turi2 edition #12, 50 Vorbilder: Melanie Büttner schreibt über Madonna.
26. September 2020
Musik-Ikone: Mit ihren Texten, Outfits und Auftritten sprengt Madonna seit fast vier Jahrzehnten gesellschaftliche Normen. Fasziniert blickt die Ärztin und Sex-Podcasterin Melanie Büttner in der turi2 edition #12 auf die Königin der Popmusik – und dabei ein bisschen auf sich selbst.
Die Queen of Pop begleitet mich seit meiner Kindheit. In den frühen 80er Jahren erscheint sie auf der Bildfläche. Ihr Sound ist eingängig, ihr Äußeres auffallend. Frech singt und tanzt sie sich in die Pop-Charts und prägt ihren ganz eigenen Stil, der immer auch etwas mit Tabubruch zu tun hat. Was damals noch niemand wissen kann: Sie ist gekommen, um zu bleiben.
Madonna verändert sich ständig. Doch nicht nur ihr Look entwickelt sich weiter. Auch ihr Gesang reift und die einst seichte Stimme klingt plötzlich weicher, tiefer und lässt Facetten zu, die von aufpeitschend über sanft bis ergreifend reichen. Sie probiert sich in allerhand Rollen aus. Kaum denkt man, verstanden zu haben, wer Madonna ist, lebt sie schon wieder anders. Diese Wandelbarkeit wird ihr Markenzeichen. Sie erfindet sich ständig neu. Ein bisschen so wie ich.
Mit der Zeit gibt sich Madonna rebellischer, umstürzlerischer. Kokettiert und provoziert mit einer offensiven Sexualität, die sich nicht um das schert, was von einer Frau erwartet wird. Auch ihre Musik verschiebt Grenzen. Madonna zeichnet ein neues Frauenbild: willensstark, in ihrer Sexualität ermächtigt, bei Bedarf wehrhaft.
Für mich war und ist Madonna einfach immer da. Oft beiläufig, wenn mal wieder ein neuer Song von ihr aus dem Radio schallt. Aber ich merke auch, dass ich oft Bewunderung für sie empfinde. Dafür, dass sie sich verwirklicht. Dass sie sich Freiheiten einfach nimmt. Für ihre Disziplin und Durchsetzungskraft. Für das, was sie damit erreicht hat.
Ihren Erfolg damit zu beschreiben, dass sie im Verlauf ihrer Karriere einen Hit nach dem anderen landet, wäre zu kurz gegriffen. Madonna ist eine Performerin mit einem hohen Anspruch nicht nur an ihre Musik, sondern auch an die visuelle Ästhetik ihres Schaffens. Ihre avantgardistischen Auftritte sind ausdrucksstark, athletisch und haben eine politische Aussage. Damit nimmt sie gesellschaftlich Einfluss und ist außerdem kommerziell äußerst erfolgreich.
Bis heute setzt Madonna sich ein – für einen modernen Feminismus, Diversität und wohltätige Zwecke. Gegen White Supremacy, Rassismus, Sexismus, Homound Transphobie. Damit eckt sie auch an. Doch wie sie die Welt erst unlängst wissen ließ, als sie sich fast nackt und kunstvoll derangiert auf Instagram zeigte: „Ich habe erfolgreich die University of Zero F**ks Given abgeschlossen.“ Wer sie dafür angreift, dass sie ist, wie sie sein will, prallt ab. So eine Elefantenhaut hätte ich auch gerne.
Bei Madonna habe ich gesehen, was man mit unbedingter Disziplin erreichen kann. Dass es kein Widerspruch ist, sich für benachteiligte Menschen einzusetzen und gleichzeitig im eigenen Leben nach Erfüllung zu streben. Dass außer mir niemand darüber zu urteilen hat, was für mich das Richtige ist. Und dass es möglich ist, gesellschaftlichen Wandel anzustoßen, wenn man die Dinge quer und neu denkt.
Auch in puncto Wandelbarkeit habe ich in Madonna eine Identifikationsfigur gefunden. Ich habe meinem Leben so oft einen neuen Dreh gegeben, dass andere oft nicht mehr mitgekommen sind: bis 27 verschiedene Jobs und Schule des Lebens, mit 29 Abitur, dann Medizinstudium und Uni-Laufbahn, Fachärztin, Sexual- und Traumatherapeutin, Wissenschaftlerin und Dozentin, Herausgeberin und Autorin, Sex-Podcasterin. Bald das dritte Buch, das vierte in Planung, mit dem fünften flirte ich. „Unstoppable“ nennt mich mein Mann.
Und warum das alles? Um etwas zum Besseren zu bewegen. Um Wissen und Empowerment zu denen zu bringen, die sich entwickeln und freier sein wollen. Weil sie sich mit weniger nicht abfinden. So wie ich. So wie Madonna.