Talk of the town: Manche Marken sind aus den falschen Gründen im Gespräch, darunter Smoothies, Sender und Unterwäsche-Brands. Damit beweisen sie: Polarisierung ist nicht immer gut fürs Geschäft – oder fürs Image.
True Fruits: Die Smoothie-Marke liebt es, aufzufallen. Harmlos sind Verpackungen im Sagrotan-Look und seltsame Sorten wie Pizza-Hawaii. Doch 2017 bewirbt True Fruits einen schwarzen Smoothie mit „Unser Quotenschwarzer“. Zur Bundestagswahl 2021 druckt die Firma Partei-Programme auf ihre Flaschen, AfD inklusive. Scheißegal-Haltung macht bekannt, aber nicht unbedingt beliebt.
Galeria Karstadt Kaufhof: Vom Glanz früherer Zeiten ist bei der letzten verbliebenen Warenhauskette wenig übrig. Gleich zwei Insolvenzverfahren in drei Jahren verbrennen massig Gläubigergeld – vor allem des Staates. Mehr als 50 Standorte schließen. Bald steht der Konzern vor allem für Leerstand in City-Bestlagen statt für ein nettes Einkaufserlebnis.
DFB: Der vollmundige Claim „Die Mannschaft“ ist begraben, das Hickhack um die One-Love-Binde ein PR-Fiasko und EM sowie WM der Männer jeweils in der Vorrunde vorbei. Es fehlt an Prämien, Fan- und Sponsoren-Liebe. Das hinterlässt klaffende Löcher im DFB-Haushalt. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für 2014 und 2015 tut ihr Übriges.
RBB: Wenn Medien-Deutschland an den RBB denkt, ist die erste Assoziation der Schlesinger-Skandal. Zwar ist die üppig entlohnte Führungsriege ausgetauscht, doch Konto und Image bleiben angeschlagen. Die Beschäftigten kämpfen im Zuge der Aufarbeitung um die Glaubwürdigkeit ihres Senders.
Adidas: Die drei Streifen aus Herzogenaurach schlingern. Die Partnerschaft mit Kanye „Ye“ West ist ein Millionengrab. Megastar Beyoncé macht lieber ihr eigenes Ding. Das größtmögliche PR-Desaster durch einen Logo-Streit mit Black Lives Matter kann gerade noch verhindert werden, lässt aber tief blicken.
Bravo: Das Zentralorgan der pubertierenden Jugend ist in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Auf TikTok und Insta erfährt das typische „Bravo“-
Publikum heute aus erster Hand, was im Leben der Stars abgeht. Einst bespaßte und polarisierte die „Bravo“ Millionen, nun verpufft jener Geist vor der Aufmerksamkeitsökonomie des Netzes. Dass der Bauer-Verlag die Print-Produktion ausgelagert hat, sagt viel über die Relevanz des Titels.
Wirecard: Der Dienstleister für Online-Zahlungen legt einen beispiellosen, milliardenschweren Wirtschaftsskandal hin. 2018 verdrängt das aufstrebende Fintech die Commerzbank aus dem Dax, dann bringen es Recherchen der „Financial Times“ zu Fall. Es geht um Geldwäsche und falsche Bilanzen. Mit riesigem Knall kracht der Laden in die Insolvenz, Ex-Vorstand Jan Marsalek ist noch immer auf der Flucht vor den Behörden. Krasser kann eine Marke kaum abschmieren.
Letzte Generation: Streikende Kinder verleihen Klima-Aktivismus zunächst ein friedliches Image. Die „Klima-Kleber“ brechen damit, indem sie auf zivilen Ungehorsam setzen und den Individualverkehr lahmlegen. Selbst potentielle Verbündete wie die Grünen oder Fridays For Future distanzieren sich. Aufmerksamkeit hat die Letzte Generation, aber die Aktionen verfehlen ihre Ziele meilenweit.
Victoria’s Secret: Bis 2018 gleiten Victorias Engel über den Laufsteg. Doch das Ende der bekannten Fashion-Show stutzt ihnen die Flügel und zeigt den Bedeutungsverlust der Marke. Models wie Heidi Klum prägen lange das Körperbild junger Frauen. Damit ist es vorbei – und Victoria’s Secret hat es schwer, glaubhaft umzusteuern.
Nestlé: Wenn der Riesenkonzern bei Startup-Marken wie Ankerkraut oder YFood einsteigt, ist der Shitstorm vorprogrammiert. Für Kritikerinnen vereint der Konzern mit Umweltvergehen, Wasserausbeutung und Co alles Schlechte der Lebensmittelindustrie. So wird Nestlé selbst wohl keine Love Brand mehr. Die mehr als 2.000 Marken umfassende, undurchsichtige Omnipräsenz in den Supermarktregalen dürfte den Konzern aber auch künftig vor seinem eigenen Ruf schützen.
Alle Geschichten der turi2 edition #21 – direkt hier im Browser als E-Paper: