turi2 edition #13: Christoph Horn über die Neue Freiheit.
30. Dezember 2020
New Normal: Mit seiner internen Krisen-Kommunikation ist der Auto-Zulieferer ZF Friedrichshafen bisher gut durch die Krise gefahren, berichtet Kommunikationschef Christoph Horn in seinem Gastbeitrag für die turi2 edition #13. Man wolle die Pandemie nutzen, um Arbeitsprozesse zu hinterfragen und das Team fit zu machen für die neue Realität. Sie können das Buch hier als kostenloses E-Paper lesen oder gedruckt bestellen.
Was war 2020 neu? Fundamental war der temporäre Bedeutungsverlust der externen Kommunikation auf dem Höhepunkt des ersten Lockdowns. Eine Organisation, die sich auf ihr Überleben und ihre Liquidität konzentriert, hat keinen Bedarf, sich auf Live-Plattformen, mit Anzeigenschaltungen oder Social-Media-Kampagnen zu präsentieren.
Gleichzeitig haben wir Takt und Intensität der internen Kommunikation stark erhöht. Wo vorher ein Besucherkino im ZF-Forum war, installierten wir schnell ein Übertragungsstudio. Hier konnten wir, trotz aller Restriktionen, einen Teil dessen ausgeben, was wir anderswo einsparten. War das jetzt eine neue Erkenntnis? So ganz nicht, denn schon bei der Integration des 2015 zugekauften Zulieferers TRW, einem US-Konzern mit mehr als 60.000 Mitarbeitern, war die interne Kommunikation ein Schlüssel zum Erfolg, fast wichtiger als das externe Marketing. Während der Pandemie wurde sie aber noch wichtiger. Und digitaler. Dass ZF bisher gut durch die Krise gekommen ist, verdanken auch wir einer transparenten und regelmäßigen internen Kommunikation weltweit, die komplett online stattfand.
Beeindruckend und bislang nicht gelernt war, dass wir international gut Verantwortung wahrnehmen konnten, ohne selbst zu verreisen. So haben wir die Kommunikation bei ZF in China und Nordamerika mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort sauber durchgesteuert – obwohl wir uns teils ein ganzes Jahr nicht persönlich begegnet sind. Schon im wirtschaftlich herausfordernden 2019 hatte die Reisefrequenz der Kommunikatoren kostenbedingt stark nachgelassen. Anfang 2020 fuhr sie dann auf Null herab. Mein letzter Flug führte im Februar von Frankfurt nach Friedrichshafen – seitdem gab es zuerst keine und dann nur noch Dienstreisen per PKW innerhalb Deutschlands und ins nahe europäische Ausland. Das hat mangels Flugausfällen und verpassten Zug-Anschlüssen zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität geführt. Gelernt habe ich auch, dass ein Arbeitstag nicht zwingend im Büro stattfinden muss und dass sich manches Thema besser mit mehr Ruhe von zuhause erledigen lässt. Auch das erhöht, beispielsweise durch antizyklische Fahrzeiten, die Lebens- und Arbeitsqualität. Die gewonnene Zeit konnte ich hervorragend nutzen, um besser zuzuhören, mit dem eigenen Team und darüber hinaus intensiver zu kommunizieren.
Die bedeutendste Erkenntnis aber ist der Wert der Arbeit in diesen Zeiten sowie der Unterschied zwischen Arbeit und Beschäftigung, der beim Herunterfahren auf fast Null schnell transparent wird. Welche Aktivitäten schaffen Wert, welche sind verzichtbar und welche nicht? Es ist schwer, Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken, weil es nichts für sie zu tun gibt. Noch schwerer ist es, sie entlassen zu müssen, was an internationalen Standorten ohne Instrumente wie Kurzarbeit bei ZF durchaus geschehen ist – auch in der Kommunikation. Gleichzeitig gibt es in der Krise Kommunikationsbereiche, die der Nachfrage kaum Herr werden. Das ist ungerecht, aber ein solidarisches Prinzip der Aufteilung von Arbeit hilft wegen der unterschiedlichen Spezialisierungen im Team in einer Krise solchen Ausmaßes auch nicht weiter. Fakt ist, dass es für uns mehr als eine Dekade immer nur mehr Arbeit, Anerkennung und Budget gab. Darauf folgte jetzt für viele die Ernüchterung.
Wie gehen wir damit um? Mit gezielter Veränderung und Anpassung an das New Normal. Wir haben begonnen, unsere Struktur und Wertschöpfung in der Kommunikation zu hinterfragen. Wir stellen den Bereich Corporate Communications und Marketing neu auf, um Vertrieb und Entwicklung von ZF besser zu unterstützen und die interne Kommunikation weiter zu stärken. Wir werden viele Mitarbeiter neu oder weiter qualifizieren, etwa in Sachen Broadcasting/Streaming oder hybride Veranstaltungen. Mein erster Vorsatz für 2021: Das Team mitnehmen und fitter machen für die neue Realität. Dazu gehört auch die Einführung von OKR (Objectives and Key Results) zur besseren und zielgerichteten Team-Führung bei kürzeren Planungszyklen und noch mehr Eigenverantwortung für alle. Das wird notwendig sein. Denn es wird nicht wieder so, wie es war. Und das ist auch gut so. Mein persönlicher Vorsatz für 2021 ist, die gewonnene Freiheit durch neue Arbeits- und Führungsformen zu erhalten und weiterzudenken.