Klick, Klick, Spot: Wie Künstliche Intelligenz dem Werbemedium Audio helfen kann.
19. März 2024
Mit KI ins Kundenohr: Ein paar Klicks und fertig ist der Audiospot – Künstliche Intelligenz macht’s möglich. Radiosender und Vermarkter können von cleveren Tools profitieren, das Werben im Ohr neuen Zielgruppen schmackhaft und alten Bekannten einfach machen. Wie das funktionieren kann, zeigt turi2-Autorin Anne-Nikolin Hagemann am Beispiel von Radio Gong, wo Johannes Ott den RadioAdMaker initiiert hat, und dem Audio-Vermarkter RMS, wo Eric Siegmund den KI-Spot-Creator verantwortet. Ihr Text ist Teil der Themenwoche Audio bei turi2.
“Wir verkaufen Radiowerbung wie in den 80er Jahren”: Diese Erkenntnis kommt Johannes Ott, Geschäftsführer des Münchener Senders Radio Gong, beim Friseur. Der sucht seine neue Mitarbeiterin nämlich via Facebook-Ad – und nicht im Radio. “Die Möglichkeit hatte er gar nicht in Betracht gezogen”, sagt Ott. Zu umständlich, zu komplex und letztlich auch zu teuer ist die Buchung für kleine Betriebe wie den Friseursalon. Kann KI da nicht helfen?
Aus den Gedanken im Frisierstuhl ist der RadioAdMaker geworden: eine für jeden zugängliche Plattform, die seit März 2023 Kreation, Produktion und Einbuchung eines Spots ermöglicht – innerhalb von drei Minuten, so das Produktversprechen. Aus Stichpunkten des Werbekunden generiert die KI Textvorschläge; der ausgewählte wird mit Wunsch-Stimme und gewähltem Musikbett direkt vertont. Der fertige Spot kann dann direkt per PayPal-Zahlung als Prestream-Audio eingebucht werden, läuft dann also vor dem Start des Webplayers des gewählten Senders. Neben Radio Gong 96,3 dessen Schwestersender 089Kult und dem Vermarkter Studio Gong haben derzeit elf weitere Sender den RadioAdMaker im Einsatz. Auswählen kann man aus diesen je nach gewünschtem Verbreitungsgebiet. Die Kosten für Spot und Buchung richten sich nach den erreichten Kontakten; eine Buchung ist schon ab rund 140 Euro möglich. Ob Bäcker um die Ecke oder Dorffest: Radiowerbung soll so auch für neue Zielgruppen mit kleinem Budget interessant werden.
“Das bringt den Sendern zusätzliche Umsätze, die sie sonst nicht gemacht hätten”, so Ott, inzwischen auch Geschäftsführer des RadioAdMaker. Anfragen dafür gäbe es mittlerweile aus der ganzen Welt; man arbeite an einer Whitelabel-Lösung, mit der Sender die Plattform auf ihrer eigenen Website integrieren können. Ab Sommer 2024 soll zudem auch eine Buchung im linearen Programm möglich sein.
Kreative Texte, hochwertige Produktion: Das kann nur der Mensch, glaubt Ott, die KI übernehme den “einfachen Standard”. Aber: “Die Entwicklung ist so rasant. Noch vor einem halben Jahr klangen unsere Spots hörbar künstlich. Aber hören sie jetzt mal rein! Das ist unglaublich.” Luft nach oben sei bei der Sprachsynthese bei Eigennamen und Ähnlichem, da muss man mit Eingaben per Lautsprache nachhelfen. Dialekte beherrschen die künstlichen Stimmen auch noch nicht. “Aber die Betonung liegt auf ‘noch’.”
Johannes Otts Friseur hat die offene Stelle inzwischen übrigens besetzt – auch ohne Radiospot. “Aber vielleicht sollte ich ihm den RadioAdMaker mal zeigen”, überlegt Ott. Er ist sich sicher: “In zehn Jahren werden circa 20 Prozent der Radiospot-Buchungen über KI-Plattformen wie diese laufen.”
Auch der Audio-Vermarkter RMS will die Potentiale von KI für seine Kunden nutzen – und setzt dabei auf einen internationalen Player: Das KI-Startup Audiostack, gegründet 2019 mit Firmensitzen in London und Barcelona, verspricht sekundenschnelle, vollautomatische Kreation qualitativ hochwertiger Audiospots. Seit Ende 2023 kooperieren RMS und Audiostack für den deutschen Markt: RMS bietet seinen Kunden auf Basis der Technologie von Audiostack den KI-Spot-Creator an, eine Weiterentwicklung des Spot Creator, mit dem Kunden bereits seit 2021 ihre Audiowerbung für den Einsatz im Podcast-Umfeld anpassen können. Damals “waren die deutschsprachigen synthetischen Stimmen allerdings noch weit von der Marktreife entfernt und erinnerten eher an Navigationssysteme oder Sprachassistenten”, sagt Eric Siegmund, bei RMS verantwortlich fürs Business Development. Man habe aber über die Jahre gemerkt, dass Interesse und Markt für solche webbasierten Kreationstools da seien – und könne nun ein KI-Tool anbieten, das den gesamten Prozess von Texteingabe und Skripterstellung bis zur Postproduktion abdeckt. Als ersten Kunden präsentiert RMS die Digitalkampagne der Fluggesellschaft Sun Express Airlines – und deren Click-Through-Rate von 300 Prozent über Durchschnitt.
Siegmund nennt den KI-Spot-Creator einen “Türöffner”: Die sekundenschnelle Erstellung und Anpassung von Audiospots ermögliche es “Kunden live vor Ort das breite Spektrum von Audio zu zeigen und direkt auf Kundenwünsche einzugehen”. Die KI zeigt also, was gehen kann. Und senkt dank kostengünstiger Produktionsmöglichkeit die Hemmschwelle für Neukunden, einfach mal zu testen, was Audio der eigenen Brand so bringt.
Aber auch für alte Audio-Werbe-Hasen prophezeit Siegmund eine KI-geprägte Zukunft. Ob es um das zielgenaue Bespielen vieler Kanäle geht, die Anpassung von Radiospots ans Podcast-Umfeld oder die schnelle Erstellung einer Vielzahl von personalisierten oder regional angepassten Spots innerhalb einer Kampagne: “Skalierbarkeit und Effizienz von KI werden langfristig unschlagbar sein.”
Auch, wenn er hofft, dass dank künstlicher Intelligenz Audio als Werbemedium in Zukunft an Bedeutung gewinnt – einen wichtigen Teil des Markenaufbaus traut Siegmund den Maschinen aber (noch) nicht zu: die Emotionalisierung. “Damit ist nicht unbedingt die Betonung einzelner Worte gemeint”, sagt er, “sondern die Fähigkeit, Bilder im Kopf entstehen zu lassen und die Elemente einer Marke zu transportieren, die über die reine gesprochene Botschaft hinausgehen.” KI bringt die Werbebotschaft also fix ins Ohr. Aber damit sie im Kopf bleibt, muss dann doch der Mensch ran.
Mehr Infos zum Tool:rms.de (Spot Creator, Podcast), rms.de (PM zur Kooperation mit AudioStack)
Mehr zur Zukunft des Radios:
Der Radio-Report The Power of Radio von XPLR Media in Bavaria dokumentiert Herausforderungen und Umwälzungen in der Radio-Branche und zeigt, wie das Medium diesen begegnet. Eine besondere Rolle spielen neue Technologien, die das Radio adaptiert, um relevant zu bleiben. Der Report zeigt Best Cases aus Bayern und sammelt Stimmen und Einschätzungen von Profis aus der bayerischen Radiobranche. xplr-media.com