Im Café – Freunde nennen es wahlweise mein Büro oder mein Wohnzimmer – die “Süddeutsche Zeitung” flöhen, um Nennens- oder vielleicht sogar Bemerkenswertes zu twittern. Nebenbei meine Mails zu checken und zu beantworten. Und mit den anderen Stammgästen über den TSV 1860, die Linke und das Strauß’sche München der sechziger und siebziger Jahre zu diskutieren.
Was machen Sie gerade?
Einen Blogbeitrag über die Onlinesyndication der großen Abozeitungen vorbereiten. Ich möchte auch mal etwas Positives über die “Süddeutsche” schreiben.
Und sonst so?
Erstes Jahr, ohne auch nur auf einer einzigen Netzkonferenz, Medientagung oder Geplappere über die Zukunft der Printmedien gewesen zu sein. Geht auch. Bekommt mir sogar gut. Es gibt also ein Leben, ohne Jochen Wegner zu stalken.
Sie twittern fast ununterbrochen. Was bringt das?
Es bringt vielleicht nichts, wenn man darunter Geld, Karriere oder die Möglichkeit versteht, an der Tafel der Schönen, Reichen und Prominenten geduldet zu werden. Aber meine Generation hat es nicht aus solchen Gründen zum Journalismus hingezogen. Wir wollten noch die Welt verändern. Wenn es nun darum geht, die Wahrheit oder vielmehr meine Wahrheit zu verbreiten, ist Twitter ein wunderbar dynamische Medium.
Auch mit gerade mal 3.300 Followern?
Trotzdem bringt Twitter die moderne Währung, Aufmerksamkeit, um Georg Franck aufzugreifen. Ich werde als Twitterer auf der Straße erkannt. Ich werde letztendlich wegen meiner Twitter-Reputation gerade von Peter Turi interviewt, oder?
Jein.
Selbst meine Aufträge als Printjournalist erhalte ich, weil man mir so manches Thema aufgrund meiner Tweets inhaltlich zutraut.
Wovon leben Sie?
Zufälligerweise habe ich keine Reihenhaushälfte abzustottern, keinen Kindern die Ausbildung zu finanzieren und keine Alimente zu zahlen. Das macht finanziell unabhängig. Ich habe kein Problem, viel Geld zu verdienen und es auch wieder zu verprassen. Aber ich komme auch mit dem Existenzminimum aus. Das macht unabhängig.
Das beantwortet nicht die Frage, wovon Sie leben.
Die letzten vier Jahre habe ich als Pauschalist bei “Donna” das meiste finanziert und war daher leicht irritiert, unlängst bei turi2 als “Türsteher und Blogger” tituliert zu werden. Da Turi meistens recht hat, habe ich inzwischen meinen Printauftrag gekündigt. Mit wöchentlich drei Nächten als Türsteher im Freebird und meiner Arbeit als Manny (männlicher Nanny) sind Miete und Krankenversicherung gesichert. Mein Büro, sprich: die Kaffeehausaufenthalte werden ohne besonderen Aufwand durch meine Blogs (Google Ads, VG Wort, Flattr etc) finanziert. Für die schönen Dinge des Lebens, die nicht umsonst sind, muss ich dann eben immer wieder mal einen Artikel veröffentlichen.
Sie arbeiten jetzt als Türsteher – ein Zeichen für den Niedergang des Journalismus oder nur für den sozialen Abstieg des Journalisten Dorin Popa?
Auch wenn man als Journalist immer noch mehr Macht hat: In München ist es kein Abstieg, Türsteher zu sein. In anderthalb Jahren an der Tür habe ich mehr Kollegen von Burda kennengelernt als im Arabellapark. Während ich im Verlag als alter Knacker uninteressant bin, sprechen mich die gleichen Leute vor der Bar sofort an: Hey, Du arbeitest doch auch bei Burda.
Sie twittern über Ihre Arbeit als Türsteher – wozu?
Eine Nacht an der Tür kann sehr lang und einsam sein. Da bietet sich Twitter geradezu an.
Werfen Sie den Printmedien, für die Sie immer weniger arbeiten, etwas vor?
Print ist für mich immer noch das Schönste auf der Welt. Und es ist aufregend zu beobachten, was für wunderbare Sachen sich die Kollegen auch ganz ohne mein Zutun einfallen lassen.