Wie mache ich im Podcast Kompliziertes einfach, Christian Hinkelmann?
6. Oktober 2022
So simpel: Kompliziertheit ist immer überflüssig, schreibt Christian Hinkelmann in seinem Gastbeitrag für die turi2 Podcast-Wochen. Der Podcast-Koordinator der “Tagesschau” achtet bei der Formatentwicklung vor allem auf User-Zentrierung und darauf, dass komplexe Zusammenhänge einfach rüberkommen. Die Struktur eines Podcasts sei dafür besonders wichtig: “Kurze Sinnabschnitte, immer wieder Zwischenfazits und gern auch mal Redundanzen.”
Grundsätzlich halte ich Kompliziertheit überall im Leben für eine überflüssige Sache! Kompliziertheit lässt Komplexes nur unnötig schwierig erscheinen. Schafft Barrieren. Schreckt ab. Und führt im schlimmsten Fall zu unfundierter Meinungsbildung. Selbst komplexeste Dinge können ganz einfach wirken, wenn ich sie gut erklärt bekomme und sie mir bei der Lösung eines Problems in meinem Alltag konkret weiterhelfen.
Die gute Sache an Podcasts im Vergleich zum Radio ist, dass uns unsere Hörerinnen und Hörer dort viel mehr Zeit und Aufmerksamkeit schenken. Wir haben also viel mehr Fläche, um komplexe Themen dort in Ruhe zerlegen zu können. Das allein reicht aber noch nicht. Wir sollten unsere Hörerinnen und Hörer bei allem, was wir tun, konsequent in den Mittelpunkt stellen: bei der Themenauswahl, der Erzählweise, der inhaltlichen Dichte, der Anmutung bis hin zur technischen Erreichbarkeit. Das heißt für uns in der Formatentwicklung: testen, testen, testen – und zuhören.
Bei der Entwicklung unseres Zukunftspodcasts mal angenommen, in dem wir politische und gesellschaftliche Ideen in Gedankenexperimenten durchspielen (z.B. “Was wäre, wenn Deutschland aus der EU austreten würde?”) haben wir beispielsweise mit einem neunköpfigen Team eine Woche lang in einem Sprintworkshop verschiedene Prototypen produziert und an Hörerinnen und Hörern aus der vorher festgelegten Zielgruppe getestet.
Nach der Grundsatzentscheidung wurde die Formatidee dann weiter verfeinert, indem wir uns für einzelne Bausteine von einer Fokusgruppe intensiv Feedback geholt haben – über kurze Online-Testformulare und in Video-Interviews. Da ging es dann um Fragen wie “Duzen oder Siezen wir unser Publikum?, “Was ist die ideale Länge von Interviews?”, “Wie unterhaltsam sollte die Moderation sein?” und “Bei wieviel inhaltlicher Dichte kommen die Hörerinnen und Hörer noch mit?” Die Learnings waren extrem wertvoll und haben uns geholfen, von Beginn an ein gut funktionierendes Produkt im Markt zu platzieren, das schnell auf über 100.000 Abrufe pro Folge kam.
Was wir beispielsweise recht früh gelernt haben: Struktur ist in Podcasts immens wichtig. Kurze Sinnabschnitte, immer wieder Zwischenfazits und gern auch mal Redundanzen, damit man das Gehörte gut verdauen kann. Ist das nicht langweilig? Nein, es hilft den Hörerinnen und Hörern sehr, denn der immer gleiche Aufbau der Folgen gibt Orientierung.
Wir können uns das ein bisschen wie einen Gang durch den Supermarkt vorstellen: Da stehen Obst, Gemüse & Co auch immer an der gleichen Stelle – und wehe wenn nicht. Dann laufen wir orientierungslos durch den Markt und verschwenden viel Zeit. Auch hier gilt unser Leitsatz: Mach es einfach!
Mit seiner sehr klaren und übersichtlichen Struktur wirkt der Podcast trotz seiner großen inhaltlichen Dichte ziemlich luftig und gut verdaulich. Und damit die einzelnen Folgen nicht zu starr klingen, haben wir bei “mal angenommen” einen Baukasten von ca. zwölf einzelnen Formatelementen, von denen wir pro Folge aber nur maximal acht auftauchen lassen.
Ein zweites Learning war: Die Hosts sollten die Themen auch selbst recherchieren. Das macht sie authentisch, denn so wissen sie genau, worüber sie reden und können auch mal freestylen. Dadurch, dass sie sich die Themen selbst innerhalb weniger Tage erarbeitet haben, fällt es ihnen leicht, die Hörerinnen und Hörer an die Hand zu nehmen, mit ihnen gemeinsam auf Augenhöhe durch die Untiefen der verschiedenen Aspekte zu steuern und genau die Fragen zu stellen, die auch unser Publikum bewegt.
Insgesamt haben wir sechs Hosts im ARD-Hauptstadtstudio in Berlin sitzen. Pro Folge arbeitet immer ein Zweierteam eine Woche lang. Es recherchiert und organisiert Interviewgäste, zeichnet Gespräche auf, scriptet und moderiert dann das fertige Produkt. Diese Teamarbeit garantiert uns permanent ein Vier-Augen-Prinzip.
Die Skripte und auch die fertigen Audios durchlaufen im Hauptstadtstudio jeweils noch einen Fact-Check durch einen abnehmenden Redakteur, bevor sie zur Tagesschau nach Hamburg überspielt und durch mich vor Veröffentlichung noch einmal überprüft werden. Insgesamt also ein beträchtlicher Aufwand – der sich im Ergebnis aber lohnt.
Was übrigens auch sehr gut funktioniert: Wir verzichten zum Ende des Podcasts auf jegliche Bewertungen. Wir liefern lediglich in einem Worst-Case/Best-Case-Szenario zugespitzte Argumente, was eine Idee im Extremfall für Konsequenzen nach sich ziehen könnte, wenn sie Wirklichkeit würde. Bei unseren Hörerinnen und Hörern kommt das gut an. Wir bekommen immer wieder Feedbacks von Menschen, die nach den gehörten Folgen im Familien-, Freundes- oder Kollegenkreis angeregt über die Themen weiter diskutieren und uns rückmelden: “So habe ich das noch gar nicht gesehen. Danke.”
Zum Thema Audio erscheint ein ganzes Buch: die turi2 edition #19 Audio – Erscheinungstermin: 12. Oktober 2022. Du kannst die Buchreihe turi2 edition kostenfrei lesen und als E-Paper hier kostenlos abonnieren.
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