“Wehe, die Lieblingssendung ist nicht mehr verfügbar” – Magnus Gebauer über Veränderungen im Streaming-Markt.
13. November 2023
Alles im Fluss: Auch neue Player können mit Streaming noch erfolgreich sein, sagt Magnus Gebauer vom Mediennetzwerk Bayern. Im Interview mit Björn Czieslik für die turi2 edition #22 spricht der Bewegtbild-Experte über die Erfolgsstrategien von Anbietern, die Bedeutung von Werbung und wie die Plattformen ihre Kundschaft auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bei der Stange halten.
Früher war Pay-TV etwas Elitäres, heute sind bezahlte Streamingdienste fast so selbstverständlich wie Strom aus der Steckdose und fließend Wasser. Was machen Netflix, Amazon, Disney und Co heute besser als Premiere damals in den 1990ern?
Man kann Premiere gar nicht direkt mit den heutigen Streaminganbietern vergleichen, weil sich die Infrastruktur zur Distribution komplett verändert hat. Zum einen hat man für Premiere früher noch eine eigene Hardware gebraucht, um das Programm überhaupt zu empfangen und zu entschlüsseln. Das war deutlich aufwendiger als heute. Zum anderen hat sich mit der Subscription-Economy vieles gewandelt. Es gibt Dienstleister für die Distribution und für die Abrechnung. Dadurch ist die Nutzung viel simpler als es in der Premiere-Zeit noch war. Gerade diese Einfachheit ist es, die Streaming so beliebt macht.
Welche verschiedenen Geschäftsmodelle gibt es heute bei den Streaming-Anbietern?
Grundsätzlich kann man zwischen drei Monetarisierungsmodellen unterscheiden: Es gibt die klassischen Abo-VOD-Angebote wie z.B. Netflix. Dann haben wir Transaktionsmodelle, bei denen ich mir einen Film oder eine Serie einzeln kaufe oder leihe wie damals eine DVD. Und ich habe Advertising supported Video-on-Demand, wo ich das Ganze über Werbung refinanziere. Mittlerweile gibt es auch immer mehr Mischformen, die ein bisschen Werbung haben. Dadurch wird der Abo-Preis etwas günstiger.
Es gibt zwei ganz interessante Studien von Bitkom und der Unternehmensberatung Simon-Kucher, die beide zu dem Ergebnis kommen, dass die Zahlungsbereitschaft 2023 gesunken ist und die Leute eher weniger Geld für ihre Streaming-Abos ausgeben möchten.
Gerade in der jetzigen Zeit, wo die Kosten nach oben gehen und der Geldbeutel kleiner wird, spielt Werbung eine immer relevantere Rolle. Da ist es für die Anbieter interessant, auch werbefinanzierte Modelle zu haben, um die Kosten zu senken.
Welche Bedeutung hat Streaming-Werbung für die werbetreibende Industrie?
Das ist als Werbe-Umfeld super interessant, weil die klassische TV-Nutzung immer weiter abnimmt. Daher sucht die Werbeindustrie Mittel und Wege, die Menschen zu erreichen. Gerade die Jüngeren sind eher im Streaming-Umfeld unterwegs. Und mit den FAST-Kanälen, also werbefinanzierten, linear gestreamten Sparten-Kanälen, gibt es inzwischen Angebote, die eine relativ große Themen-Bandbreite abdecken.
Wie halten denn die Anbieter ihre Kunden bei der Stange? Gerade in Zeiten, wo das Geld beim Publikum knapp ist.
Das geht hauptsächlich über die Inhalte. Nur wer die Inhalte hat, die die Leute sehen wollen, hält die Kundschaft auch in Zeiten, in denen es finanziell knapper ist. Aber wenn ich keine guten Inhalte habe, die interessant sind, dann ist es fast egal, ob die Zeiten gut oder schlecht sind. Dann werde ich mein Publikum nicht halten können.
Natürlich experimentieren die Anbieter immer wieder auch mit innovativen Ideen und Angeboten, um das Publikum zu halten – man denke nur an Netflix. Interaktivität spielt hier eine wichtige Rolle, sei es durch “Choose Your Own Adventure”-Ansätze, wie in der neu angekündigten Romantik-Komödie “Choose Love” oder durch Gaming. Mit Netflix Games versucht man seit einiger Zeit schon, das Portfolio erfolgreich in Richtung Gaming zu erweitern und wie es aussieht, werden die Games durch die neue Game-Controller-App schon bald auf dem großen Screen nutzbar sein.
Mit Blick auf Familien spielen die Angebote für Kinder auch eine sehr wichtige Rolle, da spreche ich aus eigener Erfahrung. Wehe, die Lieblingssendung ist plötzlich nicht mehr verfügbar.
Wie speziell ist das Modell Prime Video, das auch ein Marketing-Instrument für das Gesamtprodukt Amazon Prime ist?
Disney betreibt das schon viel länger als Amazon. Die nutzen ihre Bewegtbild-Inhalte zu Marketing-Zwecken, um ihre Freizeitparks zu bewerben oder Merchandise zu verkaufen. Wenn man Disney und Amazon mit den reinen Streamingdiensten vergleicht, haben die einen großen Wettbewerbsvorteil, weil sie die Monetarisierung viel breiter spielen können und Einnahmen aus unterschiedlichen Kanälen generieren.
Für wie viele Streaminganbieter ist Platz am Markt?
Ich gehe davon aus, dass sich der Markt weiter konsolidieren wird. Das heißt aber nicht, dass nicht auch neue Player am Markt erfolgreich sein können. Etwa der neue Sport-Anbieter Dyn, der ein ganz neues Konzept hat, das den Markt verändern könnte, wenn das Angebot angenommen wird. Man kann gar nicht sagen, dass der Markt jetzt gesättigt ist und die jetzigen Akteure bestehen bleiben. Da kommt es sicherlich auch noch zu Verschiebungen, bei denen alte Anbieter verschwinden und neue dazukommen. Letzten Endes hängt es davon ab, ob die Angebote gesehen und bezahlt werden – ob nun über Werbung oder Abos.
Foto: Chriz Merkl
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