Vom Tellerwäscher zum Millionär auf Norddeutsch: Markus Osthaus hat sich bei der Produktionsfirma TVN vom Kabelträger zum Chef hochgearbeitet. Auch heute noch lenkt er manchmal Sattelschlepper mit TV-Technik durch Europa, um bei aufwendigen Produktionen “mittendrin” zu sein. Für die turi2 edition #9 spricht er mit Markus Trantow über den Wandel vom Technikdienstleister zum Inhalte-Haus. (Fotos: Alexander Körner / Madsack)
Markus Osthaus sieht aus wie einer, der in der Chefetage zu Hause ist: hellblaues Business-Hemd, beige Hose, fester Händedruck. Beim Gang durch die Flure der Firmenzentrale grüßt ihn jeder. Keine Frage: Er ist hier der Boss. Seit 2013 leitet Osthaus die Produktionsfirma TVN in Hannover als einer von zwei Geschäftsführern. Doch mit der Firma ist er schon sein halbes Leben lang eng verbunden.
Mitte der 1990er Jahre lässt Osthaus seinen Nebenjob in einer Fahrradwerkstatt sausen und heuert bei TVN als Kabelhilfe an. Ein Job, der vor allem aus Warten besteht – “es gab immer Catering” – und dem Wirtschaftsstudenten Zeit lässt, nebenbei für die Uni zu büffeln. Business-Hemden trägt er damals eher selten, dafür fällt er mit seinen langen, dunkelblonden Dreadlocks auf.
Die TV-Maschinerie läuft zu dieser Zeit noch auf Hochtouren und Osthaus ist ein kleines Rädchen im großen System. Einmal pro Woche tourt er für die NDR-Sendung „Hallo Niedersachsen“ mit dem Ü-Wagen durchs Land und qualifiziert sich eher zufällig als Fahrer. Als sich der eigentliche Fahrer beim Technik-Abbau verletzt, bietet er an, den LKW mit der teuren Übertragungstechnik zurück nach Hannover zu steuern – den passenden Führerschein hat er im Zivildienst gemacht.
Seitdem lenkt Osthaus immer wieder Sattelschlepper mit TV-Technik durch Europa – auch heute noch. Zuletzt sitzt er 2018 auf dem Bock: In Kiew hat TVN im Auftrag der Uefa das Champions-League-Finale zwischen Real Madrid und dem FC Liverpool in Szene gesetzt. Der Firmenchef steuert den Technik-LKW höchst selbst durch die Ukraine über Polen heim nach Hannover – inklusive eines geplatzten Reifens und einer nächtlichen Umladeaktion an der polnischen Grenze, weil die Technik tags drauf anderswo gebraucht wird.
“Du wolltest Abenteuer, hier hast du Abenteuer”, kommentiert der Trucker-Kollege, mit dem Osthaus sich das Führerhaus teilt, die Tour. “Bei so einer aufwendigen Produktion ist es elementar, mittendrin zu sein”, sagt Osthaus. Er wolle wissen, was die Mitarbeiter auf Dreh beschäftigt, ein Feeling für die Truppe bekommen. “Und das klappt einfach am besten, wenn ich vor Ort bin und auch mal mit anpacke.”
Technische Dienstleistungen wie die für die Uefa sind das stärkste Standbein von TVN. 1984 gründet der Zeitungskonzern Madsack die Tochtergesellschaft, um einen Fuß in die Welt des Privatfernsehens zu bekommen. Noch heute entstehen viele Regionalprogramme von RTL und Sat.1 mit TVN-Technik. Zweites Standbein sind eigene Inhalte – redaktionelle Beiträge und Filme für Firmen, erklärt Osthaus.
Den Wandel vom Technikdienstleister zum Inhalte-Haus erlebt und gestaltet der heute 48-Jährige von Anfang an mit: Nach dem Studium 1998 steigt er als Trainee in die Geschäftsführung ein und klettert auf der Karriereleiter immer weiter nach oben. TVN wandelt sich in dieser Zeit vom 70-Leute-Laden mit zehn Millionen Euro Umsatz im Jahr zum 300-Mitarbeiter-Haus mit einem Erlös von 37 Millionen Euro.
Mit Osthaus an der Spitze produziert TVN Dokumentationen für NDR, RTL und ZDF, überträgt Fußball und Wintersport, sendet Live-Streams von Musikfestivals und dreht im Auftrag von Unternehmen – von der Europäischen Zentralbank bis zum DLRG.
“Die technischen Möglichkeiten sind immens. Heute ist die Herausforderung dabei, mehr richtige als falsche Entscheidungen zu treffen”, sagt Osthaus. Gerade nimmt TVN einen nagelneuen Übertragungswagen in Betrieb – bis unters Dach voll mit modernster Technik. Bis Osthaus wieder die Arbeitshandschuhe anziehen und das neue Gefährt selbst in den Einsatz lenken wird, ist es nur eine Frage der Zeit.
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