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turi2 edition #17: Awet Tesfaiesus über Wut und Weitsicht.

26. März 2022

Ein neues Kapitel: Die Grünen-Politikerin Awet Tesfaiesus war nach dem Anschlag von Hanau kurz davor, Deutschland zu verlassen. Sie blieb – und zog 2021 als erste schwarze Frau in den Bundestag ein. Ihr ist bewusst: Damit wird sie in die Geschichtsbücher eingehen. “Ich muss liefern”, sagt sie im Interview in der turi2 edition #17.

Von Nancy Riegel (Text) und Johannes Arlt (Fotos)

Sie haben nach dem Anschlag in Hanau beschlossen, in den Bundestag zu wollen. Was war Ihr Antrieb?

Sehr viel Wut, aber auch Veränderungswille. Nach dem Anschlag war ich niedergeschlagen, hatte zunächst ernsthaft darüber nachgedacht, auszuwandern – mein Mann und ich haben uns sogar darüber informiert, in welchen Ländern unsere Anwaltszulassungen anerkannt werden. Wir haben uns dann aber entschieden, zu bleiben, denn in welchem Land gibt es keine rassistischen Strukturen? Allerdings nur unter der Voraussetzung, eine bessere Zukunft für unserer Kind zu schaffen. Deswegen wollte ich hauptberuflich in die Politik.

Wut und Angst sind sehr ehrliche Antriebe. Macht Sie das zu einer besseren Politikerin?

Nein, auf keinen Fall. Viele Abgeordnete sind von der Jugend auf politisch engagiert. Auch wenn sie nicht so aus dem Bauch heraus agieren wie ich, haben sie trotzdem ihre Ideale und Ziele. Das eine ist nicht schlechter als das andere.

Und was ist mit Abgeordneten, die aus reinem Machttrieb in den Bundestag gehen?

Macht ist nicht per se schlecht. Vor allem Frauen sollten Macht nicht verteufeln. Wir sollten uns sogar trauen, nach ihr zu greifen. Um meine Ideale umzusetzen, brauche ich Macht. Macht um der Macht willen ist hingegen ein Problem.

Wie hat Ihre Familie auf die Kandidatur reagiert?

Ich wollte als erste schwarze Frau in den Bundestag. Meine Familie hatte deshalb Sicherheitsbedenken, wir haben darüber gesprochen, was die Kandidatur für mich und meine Familie bedeutet. Beruflich war es gut zu regeln, ich war in der gleichen Kanzlei wie mein Mann. Als feststand, dass ich kandidiere, konnte er mir also Fälle abnehmen und mir damit den Rücken freihalten.

Können Sie für Geflüchtete als Politikerin jetzt mehr erreichen, als damals als Anwältin?

Das Thema Migration lässt mich nicht los, aber ich habe mich bei meiner Kandidatur für einen anderen Schwerpunkt entschieden, für Anti-Diskriminierung und Chancengleichheit. Ich bin der Überzeugung, dass man sich als Politikerin mit seiner gesamten Kraft auf ein Thema fokussieren sollte.

Lesen Sie alle Geschichten der turi2 edition #17 – direkt hier im Browser als E-Paper:

Herrscht denn beim Zugang in die Politik Chancengleichheit?

Die Herausforderungen sind massiv, die Taktung ist enorm. Das schreckt vor allem Frauen mit Kindern ab. Oder Menschen ohne Uniabschluss. Wer in die Politik will, muss sich schon im Kleinen, auf kommunaler Ebene, viel Zeit dafür freischaufeln. Ich habe zum Beispiel meine Arbeitszeit in der Kanzlei reduziert, als ich 2012 in den Parteivorstand der Kasseler Grünen gegangen bin. Das geht aber nicht, wenn man einen Job hat, bei dem am Ende des Monats das Geld gerade so reicht.

Wie kann sich das ändern?

Schon allein virtuelle Sitzungen können helfen. Das war für mich eine Offenbarung – ich konnte mit meinem Kind Abendbrot essen und später noch an der Fraktionssitzung teilnehmen. Quotierte Redelisten können dabei helfen, die Länge der Sitzungen zu reduzieren. Außerdem müssen wir eine Sprache nutzen, die auch Nicht-Akademikerinnen verstehen. Da muss ich mich als Juristin umstellen – einfach mal ein paar Nebensätze weniger benutzen. 


Awet Tesfaiesus in Ihrem Wahlkreis Werra-Meißner Hersfeld-Rotenburg in Nordhessen

Ist Social Media dafür ein gutes Mittel?

Die Anliegen der Menschen erfährt man nicht in den sozialen Medien. Wenn ich in meinem Wahlkreis unterwegs bin, dann interessiert dort viele Menschen überhaupt nicht, was auf Instagram los ist. Viele haben die App noch nicht einmal. Und viele kennen mich auch gar nicht oder fragen verwundert: Ach, wir hatten noch gar keine schwarze Frau im Bundestag?

Wie wohl fühlen Sie sich mit diesem Alleinstellungsmerkmal, mit dem Sie in die Geschichtsbücher eingehen werden?

Es ist nicht angenehm. Es ist eine krass große Verantwortung. Irgendwann wird es ein Resümee meiner Karriere geben, und die Erwartungen sind hoch, dass ich mehr erreiche, als nur die erste Schwarze im Parlament zu sein. Ich muss liefern.

Was möchten Sie liefern?

Ich würde im Rechtsausschuss gern dazu beitragen, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zu reformieren. Es kann einfach nicht sein, dass Schwarze beispielsweise immer noch bei der Wohnungssuche benachteiligt werden. Ich will mich im Kulturausschuss für Dekolonisation einsetzen und dazu beitragen, dass Erinnerungskultur in Deutschland auch Migration und Einwanderung mit einschließt.

Möchten Sie ein Vorbild sein?

Eigentlich möchte ich das nicht, weil ich das als eine große Bürde auffasse. Aber junge Menschen brauchen Vorbilder, damit sie sehen, was sie schaffen können.

Hatten Sie Vorbilder in Ihrer Jugend?

Das werde ich häufiger gefragt und dazu muss man glaube ich zweierlei sagen. Erstens: Als schwarzes Mädchen im West-Deutschland der 1980er Jahre war die Auswahl an Vorbildern bzw. Role Models nicht sehr groß. Und außerdem tue ich mich zweitens überhaupt schwer mit dem Begriff „Vorbild“. Es gibt allerdings Menschen, die mich sehr beeindruckt haben.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel mein Großvater. Er war Richter am Supreme Court und ist regelmäßig politisch angeeckt. Er hat sich oft geweigert, gegen Menschen das Strafverfahren zu eröffnen, wenn sie von der Polizei gefoltert worden waren. Das hat mich tief geprägt.

Wie viel Emotion können Sie sich im Parlament erlauben?

Als Politikerin sollte man strategisch vorgehen können, auch bei Eskalationen. Dann können Emotionen – besonders Wut – zielführend sein. Unkontrollierte Emotionen helfen oft nicht weiter. Nach dem Anschlag von Hanau kullerten bei mir beispielsweise regelmäßig die Tränen.

Möchten die Wählerinnen solche Gefühlsregungen nicht sehen?

Man muss in der Politik einen kühlen Kopf bewahren. Wir Juristen sagen immer: Wer sich selbst vertritt, hat einen Idioten als Mandanten. Wenn ich emotional zu sehr involviert bin, kann ich mich nicht selbst vertreten. So ähnlich ist es in der Politik. Wer zu sehr involviert ist, argumentiert aus Prinzip.

Sie sind im Alter von zehn Jahren mit Ihrer Familie vor dem Eritreischen Unabhängigkeitskrieg geflüchtet. Wie würde Ihr Leben aussehen, wären Sie in Eritrea geblieben?

Ich denke oft darüber nach. Wahrscheinlich hätte ich nicht studiert, wäre nicht politisch aktiv, wäre vielleicht Hausfrau. Aber es sind auch andere Entscheidungen, die mein Leben beeinflusst haben, nicht nur die Flucht.

Was meinen Sie?

Ich hatte nach dem Abi eine Zusage für einen Studienplatz in Ostdeutschland. In den 90ern hat man allerdings schlimme Geschichten über Ostdeutschland gehört, immer wieder brannten dort Asylunterkünfte. Deshalb habe ich erst einmal gejobbt – alles Mögliche, Kellnern, Putzen… Bis ich dann meinen Wunschstudienplatz in Heidelberg bekommen habe. Wäre ich nach dem Studium dann nicht nach Kassel gegangen, wäre ich wohl heute keine Politikerin. Ich bin 2009 den Grünen beigetreten, weil mich die Lage der Geflüchteten im Mittelmeer berührt hat. So richtig aktiv geworden bin ich dann vor allem, um Menschen kennenzulernen, da ich neu in in der Stadt war. Nun sitze ich im Bundestag.

Eine der ersten Abstimmungen war für Sie, ob Deutschland sich am Krieg in der Ukraine beteiligt. Wie fühlt sich das mit Ihrer eigenen Migrationsgeschichte an?

Ich muss natürlich viel an meine eigene Kindheit denken. Ich habe viele Familienmitglieder an zwei Kriege verloren. Bis heute leiden die Überlebenden unter ihren Verletzungen, haben zum Beispiel Schusswunden. Es war für mich deshalb klar, dass wir die Menschen in der Ukraine unterstützen müssen. Bei anderen Abstimmungen davor, als es zum Beispiel um die Impfpflicht ging, war ich mir deutlich unsicherer. Aber bei der Ukraine stand meine Entscheidung fest.

Ist man sich als Abgeordnete bewusst, welchen Effekt eine Entscheidung haben kann?

Wenn man Politik macht, darf man keine Angst vor Entscheidungen haben – wohlwissend, dass Dinge strittig sind und man auf der falschen Seite rauskommen kann. Es gibt keinen Weg, bei dem man nicht angreifbar ist.

Welchen Weg wünschen Sie sich für Ihr Kind?

Einen, auf dem es innere Zufriedenheit und Glück findet und seine Potentiale entfalten kann.

Awet Tesfaiesus
Geb. 1974 in Asmara, Eritrea
1984: Flucht nach Deutschland während des Eritreischen Unabhängigkeitskrieges
1995: Jura-Studium in Heidelberg
2006: Zweites Juristisches Staatsexamen, Zulassung als Rechtsanwältin
2008: Partnerin einer Kanzlei
2009: Eintritt bei den Grünen
2012: Parteivorstand der Kasseler Grünen
2016: Stadtverordnete, Sprecherin für Integration und Gleichstellung 
2021: Einzug in den Bundestag

Dieser Beitrag ist Teil der turi2 edition #17 Jobs, die am 6. April erscheint. Hier können Sie das kostenlose E-Paper bestellen.

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