“Beliebte Marken polarisieren nicht zu stark” – Benedikt Lüthi über den Wert von Marken.
4. August 2023
Am besten lauwarm: Der YouGov BrandIndex ist ein “Fieberthermometer für die Markengesundheit”. 1.500 Marken werden darin auf Wert, Qualität und Kundenzufriedenheit geprüft. Deutschland-Chef Benedikt Lüthi erklärt im Interview für die turi2 edition #21, wann die Image-Temperatur steigt und sinkt – und welche Fehler Brands vermeiden sollten.
Warum sollte man ausgerechnet dem YouGov BrandIndex trauen?
Der YouGov BrandIndex (BIX) ist ein standardisiertes und in über 50 Ländern verfügbares Lizenzprodukt, das seit vielen Jahren im Einsatz ist. Global ist der YouGov BrandIndex das älteste Markentracking-Produkt seiner Art. Es wurde in den vergangenen Jahren laufend verfeinert und verbessert. Unser Ziel ist es, ein realistisches Abbild einer Branche zu bieten. Nach dieser Maßgabe werden die finalen Entscheidungen der Markenzusammensetzung in den jeweiligen Branchen getroffen. Damit ist der BIX weltweit das beste Fieberthermometer für Marken, um jederzeit die Markengesundheit über die 16 getrackten Kern-KPIs, wie das Markenimage, das Preis-Leistungs-Verhältnis, die Werbewahrnehmung oder den Kundenstatus, im Blick zu haben. Zu unseren größten Kunden zählen vier der Top 5 Silicon-Valley-Technologieunternehmen, die nicht nur datenaffin, sondern auch datenkritisch sind.
Unter den Top 10 im deutschen YouGov-Ranking finden sich 2022 neben der Marke des Jahres PayPal Brands wie Miele, Samsung und Lego. Luxus-Marken wie Porsche und Chanel nicht – warum?
Das Ranking setzt sich aus den KPIs Impression (Allgemeiner Eindruck), Value (Preis-Leistungs-Verhältnis), Quality (Qualität), Recommend (Weiterempfehlungsbereitschaft), Reputation (Arbeitgeberimage) und Satisfaction (Kundenzufriedenheit) zusammen. Marken müssen im besten Fall auf allen KPIs sehr gut in der gesamten Bevölkerung abschneiden, um im Ranking aus über 1.500 getrackten Marken ganz oben dabei zu sein. Porsche lag beispielsweise auch im Automobilbauer-Bereich „nur“ auf Platz acht. Chanel und andere Luxusmarken werden aktuell nicht getrackt und spielen für die Masse der Bevölkerung keine wirkliche Rolle. Wir führen zwar für eine der weltweit bekanntesten Luxusmarken ein Forschungsprojekt aus, dieses ist aber im Bereich der klassischen, projektbasierten Marktforschung angesiedelt.
Das Ranking „Marke des Jahres“ gibt es seit 2015. Welche Trends beobachten Sie seitdem?
Gute Marken bleiben gute Marken. Es ist schwer hier vorbeizukommen. Auffällig sind aber die generell gesellschaftlichen Entwicklungen und Diskussionen, und dass diese auch in vielerlei Hinsicht im Markenuniversum eine Rolle spielen. Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Bio, soziale und gesellschaftliche Verantwortung werden auch von Marken und ihrem Auftreten verlangt und sind ein Baustein, um sich als erfolgreiche Marke zu etablieren und durchzusetzen.
Was unterscheidet die Deutschen von anderen Ländern beim Thema Markentreue?
Deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher zeigen sich in der Tendenz loyaler gegenüber ihren Marken als Menschen in anderen Ländern. Hat man einmal seine Marke gefunden, bleibt man dabei.
Welche Marken sind laut BrandIndex bei den Deutschen am unbeliebtesten?
Hier gibt es Branchenunterschiede, welche sich zu großen Teilen auch durch emotionale Bindungen und Status erklären lassen: Viele Menschen haben zum Beispiel eine andere Bindung zu ihrem Auto als zu ihrer Versicherung.
Welche Marken werden in den kommenden zehn Jahren durchstarten?
Mit Sicherheit werden hier Marken eine große Rolle spielen, welche sich den zuvor genannten und auch neuen Themen erfolgreich stellen. Neben vielen alteingesessenen Marken, welche es auch in zehn Jahren noch erfolgreich geben wird, werden aber auch neue Marken ihren Anteil vom Kuchen haben wollen. Marken, welche den Verbrauchern das Leben einfacher machen, können hier durchaus große Gewinner sein. Künstliche Intelligenz, Energiewende oder Mobilität sind hier nur ein paar Beispiele, wo es zukünftig mit Sicherheit neue Marken geben wird oder sich existierende Marken neu erfinden.
Wann rutschen Marken im Ansehen ab?
Durch große Skandale oder immer wiederkehrende schlechte Presse lässt sich ein Markenimage sehr schnell schädigen und dies auch langfristig. Losgelöst davon müssen Marken aber auch stets am Zahn der Zeit sein und sich mit dem Markt und den Verbrauchern entwickeln. Wer hier zu lange schläft, kann sich teilweise nicht mehr davon erholen. Dies hat auch Corona gezeigt: Marken, welche neben einem stationären Geschäftsmodell auch eine starke Online-Plattform hatten, sind besser durch die Krise gekommen.
Wie kommen “abgerutschte” Marken wieder hoch?
Eine erfolgreiche Marke wieder aufzubauen, dauert Jahre oder sogar Jahrzehnte und ist mit vielen, auch finanziellen, Anstrengungen verbunden. Ein schnelles und vor allem ehrliches und transparentes Handeln ist ebenfalls notwendig. Bis zu einem gewissen Grad verzeihen Verbraucher ihrer Marke. Es gibt aber irgendwann den Kipppunkt, und wenn dieser erreicht ist, ist es im Regelfall schon zu spät.
Was haben beliebte Marken gemeinsam?
Beliebte Marken leisten sich in der Regel keine großen Fehler, welche ihnen tage- oder wochenlange negative mediale Aufmerksamkeit bescheren. Starken Marken hat es immer geholfen, wenn sie bei Fehltritten und offener Kritik proaktiv und ehrlich mit dem Markt kommuniziert haben. Vertuschungen, Verzögerung der offenen Kommunikation oder Schweigen dagegen haben in der Vergangenheit bei manchen Marken Schäden verursacht. Beliebte Marken polarisieren auch nicht stark.
Aber ist etwas Polarisierung nicht auch gut?
Polarisierung kann selbstverständlich helfen, um die Bekanntheit zu steigern oder um im Gespräch zu sein. Wenn man sich als Marke sicher sein kann, dass eine Spaltung der Gruppen sich maßgeblich an Kunden und Nicht-Kunden orientiert und in der Nicht-Kunden Gruppe auch kein großes Potential gesehen wird, kann man durchaus polarisieren. Dies wird wahrscheinlich sogar die Kunden noch enger binden. Eine polarisierende Kampagne kann jedoch in den meisten Fällen nicht global eingesetzt werden.
Was ist für Sie, ganz persönlich, die wertvollste Marke in Ihrem Leben?
Da sage ich spontan: Acqua di Parma.
Foto: YouGov
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