Diverse Ansprüche: Redaktionen müssen offener werden für Lebensläufe, “die nicht geradlinig sind”, schreibt Io Görz, Chefredakteur*in von infranken.de, im Gastbeitrag für die turi2 Agenda-Wochen. Als trans Person in einer Führungsposition kann sich Io Görz “Sichtbarkeit leisten, wo andere es nicht können”. Der Weg zu mehr Vielfalt im Lokal-Journalismus sei noch weit und holprig, aber zumindest gehen viele Medien ihn.
Von Io Görz
Gerade der Lokaljournalismus rühmt sich gerne, ganz nah dran zu sein am Menschen, aber da lügen wir uns in den Redaktionen schon teilweise etwas in die Taschen. Dort gibt sich die Mehrheitsgesellschaft die Klinke in die Hand – cis, weiß, hetero. Um einen umstrittenen Grünen-Politiker aus Schwaben zu zitieren: Welche Gesellschaft soll dies bitte abbilden? Das ist aber unsere Aufgabe als Journalist*innen: Wir müssen die Realität verstehen, abbilden und einordnen.
Es liegt nicht am Willen: Es gibt da viele Bestrebungen und viele gute Gedanken in die richtige Richtung. Wir schreiben uns die Vielfalt und ihre Potenziale auf die Fahnen, wundern uns aber dann, wenn sich die gleichen Gruppen selbst reproduzieren. Wir müssen offener werden – offener bei auch ungewöhnlichen Bewerbungen mit Lebensläufen, die nicht geradlinig sind. Offen für Quereinsteiger*innen. Eine akademische Mittelschicht, die nur ihresgleichen anzieht – so kann das mit der ersehnten Vielfalt ja nicht funktionieren.
Ich will aber nicht zu pessimistisch klingen: Ich erkenne, dass man sich auf den Weg macht, die einen schneller, die anderen langsamer, aber der Weg ist noch ziemlich weit und gelegentlich etwas holprig.
Ein weiterer Anreiz für verschiedene Personengruppen, dass Journalismus diverser wird und er damit lebensfähig bleibt, ist Repräsentation. Wir müssen zeigen, dass Vielfalt mehr als ein Lippenbekenntnis ist. Repräsentation zeigt gerade Marginalisierten, dass sie willkommen sind, dass sie sicher sind, ja, dass sie überhaupt möglich sind und ihren Platz haben können in Redaktionen.
Darum ist es mir auch wichtig, sichtbar zu sein als trans Person in einer Führungsposition in einer Redaktion – auch wenn das nicht immer einfach ist und ich auf die Schattenseiten von Sichtbarkeit wie Hass und Häme, auf Drohbriefe und hässliche Social-Media-Kommentare, gut verzichten könnte. Ohne geht es aber wohl nicht und ich weiß, dass ich mir Sichtbarkeit leisten kann, wo andere es nicht können. Das ist mein Beitrag.