Masse und Klasse: Der Foto-Händler Picture Alliance ist ein früher Spross der Plattform-Ökonomie. Um mehr als 30.000 Bilder pro Tag wächst das Archiv von Geschäftsführer Andreas Genz. Doch in Zeiten der Digitalisierung reicht das nicht mehr. Neben der schieren Masse an Bildern setzt die Plattform auch auf Bilder, die sonst niemand im Angebot hat, berichtet Jens Twiehaus in seinem Porträt für die turi2 edition5.
Wenn Andreas Genz über das Handeln mit Fotos spricht, fällt ihm eine Szene aus seiner Kindheit ein. Da steht der kleine Andreas in der Metro, einem Großverbraucher Markt. Riesige Halle, Auswahl im Überfluss. Und trotz tausender Produkte: Am Ende, erinnert sich Andreas Genz, willst du immer ein bestimmtes Produkt. Wenn du die Metro ohne Pflaume im Speckmantel verlässt, war es kein guter Einkauf, Auswahl hin oder her. Ganz ähnlich ist es bei Picture Alliance. Genz ist Geschäftsführer des Fotohändlers, der auf einer riesigen Datenbank sitzt. Masse ist gut, aber am Ende braucht es auch hier immer die buchstäbliche Pflaume im Speckmantel. Ein ikonisches Fotomotiv. Oder Material, das sonst niemand beschaffen kann.
Von Frankfurt am Main aus verkauft Picture Alliance Bilder an mehrere tausend Medien. Bei der Tochterfirma der Deutschen Presse-Agentur schlummern 50 Mio Bilder im Online-Archiv, 300 Mio sind über Partneragenturen verfügbar. Picture Alliance und die Kollegen des dpa-Bildfunks sind die Standard-Versorger der deutschen Medien. Doch ihnen gegenüber stehen viele Konkurrenten. Nachrichtenagenturen, Symbolfoto-Anbieter wie Shutterstock oder das Adobe-Kreativ-Portal sind nur einen Klick entfernt.
Die Ware Bild ist zwar begehrt, aber auch allgegenwärtig. Genz bemerkt den Preisverfall und den Spardruck vieler Kunden. Und hier kommt die Pflaume im Speckmantel wieder ins Spiel. Um besonders zu sein, muss Genz seine Pflaumen schmackhaft mit Speck umwickeln. Konkret bedeutet das: Picture Alliance muss viel Material anbieten – und zugleich viel Einzigartigkeit.
Im Zeitalter der Digitalisierung sind die Bedingungen für Picture Alliance günstig. 2002 gegründet, ist das Unternehmen von Beginn an digital. Und ein früher Spross der sogenannten Plattform-Ökonomie: Produktionen eigener Fotografen sind Nebengeschäft, Picture Alliance vermarktet vor allem die Arbeit anderer. “Heute dreht sich alles um Distribution”, sagt Genz. “Es geht nicht mehr um das Besitzen von Inhalten, sondern um das Verteilen.” Wem die Pflaume im Speckmantel gehört, wird immer unwichtiger. Gewinner ist derjenige, der sie zur Verfügung stellt.