trotz vieler Herausforderungen nicht ermüdet. Sie nimmt die Dinge nicht hin, macht nicht zwingend das, was von ihr erwartet wird – als Frau, Afroamerikanerin, Mutter, Ehefrau, First Lady. Sie zeigt, dass wir unseren Weg selbst bestimmen können. Auch, wenn das manchmal schwierig ist.
Obama wächst in bescheidenen, aber stabilen Verhältnissen in der South Side von Chicago auf – Sinnbild für das Amerika der Chancenlosen. Sie erlebt, wie Weiße aus der Nachbarschaft wegziehen, weil immer mehr Schwarze hinziehen. Zu ihrem Wunsch, an der Elite- Universität Princeton zu studieren, sagt ihre Berufsberaterin, sie solle ihre ehrgeizigen Ziele in den Griff bekommen – und würde es in Princeton nicht schaffen. Davon lässt sich Michelle Obama nicht entmutigen. Sie studiert erst in Princeton, dann in Harvard – mit Erfolg. Das stärkt ihren Glauben daran, dass alles möglich ist. Aber auch während der Studienzeit ist sie als schwarze Frau in der Minderheit, hat mit Rassismus zu kämpfen. In ihren ersten Tagen an der Uni zieht eine Zimmergenossin aus, deren Eltern missfällt, dass sie mit einer Schwarzen zusammenwohnt.
Michelle Obamas Erfahrungen sind selbstverständlich kein Einzelfall. Im Gegenteil: Der Tod von George Floyd im Mai 2020 zeigt, dass Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe und Herkunft immer noch verbreitet und aktueller ist denn je. Genau deshalb braucht es Persönlichkeiten wie Michelle Obama, die ihre Bekanntheit dafür nutzen, Themen auf die Agenda zu heben, aufzuklären, Augen zu öffnen, Mut zu machen.
Dabei geht es ihr nicht nur um Rassismus oder soziale Ungerechtigkeit. Sondern auch um persönliche Themen, die im öffentlichen Diskurs oft noch tabu sind. Sie erzählt von ihren Fehlgeburten und dem Gefühl, damit als Frau versagt zu haben. Davon, dass sie ihre Töchter durch künstliche Befruchtung bekommen und mit ihrem Mann eine Eheberatung besucht hat.
In puncto Karriere ist Michelle Obama lange mit ihrem Mann Barack auf einer Ebene. Als die Kinder zur Welt kommen, tritt sie kürzer – nicht für seine Karriere, sondern weil sie feststellt, dass sie Beruf und Kindern nicht gleichermaßen so gerecht wird, wie sie will.
Ihr Kampfgeist zeigt sich auch im Wahlkampf ihres Mannes. Anstatt ihn nur im Hintergrund zu unterstützen, trägt sie durch Reden, Interviews und Fernseh- Auftritte zum Wahlerfolg bei. Ebenfalls untypisch für eine angehende First Lady: Sie und Barack bekunden öffentlich, dass sie politischen Einfluss auf ihren Mann hat und ihn als Beraterin unterstützt.
Michelle Obama spricht aus, was andere nicht zu sagen wagen. Legt den Finger in die Wunde, bewegt Menschen, inspiriert und motiviert. Und gibt wichtige Impulse für Veränderungen. Sie strahlt einen ungemeinen Optimismus aus und begegnet Anfeindungen mit Anstand und Stil. Nicht von ungefähr wird ihr Zitat “When they go low, we go high” zum viel zitierten Schlüsselsatz der US-Präsidentschaftswahl 2016. Nicht zuletzt ist sie nach 43 Vorgängerinnen die erste afroamerikanische First Lady der USA. All dies macht Michelle Obama zu einem besonderen Vorbild. Einem, das sich stets selbst treu bleibt.