Thomas Lückerath, Jahrgang 1982, hat den Fernsehdienst DWDL schon als Schüler gestartet. Inzwischen zeigt er den konkurrierenden Verlagen, was ‘ne Harke ist.
Sitze gerade im Bus und fahre durch London.
Was machen Sie gerade?
Habe die ARD-Korrespondentin Annette Dittert besucht und interviewt. Wir hatten 2006 in New York und 2011 schon mal in London miteinander gesprochen über die Arbeit und Wertschätzung von Auslandskorrespondenten. Jetzt ist das Triple komplett.
Sie jetten durch die Welt, während in allen Redaktionen gespart wird. Wie machen Sie das?
Mit dem Flugzeug. Scherz beiseite: Wir investieren in Inhalte, die uns unterscheiden – und damit letztlich in Werbeumfelder, die sich über inhaltliche Qualität und nicht Reichweite allein definieren. Noch dazu vergrößert es unser Netzwerk an Kontakten. Unser Vorteil ist sicherlich, dass wir seit 13 Jahren schon effizienten digitalen Journalismus liefern – ein Medienbruch blieb uns erspart.
Vor 13 Jahren haben Sie DWDL gestartet. Wollten Sie von Anfang an die Medienweltherrschaft?
Medienweltherrschaft macht viel zu viel Arbeit. Da bleibt ja keine Zeit mehr zum Binge-Watching. Ich war damals Schüler in Abitur-Vorbereitungen und DWDL eine Schnapsidee. Daher auch der kuriose Name.
Was bedeutet D.W.D.L. eigentlich?
Die Geschichte hinter dieser Abkürzung – entstanden noch zu Schulzeiten – ist so banal, dass die Enthüllung nur eine große Enttäuschung wäre. Ich freue mich einfach, dass es sich in der Branche als Eigenname etabliert hat.
Was war die Ursprungsidee von DWDL?
Ich arbeitete damals, 2001, parallel zur Schule schon bei NBC Giga und interessierte mich für Medien und besonders das Fernsehen. Doch es gab nur elitäre, teure Branchendienste und auf der anderen Seite Programm-Zeitschriften die damals wie heute redaktionell erschreckend wenig zum Thema Fernsehen machen. Kress.de war damals die wichtigste Adresse für Medienmacher – aber aktualisierte nur einmal am Tag um 17 Uhr sein Angebot. Meine Idee war: Eine Website für die Medienbranche, die permanent aktualisiert wird. Gab es damals tatsächlich nicht.
Was ist daraus geworden?
Viel mehr Arbeit als gedacht. Heute arbeiten elf Menschen für DWDL.de, sechs davon in Köln. Der Rest als freie Kollegen aus Berlin, Wien und auch New York. Wirklich wichtig ist mir: Alle verdienen angemessen.
Was heißt angemessen?
Das variiert natürlich zwischen Festangestellten und freien Autoren. Mir geht es darum, dass ich noch immer oft gefragt werde, ob man denn davon leben könne. Bei uns steigen junge Redakteure mit 3.000 Euro im Monat ein.
An welchen Kennziffern messen Sie den Erfolg von DWDL? Haben Sie Kress schon überholt?
Erfolg hat viele Kennzahlen. Zitate in anderen Medien, schöne Geschichten und am Ende schwarze Zahlen. Damit bin ich glücklich. Reichweite ist nur Mittel zum Zweck. Kress.de haben wir vor einiger Zeit schon überholt. Und mit Torsten Zarges den besten Mann zu uns ins Team geholt.
Einspruch Euer Ehren! Die besten Leute bei Kress hießen Jens Schröder, Stefan Winterbauer und Christian Meier. Und zwar genau in dieser Reihenfolge. Und die sind alle von Meedia gekauft worden. Spüren Sie die Konkurrenz von Meedia, schließlich steht hinter denen die Verlagsgruppe Handelsblatt.
Die Kollegen arbeiten schon so lange nicht mehr bei Kress, dass ich sie damit jetzt eben nicht in Verbindung gebracht habe. Im Übrigen glaube ich aber auch nicht, dass Stefan Winterbauer und Christian Meier von sich sagen würden, dass das Fernsehen den Mittelpunkt ihrer journalistischen Tätigkeit darstellt. Jens Schröder ist ein sehr geschätzter Kollege. Meedia weiß zweifelsohne, wie man maximale Reichweite generiert. Dirk Manthey bekundete beim Verkauf von Meedia ja, er habe lernen müssen, dass man ein journalistisches Angebot heute für Google optimiert, nicht für die Leser. Da würde ich jederzeit widersprechen.
Jeder nach seiner Facon. Wie groß war der Widerstand, den Kress Ihnen entgegengesetzt hat? Immerhin gehört Kress einem der größten britischen Fachverlage, Haymarket.
Das klingt jetzt, als hätte es einen Zweikampf gegeben. Ich würde es allgemein formulieren: Ohne Verlagshaus im Rücken und als Online-only-Angebot wurden wir in der Anfangsphase vor gut zehn Jahren von etablierten Branchendiensten zunächst belächelt oder ignoriert. Bis das aufgrund der erarbeiteten Größe und gelieferten Leistung nicht mehr möglich war.
Wieviel Umsatz schreibt DWDL? Wo kommt das Geld her?
Der Umsatz im Jahr 2014 wird am Ende bei rund 600.000 Euro liegen. Gut 40 % steuert unsere Jobbörse zu, den Rest erzielen wir über Werbung sowie Sponsorings einzelner Rubriken und Themen-Specials. Kein Unternehmen steuert dabei mehr als 6 % zum Umsatz bei, was die Werbe-Finanzierung auf eine breite Basis stellt.
Also dreimal so viel wie turi2 und ungefähr auf Augenhöhe mit Meedia. Haben Sie Expansionspläne mit DWDL?
Wir haben 2013 mit Torsten Zarges, Hans Hoff, Peer Schader, Timo Niemeier und Miguel Robitzky fünf neue Autoren an Bord geholt. In diesem Jahr haben wir die neuen Kollegen und ihre Arbeit inhaltlich schlüssig integriert, uns sehr über den Bert-Donnepp-Preis für Medienpublizistik gefreut und die Expansion finanziell gut verdaut. Und 2015? Ich sag mal so: Wenn man nicht nur Geschäftsführer sondern auch Inhaber des Unternehmens ist, fallen die Selbstgespräche über geschäftliche Ziele für das kommende Jahr immer erfreulich kurz aus. Solides Wirtschaften ist mir wichtiger als ein Expansionsplan. Da bin ich lieber schnödes digitales Bürgertum als aufregende Avantgarde.
Echt jetzt? Noch nicht in der Pubertät und schon verspießert? Von Ihnen hatten wir Vollgas erwartet, Herr Lückerath.
Oh, DWDL fordert seit 13 Jahren Vollgas. Wenn es spießig ist, sich darauf zu konzentrieren, kontinuierlich ein gutes inhaltliches Angebot zu erstellen und als unabhängiges Medium auch vernünftig zu wirtschaften, dann bin ich gerne spießig.
Was ist mit dem angekündigten Dienst auf Englisch?
Daran haben wir parallel zur personellen Expansion im vergangenen Jahr schon mal gearbeitet, aber dann erstmal hinten angestellt. Es geht übrigens nicht um eine umfassende englische Version von DWDL, mehr um eine englischsprachige Zusammenfassung dessen, was sich in einer Woche so im deutschen TV-Markt tut. Gucken wir mal, ob’s 2015 klappt. Mein Vater ist Banker. Strategie ist manchmal eine Frage der Möglichkeiten.
Wem gehört das schöne Kind DWDL eigentlich?
80 % der Anteile der DWDL.de GmbH liegen bei mir. Die restlichen 20 % hält Michael Spreng.
Haben Sie Ihr Hobby zum Beruf gemacht? Waren Sie das dicke Kind, das lieber zuhause vor der Glotze saß, anstatt Fußball spielen zu gehen?
Fußball spielen war in der Tat nie mein Ding. Ich habe als Jugendlicher sechs Jahre lang beim Ratinger FC mit dem Säbel gefochten. Als ich in der 12. Klasse angefangen habe, jeden Nachmittag im Düsseldorfer Medienhafen für NBC Giga zu arbeiten, blieb der Sport auf der Strecke. Dick wurde ich nicht durchs Fernsehen gucken, sondern Fernsehen machen. Deswegen schreibe ich heute lieber darüber :-). DWDL ist aus persönlicher Neugier entstanden. Ich wollte mehr über die Branche erfahren und 2001 gab es nicht viele frei verfügbaren Informationen.
Sie werben mit dem Slogan “Wir lieben Fernsehen”. Welche Pillen muss man nehmen, um Sachen wie das “Dschungelcamp” oder “The biggest loser” zu lieben?
Schöne Frage. Weil sie eine Haltung entlarvt, die mich seit Jahren irritiert. Niemand stellt die Qualität von Printmedien unter Generalverdacht, nur weil es auch reichlich gedruckten Schund am Kiosk gibt. Beim Fernsehen hingegen wird so pauschal geurteilt. Ich freue mich auf “Ich bin ein Star, holt mich hier raus” – ebenso wie auf gute Serien und Comedy. “House of Cards”, “Weissensee”, “Fargo”, “Pastewka” und “How to get away with murder” sind starkes Fernsehen. Auch die “Die Höhle der Löwen” bei Vox, die “heute-show” oder “Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von” im WDR. Und “Kessler ist” hat bei ZDFneo den Talk neu erfunden.
Trotzdem ist das deutsche Privatfernsehen ein stinkender Sumpf – und Sie stehen jeden Tag mit beiden Beinen darin. Wie hält man das aus?
Das ist exakt die gleiche Unterstellung. Sind Zeitschriften auch ein stinkender Sumpf, nur weil es die oft unsägliche Yellow Press gibt? Nun gut. Wie man mit schlechtem Fernsehen umgeht? Es anprangern und entlarven. Das ist selten eine Frage des Geschmacks, häufiger eine des schlechten Handwerks. Im Dezember küren wir wieder die Gewinner des Goldenen Günter für die Peinlichkeiten des Medienjahres. Aber wenn in dem Sumpf Perlen auftauchen, wollen wir diese auch herausstellen. Eben weil viel zu oft so pauschal geurteilt wird.
Thomas Lückerath, das Trüffelschwein. Findet sogar im tiefsten Sumpf noch Perlen, klasse! Was machen Sie eigentlich, wenn Sie mal nicht Fernsehgucken oder über Fernsehen schreiben?
Momentan verbringe ich wieder mehr Zeit mit Sport – mit dem erfreulichen Ergebnis, seit Sommer 16 Kilogramm abgenommen zu haben. Davon abgesehen reise ich sehr gerne. Besonders oft nach Großbritannien und in die USA. Die Kollegen scherzen schon darüber. Aber es hilft nebenbei auch, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, was uns demnächst im deutschen Fernsehen erwartet.