“Podcasts sind wie ein guter Wein, der erst reifen muss.” – Felicia Mutterer über Dos & Don’ts bei Marken-Podcasts.
21. August 2022
Die Stärken von Audio: “Wer mit einem Podcast bemerkt werden will, sollte sich durch Qualität und Relevanz Gehör verschaffen”, sagt Felicia Mutterer, Mitgründerin und Managing Director der Audio- und Podcast-Agentur Achtung! Broadcast. Im Interview innerhalb der turi2 Podcast-Wochen gibt sie Unternehmen und Marken eine Checkliste an die Hand, welche Fragen und Ziele vor einem Podcast geklärt sein sollten, u.a. “Was soll beim Hörenden hängenbleiben?”. Gerade für erklärungsbedürftige Themen eigneten sich Podcast besser als eine “manifestierte Pressemitteilung”. Dabei müsse es “nicht immer nur der Talk oder das Interview sein”, sagt sie und sieht auch Hörspiele als Stilform, Produkte und Kompetenzen “spielerisch” hörbar zu machen. Zum schnellen Verkauf taugten Podcast dagegen gar nicht. Ein No-Go seien auch Chefs, die ein Skript vorlesen, statt frei zu sprechen: “Menschen wollen Menschen zuhören beim Erzählen. Laut lesen können alle selbst.”
Wie mache ich einen Marken-Podcast, den auch wirklich jemand hört?
Hierfür habe ich fünf Punkte für Markenverantwortliche – als kleine Checkliste:
1.) Sie wissen, was sie tun.
Mit einer gesunden Basisarbeit sind Sie bestens für die Kür vorbereitet. So sollten die W-Fragen beantwortet sein: Wen wollen Sie erreichen, was genau ist das Thema? Was soll beim Hörenden hängenbleiben?
Ist die Zielgruppe klar definiert, bleibt die entscheidende Frage: Wo erreiche ich sie? Wann und warum hören die Personen, die ich erreichen will, welche Inhalte und Formate?
2.) Sie verstehen die Stärken von Podcasts.
Gehört wird nach Interesse und on demand, meistens via Smartphone. 20 Minuten und länger befassen sich Zuhörende mit ihrem Inhalt. Laut verschiedener Studien sind Hauptnutzungsmotive für Podcasts Information und Bildung. Podcasts werden von formal höher gebildeten Menschen genutzt, die Tiefe schätzen. Diese Hörenden bekommen sie in Podcasts. Audio ist das Medium – auch für komplexe Themen.
3.) Sie nutzen die Stärke des Mediums Audio.
Was nicht in eine (Medien-) Mitteilung passt, weil es schlicht zu erklärungsbedürftig ist, eignet sich perfekt für einen Podcast. Ein Beispiel dafür ist ein begleitender Podcast zum Transformationsprozess eines Unternehmens. Dieser kann als Folge immer wieder Themen aufgreifen, die adhoc entstehen und erklärungsbedürftig sind.
Podcast bieten die Möglichkeit, die Worte durch den Klang einer oder unterschiedlicher Stimmen zu justieren. So ist die gesprochene Aussage der Geschäftsführung leichter zu verstehen als eine manifestierte Pressemitteilung, Mitarbeitenden-Notiz am schwarzen Brett oder eine von vielen E-Mails in den Postfächern.
Außerdem lassen sich über einen Podcast Themen und/oder Persönlichkeiten aufbauen, besetzen und positionieren. Exklusiver Content, der einem Podcast entspringt, ist attraktiv zur Weiterverwertung auf anderen Plattformen nutzbar. Das stärkt das Profil zusätzlich.
Wer nicht gleich einen eigenen Podcast aufsetzen möchte, kann Köpfe auch in anderen, zum Thema und zur Zielgruppe passenden, qualitativ guten Podcasts platzieren.
4.) Sie sind qualitätsbewusst.
Alle Unternehmen und Marken senden Inhalte. Um Gehör zu bekommen, sollten Podcasts hochwertig produziert und glaubwürdig sein. Es gibt Erhebungen, wonach jede*r Einzelne von uns täglich bis zu 10.000 Werbebotschaften ausgesetzt ist. Wer mit einem Podcast bemerkt werden will, sollte sich durch Qualität und Relevanz Gehör verschaffen.
5.) Sie binden Podcasts in den Kommunikationsmix ein.
Audio ersetzt keine anderen Kanäle, sondern ergänzt diese. Im Idealfall gibt es eine crossmediale Strategie, in der ein Podcast stets mitgedacht wird und gemäß seiner Stärken seinen Platz findet. Beispielsweise können Pressekonferenzen auch als Podcast distribuiert werden. Ein Podcast dagegen taugt nicht dazu, den schnellen Verkauf zu fördern.
Braucht wirklich jede Marke und jedes Unternehmen einen Podcast?
Ich stelle die Gegenfrage: Warum nicht? Bei Billionen von Content frage ich mich manchmal, warum ausgerechnet diese Frage oft bei Podcasts gestellt wird.
Aber um eine Antwort zu geben: Unternehmen und Marken, die schnell sehr viele Menschen erreichen wollen, sollten die Finger davon lassen. Podcasts sind wie ein guter Wein, der erst reifen muss. Heißt: Geduld und Ausdauer sind gefragt – neben dem Verständnis, dass ein Podcast nichts mit einem Social-Media-Post oder Werbespot zu tun hat.
Bei einem Podcast hören Menschen nicht nur hin, sondern zu und das eben länger als ein paar Sekunden oder 1:30 Minuten. Ein Podcast lässt sich daher eher mit einem Event vergleichen, bei dem das Unternehmen oder die Marke selbst Stargast ist. Oder anders gesagt: Qualität schlägt Quantität.
Welche Ziele haben Marken- und Unternehmens-Podcast?
Das sind verschiedene Ziele, die Unternehmen und Marken mit einem Audioformat verbinden: Reputation, Positionierung, Employer Branding, Junge Zielgruppe erreichen, Engagement steigern, Hörenden den Zugang zu Informationen erleichtern (wg. visueller Überfrachtung), einen Bühne schaffen.
In der internen Kommunikation macht es ein Unternehmen Mitarbeitenden mit einem Podcast leicht, Informationen abzugreifen. Die Zielgruppen sind innerhalb von Unternehmen oft sehr heterogen und haben unterschiedliche Bedürfnisse. Oft gibt es auch die Herausforderung, dass manche gar nicht an einem Computer arbeiten, sondern in einer Werkshalle oder die Leute mit Computer während der normalen Arbeitszeit kaum dazu kommen, ins Intranet zu schauen. Ein Audioformat bietet hier eine Option: Audio kommt ohne Bildschirm aus, als Device reicht ein Smartphone aus und gehört kann auch beim Pendeln oder beim Spaziergang werden.
Außerdem ist ein Audioformat auch für die Produzierenden deutlich weniger aufwendig. Vieles geht remote und zügig zu produzieren, eine Maske ist auch nicht nötig.
Wie schaffe ich es, dass der Podcast seine Hörerinnen in der Zielgruppe findet?
Hier weise ich stets darauf hin, dass es eine Kommunikationsstrategie geben muss, in welcher der Podcast eine Maßnahme mit einem bestimmten Teilziel bekommt – als strategischer Part zum Erreichen des Gesamtzieles.
Und dann gilt, wie fast immer im Leben: Tue Gutes und rede darüber. Heißt also: Macht ein tolles Audio, aber kalkuliert auch den Aufwand es zu bewerben von Anfang an mit ein.
Außerdem gilt diese Faustformel, um Hörer*innen zu erreichen:
Sichtbarkeit = der Podcast ist überall dort hinterlegt, wo Menschen Podcasts hören, und erscheint verlässlich.
Beziehung = der Podcast / Host ist präsent auf weiteren Kanälen, interagiert mit der Community und bindet diese ein.
Überzeugung = der Podcast wird persönlich weiterempfohlen.
Hinzu kommt natürlich Crosspromotion in anderen Podcasts, durch themennahe Influencerinnen oder durch anderweitige Multiplikatoren. Ich empfehle auch den Einsatz von Media.
Welche Podcast-Formate eigenen sich für Marken-Podcast besonders gut und welche eher nicht?
Welches Podcast-Format passt, hängt von den Zielen und natürlich von der Marke ab. Aber ich sage es mal so: Es muss nicht immer nur der Talk oder das Interview sein, wenngleich ich für Unternehmen und Marken darin Vorteile sehe: PR-Bühne, Reputation und Positionierung. Dennoch: Es gibt viel und Audio kann mehr.
Der bislang erfolgreichste Podcast überhaupt stammt von General Electric. Er heißt The Message und ist ein fiktives Hörspiel. Einige deutsche Unternehmen setzen auch auf das Genre: Lufthansa, BMW, Comdirect oder ganz neu und von uns produziert LYNQTECH mit Stadtwerke Luchshausen.
Was interessant beim fiktiven Hörspiel ist: Produktplatzierungen und das Hörbarmachen von Kompetenzen sind hier spielerisch möglich.
Ich würde Kunden hingegen davon abraten, Late-NightShows zu produzieren. Check24 ist für mich als Videoformat ein abschreckendes Beispiel.
Welche Formen der Kunden-Integration gibt es und welche Erfahrungen habt Ihr damit gemacht?
Die Kunden-Integration spielt bei Podcasts eine enorme Rolle. Wie stark diese ist, hängt vom Format ab.
Ein Beispiel-Format: Digitale Vorreiter – der Vodafone Business Podcast liefert den Rahmen, externe Gäste aus der Digital-Branche liefern den uniquen Content und ein externer Digital-Experte fungiert als Host.
Ein anderes Beispiel ist From Know How to Wow: Bosch liefert das Thema und die Hosts, wir übernehmen die Redaktion, Produktion und Distribution.
Es gibt aber auch die Möglichkeit, als Marke nur als Sponsor, als Ermöglicher eines Podcasts aufzutreten, in einem Format das inhaltlich passt. Ein Beispiel dafür ist Zart Bleiben von Fabian Hart. Der Naturkosmetik-Hersteller Dr. Hauschka profitiert neben des inhaltlichen Fits von der Reputation und Reichweite von Fabian Hart.
Wie läuft die Abstimmung mit den Kunden und Auftraggebern? Ist da viel erklärungsbedürftig?
Wir bei Achtung! Broadcast verstehen uns als Partner von Unternehmen und Marken, die Audioformate entwickeln und umsetzen. Dazu gehört, dass wir auch viel erklären und Verständnis für Audio schaffen. Vor allem die Konzeptphase ist intensiv. Kunden wollen oft viel, erwarten eine eierlegende Wollmilchsau.
Wir halten dagegen: Wir brauchen Fokus, wir müssen die Versprechen an unsere Hörer*innen einlösen. Haben wir aber erstmal was aufgenommen, klingelt es spätestens auch bei unseren Kunden. Dann sind wir im Play-Modus und haben feste Prozesse wie Redaktionskonferenzen, Skript-Erstellung und Produktion.
Wie oft müsst Ihr Kunden deren Idee ausreden, weil sie als Podcast nicht funktionieren?
Manchmal denken Kunden sehr visuell, reportageartig, wollen aber ein Audioformat mit einem Kollegen umsetzen. Da wird es dann knifflig. Hinter guten Audio-Reportagen steckt viel Handwerk. Solche Ideen müssten wir dann mangels Budgets und weil externe Reporter*innen nicht in die Strategie passen, verwerfen.
Was bei Anfragen auch schon vorkam: Mich rief mal jemand an, der gerne via Podcast auf ein Event aufmerksam machen wollte, für das er auch noch Tickets verkaufen wollte. Das war vier Wochen vor der Veranstaltung. Da habe ich abgewunken und geraten, dass Geld lieber in eine gezielte Bewerbung der Tickets zu stecken.
Was sind No-Gos bei Firmen-Podcasts?
Stümperhafte Produktion.
Bei einem Talk: Wenn ein CEO ein Skript abliest, statt frei zu sprechen. Menschen wollen Menschen zuhören beim Erzählen. Laut lesen können alle selbst.
Zum Thema Audio erscheint ein ganzes Buch: die turi2 edition #19 Audio – Erscheinungstermin: 12. Oktober 2022. Du kannst die Buchreihe turi2 edition kostenfrei lesen und als E-Paper hier kostenlos abonnieren.
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