turi2 edition #17: Nina Schwab-Hautzinger über Chemie und Chancen.
3. April 2022
Reaktionsfreudig: Nina Schwab-Hautzinger soll als Chef-Kommunikatorin der BASF das Image des weltgrößten Chemiekonzerns auf grün drehen. “Chemie zählte nicht zu meinen besten Fächern”, sagt sie im Interview in der turi2 edition #17. Das sei für die promovierte Geisteswissenschaftlerin aber sogar ein Vorteil bei ihrer Arbeit.
Nina Schwab-Hautzinger, erst polierten Sie das Image eines Pharmariesen, jetzt erklären Sie die Rolle der BASF, des weltweit größten Chemieunternehmens, bei der Energiewende. Haben Sie einen Hang zum Masochismus?
Nein, keineswegs, da muss ich Sie enttäuschen. Im Gegenteil: Ich empfinde meine Arbeit als sehr bereichernd und auch sinnstiftend. Ich gewinne jeden Tag neue Einblicke in sehr komplexe Themenbereiche, tausche mich mit Experten und Wissenschaftlerinnen aus, deren Aufgabe es ist, Lösungen für die dringlichen Fragen unserer Zeit zu finden, allen voran denen zum Klimawandel. Meine Aufgabe besteht darin, diese technologischen Entwicklungen und die vielschichtige Arbeit in einem Chemieunternehmen in eine für alle verständliche Sprache zu übersetzen.
Wenn die BASF zum Beispiel wegen des Geschäfts mit Pestiziden in der Kritik steht, geraten da die private und die berufliche Nina in einen inneren Konflikt?
Überhaupt nicht. Ich kann das, was ich im Beruflichen tue, auch privat gut vertreten, da gibt es keine Konflikte. Zudem reiht sich bei uns nicht eine Krise an die nächste, sondern wir haben vor allem viele spannende und zukunftsgerichtete Themen, die wir erzählen können. Meine Aufgabe im Unternehmen ist die der Vermittlerin. Und ich glaube fest daran, dass die Stärke von Kommunikation darin besteht, Menschen zusammenzubringen und Ideen zu verbinden. Daraus können Lösungen entstehen.
Sie ziehen sich einen großen Schuh an.
Es ist doch ganz eindeutig: Kommunikation hat einen höheren Stellenwert bekommen, denn Unternehmen erkennen, dass sie nicht losgelöst, sondern innerhalb eines gesellschaftspolitischen Umfelds agieren. Damit steigen die Anforderungen. Nur sein Business gut zu machen, reicht nicht mehr aus. Von Unternehmen wird erwartet, Stellung zu beziehen und Haltung zu zeigen. Dadurch wird Kommunikation immer mehr zu einer strategischen Aufgabe, und das setzt voraus, dass wir bei Entscheidungen des CEOs und des Vorstands direkt eingebunden sind.
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Weiß das Ihr Chef?
Absolut – wir haben einen sehr engen und vertrauensvollen Austausch. Gerade, wenn ein Unternehmen wie die BASF global unterwegs ist, ist es eine anspruchsvolle Aufgabe abzuwägen, zu welchem Thema der CEO Stellung bezieht. Wir haben während der Pandemie gemerkt, dass auch bei den Mitarbeitenden das Bedürfnis nach Orientierung extrem gestiegen ist, und dass sie vom CEO hören möchten, wie er die Lage einschätzt. Wir unterstützen Martin Brudermüller auf vielfältige Art und Weise, indem wir zum Beispiel Veranstaltungen inhaltlich vorbereiten und Formate weiterentwickeln. So hat Martin Brudermüller beispielsweise seinen persönlichen Linked-in-Account gestartet.
Postet Martin Brudermüller frei Hand auf Linked-in?
Wir unterstützen ihn im Team beim Management seines Accounts und der Themenplanung. Er ist bei jedem Post persönlich beteiligt und bringt viele eigene Ideen ein. Es ist ihm und uns wichtig, dass er sich auf seinem Linked-in-Profil authentisch zeigt, und man ihn auch als Persönlichkeit erlebt.
Wie kann Kommunikation dabei helfen, einen 157 Jahre alten Konzern fit für die Zukunft zu machen?
Allein in Ludwigshafen arbeiten rund 39.000 Menschen für BASF – in Forschung und Entwicklung, in der Produktion, in der Technik, in der Kundenkommunikation, im kaufmännischen Bereich, in den Gastrobetrieben, im Facility Management und und und. Unsere Aufgabe ist, unsere große Transformation hin zur Klimaneutralität allen Mitarbeitenden nahe zu bringen: Warum machen wir das? Was braucht es dafür? Wir wollen eine emotionale Verbindung zum Unternehmen herstellen und die Mitarbeitenden für den Unternehmenszweck “We create chemistry for a sustainable future” begeistern. Viele Beschäftigte arbeiten schon sehr lange bei der BASF, zum Teil über mehrere Familiengenerationen hinweg, und sind zu Recht sehr stolz darauf. Es ist wichtig, diese Verbundenheit frisch zu halten und immer wieder neu aufzuladen. Die Transformation hin zur Klimaneutralität hat Begeisterung ausgelöst, denn die Mitarbeitenden spüren: “Ah, durch meine Arbeit kann ich Anteil haben an dieser großen Aufgabe.” Dieses Gefühl gibt jedem von uns den nötigen Antrieb.
Die BASF bläst jährlich weltweit 21 Millionen Tonnen CO2 in die Luft. Wie wollen Sie Teil der Klimawende werden?
Das Thema Nachhaltigkeit ist nicht neu für uns, sondern schon lange fest in unseren Unternehmenswerten und Aktivitäten verankert. Nun befindet sich BASF mitten in einer enormen Transformation hin zur Klimaneutralität. Wir haben 2021 unsere ambitionierteren Klimaziele vorgestellt: Bis 2030 werden wir im Vergleich zu 2018 unsere CO2- Emissionen um 25 Prozent reduzieren, bis 2050 möchten wir klimaneutral sein. Diese Ziele bedeuten einen fundamentalen Umbau des Unternehmens, der Produktion, der Technologien und der Prozesse. Dafür investieren wir in eigene Anlagen für erneuerbare Energie, entwickeln neue Verfahren für CO2-arme Produktion und treiben die Kreislaufwirtschaft weiter voran.
Das Creation Center in Ludwigshafen zeigt den Unternehmensbereich Performance Materials
Glaubt Ihnen das jemand?
Es reicht sicherlich nicht aus, einfach nur ein Ziel zu kommunizieren – wir müssen es auch umsetzen und über den Weg dorthin aufklären. Zu sagen, was wir vorhaben, ist die Basis, damit fängt die Umsetzungsarbeit erst an. In der Folge müssen wir kontinuierlich auch kleinteilige Zwischenschritte aufzeigen: Was genau machen wir, um das Ziel zu erreichen? Wer sind die Menschen, die sich dafür einsetzen? Was sind aber auch Rahmenbedingungen, die wir brauchen, damit wir unsere Ziele erreichen können? Das ist ein ständiger Austausch und ein ständiges Vermitteln. Dieser Austausch ist unabdingbar.
Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt wusste: “In der Krise beweist sich der Charakter.” Sind Sie eine gute Krisenmanagerin?
Wir arbeiten sehr präventiv und haben klare Regeln, wann wir wie kommunizieren. Oberste Maßgabe bei einem Notfall ist, alle Zielgruppen so schnell wie möglich und korrekt zu informieren. Mit Social Media verbreitet sich eine Nachricht heutzutage blitzschnell bis ans andere Ende der Welt. Das heißt, dass wir nicht nur hier in Ludwigshafen, sondern auch als globales Team extrem schnell zusammenstehen müssen, die Prozesse sollten sehr gut eingespielt sein. Wir üben und überprüfen das immer wieder. Neben aller Transparenz, Schnelligkeit und Korrektheit der Fakten sollte gute Krisenkommunikation immer auch Raum geben für Emotionen und Mitgefühl. Das erfordert Fingerspitzengefühl und Empathie.
Werden Sie als promovierte Geisteswissenschaftlerin von den Chemikern und Betriebswirten überhaupt ernst genommen?
Das sollten Sie die Kolleginnen und Kollegen fragen. Ich habe den Eindruck: Ja. Ich bin auch nicht geholt worden, weil ich eine Expertise in Chemie habe. Ganz im Gegenteil: Es ist durchaus von Vorteil, dass ich keine Naturwissenschaftlerin bin, denn so kann ich gut beurteilen, was man als Laie und Nicht-Naturwissenschaftler versteht und was nicht und unsere komplexen Themen in greifbare Geschichten übersetzen.
Welche Note hatten Sie in der Schule in Chemie?
Oh je, Chemie zählte nicht zu meinen besten Fächern. Zum Glück kam das bei meinem Einstellungsgespräch nicht zur Sprache. Bis ins Studium hinein war mein Berufswunsch auch der der Journalistin. Ich war ein Riesenfan des Radiosenders SDR3, den es damals noch gab. Ich träumte von einem Job als Radiomoderatorin und habe auf Kassetten, damals tatsächlich welche von BASF, eigene Sendungen aufgenommen. Zu kommunizieren, mit Menschen zu sprechen und Dinge zu vermitteln, daran hatte ich schon immer großen Spaß.
Haben Sie für ABB, Roche und BASF nicht das Falsche studiert?
Ganz und gar nicht. Ich habe mich schon während meines Studiums dafür eingesetzt, dass eben auch Geistes- und Sozialwissenschaftler für die Wirtschaft wertvoll sein können und mich in dem Förderverein “Artes Liberales” an der Uni Mannheim engagiert. Mein Anliegen damals wie heute ist, schon früh den Praxisbezug herzustellen.
Lobbyarbeit spielt in der chemischen Industrie eine enorme Rolle. Wie viel Lobbyistin steckt in Ihnen?
Es ist mir noch nicht in den Sinn gekommen, mich so zu nennen. Es mag sein, dass andere das Aufgabengebiet, das ein Teil meines Teams verantwortet, so beschreiben. Wir sprechen von politischer Kommunikation, und ich würde es als verantwortungsbewusste Interessenvertretung bezeichnen.
Die junge Generation ist kritisch bei der Arbeitgeberwahl. Mit welcher Erwartungshaltung begegnen Ihnen junge Mitarbeiterinnen?
Zu meiner Zeit freute man sich über eine gute Einstiegsposition; erst später im Leben kam die Frage auf: Für wen und wie möchte ich arbeiten? Heute denken junge Menschen von Anfang an darüber nach, wo sie arbeiten möchten, ob das zu ihren Werten passt, und ob sie sich mit dem Produkt identifizieren können. Zugleich fordern sie mehr Flexibilität vom Unternehmen: Das Leben wird nicht mehr nach der Karriere ausgerichtet; das Unternehmen muss sich auch an die persönliche Lebensplanung anpassen. Grundsätzlich gefällt mir das, denn wir arbeiten heute alle sehr lang und durchlaufen unterschiedliche Phasen in der Biografie und der Laufbahn.
An der Werkbank: Nina Schwab-Hautzinger zeigt Heike Turi im Creation Center der BASF, was aus Chemie alles werden kann
Wir zwei entstammen der GenX. Wir haben gelernt, dass man es mit Fleiß zu etwas bringen kann. Ist diese Denke heute noch zeitgemäß?
Ich erlebe bei jungen Menschen eine größere Ungeduld, als ich sie bei mir oder meinem Freundeskreis erinnere. Wir haben erst einmal drei Jahre auf einem Job gearbeitet, bevor wir dachten, jetzt könne vielleicht das Nächste kommen. Die jungen Leute fragen heute viel früher: Was kommt jetzt? Welche Weiterbildung, welcher Entwicklungsschritt ist für mich im Unternehmen machbar? Den Fleiß und das Durchhaltevermögen finde ich aber ungebrochen auch bei unseren jungen Talenten.
Wie leicht oder schwer fällt es Ihnen, junge Kräfte für die BASF-Kommunikation zu gewinnen?
Das Volontariatsprogramm der BASF, das es übrigens schon seit 40 Jahren gibt, ist sehr attraktiv gestaltet; dementsprechend bekommen wir viele und tolle Bewerbungen. Die meisten bleiben nach dem Volontariat bei BASF, weil sie die Möglichkeit haben, innerhalb eines großen Unternehmens verschiedene Stationen zu durchlaufen und in andere Bereiche der Unternehmenskommunikation zu gehen oder auch ins Ausland.
Was erwarten Sie im Gegenzug von Ihren Mitarbeiterinnen?
Sehr wichtig ist für mich die Grundhaltung eines Menschen: Ist jemand offen, hat sie oder er eine positive Einstellung, möchte sich der Mensch weiterentwickeln? Zudem sollte die Person ein starkes Interesse am Unternehmenszweck zeigen. Natürlich suchen wir auch Fachexpertise. Aber Wissen hat mittlerweile eine so kurze Halbwertszeit und verändert sich sehr schnell. Ich schaue eher danach, welche Problemlösungsstrategien hat jemand schon gezeigt? Wie geht man mit einer Herausforderung um? Oder wie eignet man sich Wissen an? Wir suchen Personen mit einem sogenannten T-Shaped-Profile. Das bedeutet, die Person sollte generalistisch aufgestellt, ihr Blickwinkel holistisch sein; in einigen Kernkompetenzen sollte sie aber besondere Expertise mitbringen.
Sie selbst bringen reichlich Auslandserfahrung mit – geht es ohne heute nicht mehr?
Ich empfinde es in erster Linie als persönliche Bereicherung, wenn ich im Ausland leben darf oder dort Station machen kann. Ich würde es allen empfehlen, die Interesse daran und die Möglichkeit dazu haben. Aus Arbeitgeberperspektive ist es so, dass wir anhand eines Auslandsaufenthalts sehen, ob jemand sehr aktiv ist, sich etwas zutraut oder auch mal was Neues wagt. Dafür kann ein Auslandsaufenthalt ein Kennzeichen sein. Aber es ist nicht das einzige. Das kann man sicherlich auch durch Anderes demonstrieren.
Wie hat Sie Ihr Auslandsaufenthalt bereichert?
Ich habe mehrere Jahre in Asien für eine Agentur gearbeitet. Da ist die Schnelligkeit viel höher als hier. Auch die Erwartungshaltung seitens der Kunden, was den Service angeht. Und was ich in Asien zu schätzen gelernt habe, ist der Umgang mit Veränderung. Dass Veränderung als etwas Normales angesehen wird, der man positiv begegnet und auf die man sich sehr schnell einlässt.
Tipp von Nina Schwab-Hautzinger: “Sieh deine Karriere als eine Reise an, auf der du nie aufhörst zu lernen, dich weiterzuentwickeln und an deinen Aufgaben zu wachsen”
Nina Schwab-Hautzinger
Geb. 1975 in Binningen, Schweiz
1994: Studium Germanistik, Medien- und Sozialwissenschaften in Mannheim und Waterloo, Kanada
2002: Promotion in Zürich
2003: International Communications Managerin, später Pressesprecherin Roche Deutschland
2011: Kommunikationsberaterin bei Hill+Knowlton Strategies, Singapur
2014: Leiterin Public Affairs bei Roche Deutschland
2019: Global Head of Corporate Brand bei Roche Schweiz
2020: Senior Vice President, Head of Corporate Communications & Government Relations der BASF Gruppe