Ballkulation: Für die Regionalzeitungen der Funke-Gruppe liegt ein Teil der Zukunft im Bildschirm-Sport. In Thüringen und im Ruhrgebiet überträgt Funke Fußballspiele aus den Ligen, für die sich TV-Sender kaum interessieren. In der turi2 edition #22 sagt Projektmanager Roman Seefeldt: “Die Idee ist eben nicht: Schuster, bleib bei deinen Leisten; Funke, bleib bei deinen gedruckten Zeitungen.” Sogar eine Doku im Netflix-Stil ist derzeit in der Mache.
Wenn der FC Rot-Weiß Erfurt gegen den ZFC Meuselwitz zum Thüringen-Derby antritt, ist Stimmung auf den Rängen. Wer keinen Platz im Stadion ergattert, kann das Spiel im Internet sehen – auf den Websites von „Thüringer Allgemeine“, „Ostthüringer Zeitung“ und „Thüringische Landeszeitung“, zum Eintrittspreis von fünf Euro.
Die drei Thüringer Tageszeitungen der Funke-Gruppe haben die Rechte für 20 Spiele der Regionalliga Nordost erworben – für hoch vierstellige Summen pro Spiel. Sie freuen sich über vierstellige Zuschauerzahlen und rund 500 Menschen pro Spiel, die für fünf Euro auch zwei Monate lang Zugriff auf die Websites kaufen. Immerhin rund 45 Prozent von ihnen wechseln später ins Vollabo der Website.
Das Interesse hat viel mit Ostalgie zu tun: In der viertklassigen Regionalliga Nordost haben sich viele Vereine aus der früheren DDR-Oberliga versammelt wie Dynamo Berlin, Lok Leipzig und Energie Cottbus. Dazu die Thüringer Clubs Erfurt, Meuselwitz und Carl-Zeiss Jena. Hier leben Tradition und Fan-Treue. Da will Roman Seefeldt, Projektmanager bei Funke Thüringen, als Bildschirmmedium dabei sein: „Die Idee ist eben nicht: Schuster, bleib bei deinen Leisten; Funke, bleib bei deinen gedruckten Zeitungen.“
Seefeldt will lokale Präsenz zeigen und zahlenden Nutzern ein Goodie bieten. Er visioniert „die Zeitung als Medium für den lokalen Live-Sport“. Doch noch gibt der Lizenznehmer Ostsport.tv eine deutliche Mehrheit der Spiele der Regionalliga Nordost an den öffentlich-rechtlichen MDR. Sollte die Politik den MDR bei der nächsten Gebührenrunde zum Sparen anhalten, könnten für Funke mehr Spiele möglich werden. Die Nummer Zwei beim regionalen Bildschirm-Sport will Seefeldt jetzt schon sein.
Till Rixmann, Teamlead New Products bei Funke, schränkt ein: „In Thüringen ist die Nummer Zwei realistisch, in Hamburg oder Berlin nicht.“ Rechte an der 1. oder 2. Bundesliga, dem Fußball-Oberhaus, sind für Funke nicht zu refinanzieren. Die 3. Liga finden Rixmann und Seefeldt dagegen spannend. Rixmann: „1. und 2. Liga sind nicht drin, 3. Liga ist realistischer und prüfen wir.“
Lernen lässt sich überall. „Wir sind schnell und experimentierfreudig“, sagt Rixmann. „Wir profitieren dabei von Vernetzung, wir teilen Erfolge und Misserfolge“. Roman Seefeldt ergänzt: „Wir alle dürfen auch Fehler machen“ – und Erfahrung sammeln. So hat ein Experiment mit Tennis nicht funktioniert: Das ATP-Challenger-Turnier Brawo Open in Braunschweig fand digital kaum zahlende Zuschauer.
Ein Experiment läuft auch in der Kreisliga A1 Bochum – eine echte Rückkehr ins Lokale. Wo früher Raum für Hartplatzhelden war, geht’s heute auf Kunstrasen zur Sache. Alle Spiele sind Lokalderbys, alle Teams aus Bochum und seinen Vororten. Zwei Live-Spiele pro Spieltag überträgt Funke – für drei Euro ist der Fan drei Monate lang digital live dabei, zum Beispiel beim Spiel SV Höntrop gegen VfB Günnigfeld II. Zwar mit nur einer Kamera und ohne Zeitlupe, aber immerhin mit Kommentator und ruckelfreiem Bild. Funke ist mit einem Zeltpavillon und Reportern vor Ort, bearbeitet Clips mit Höhepunkten, pflegt den Instagram-Kanal @kreisliga_bo_live, verschickt einen Newsletter und plant eine Talkshow. Ziel sind neue Digitalabos und eine höhere Bindung für bestehende Abonnenten. Till Rixmann: „Sollten wir Erfolg haben, werden wir das Projekt bestimmt skalieren.“
Die Infrastruktur für neue Bildschirmaktivitäten hat Funke schon gebaut: TV-Studios in Essen, Hamburg, Berlin und bald auch Braunschweig und Thüringen werden für Live-Talks wie „Fußball inside“, Podcasts und Videopodcasts genutzt. Nicht nur Fußball trauen sich die Funke-Leute zu. In Sublizenz von Dyn übernehmen sie Spiele aus der Basketball-Bundesliga, wie Alba Berlin auf morgenpost.de. Auch zeigen Funke-Websites Spiele aus den Bundesligen von Handball, Volleyball und Feldhockey.
Sogar ein bissen Netflix wagen die Funke-Leute: Die Fußballer des Eimsbütteler Turnverbands sind von der 6. Liga durchmarschiert in die 4. Liga, die Regionalliga Nord. Die Videoreporter des „Hamburger Abendblatt“ waren und sind in einem Langzeit-Projekt dabei, um in einer Doku im Netflix-Stil den steilen Aufstieg der Hamburger Vorstädter und ihre erste Saison in der Regionalliga zu dokumentieren. Im Sommer 2024 sollen auf abendblatt.de sechs bis acht Folgen à 30 Minuten laufen – aber nur für zahlende Nutzerinnen der Website.
Fotos: Dirk A. Friedrich / Frank Oppitz / Funke
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