“Wir machen keinen Leerlauf-Scheiß” – Podcast-Macher Khesrau Behroz über Geschichten und Geschäfte.
11. Dezember 2023
Geschichtenerzähler: “Eine aufsehenerregende Person allein reicht für uns nicht”, sagt Podcast-Macher Khesrau Behroz im turi2-Podcast über die Suche nach guten Geschichten für Doku-Podcasts. Die Story sollte “eine weitere Dimension, eine weitere Ebene mitbringen, nämlich die der gesellschaftlichen Relevanz”, erklärt Behroz im Gespräch mit turi2-Redakteur Björn Czieslik. Schon als Kind erzählt Behroz gerne Geschichten und schreibt im Fach “Freies Lernen” in der Schule “wirre Fantasy-Kurzgeschichten mit irgendwelchen sprechenden Masken”, erinnert er sich. Auch als Erwachsener verfasst er Kurzgeschichten und Gedichte. Seine Doku-Podcasts erzählen zwar vordergründig von einem Protagonisten, doch es geht um mehr: Sein erster Podcast Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen? thematisiert Verschwörungsideologien, der Nachfolger Wer hat Angst vorm Drachenlord? befasst sich mit Cybermobbing. Seine jüngste Produktion SchwarzRotGold: Mesut Özil zu Gast bei Freunden erzählt vom Aufstieg und Fall des Fußball-Superstars Mesut Özil – aber auch von der deutschen Gesellschaft, in der das passiert.
Im Laufe der Recherchen verändert sich der Blick auf seine Protagonisten, erzählt Behroz: “Ich glaube, es ist immer wichtig, auch bei strittigen, unsympathischen Personen einen empathischen Zugang zu finden.” Die Redaktion fragt alle Protagonisten für Interviews und Stellungnahmen an und bietet die Chance, sich zu äußern. Meist kommen jedoch Absagen oder gar keine Reaktion. “Ich glaube, um eine gute Geschichte erzählen zu können, über Ken Jebsen, über Rainer Winkler, über Mesut Özil, muss ich mit Mesut Özil, Rainer Winkler und Ken Jebsen nicht sprechen”, sagt Behroz. Ken Jebsen, der frühere Radiomoderator, der in die Verschwörungsecke abgerutscht ist, und “Drachenlord” Rainer Winkler hätten seinen Podcast jedoch wahrgenommen, weiß Behroz. Bei Mesut Özil dagegen ist er sich nicht sicher.
Nach dem Erfolg des Podcasts über Ken Jebsen hätten sich viele Hörerinnen gemeldet und weitere, streitbare Persönlichkeiten vorgeschlagen, etwa Publizist Boris Reitschuster oder Sänger Xavier Naidoo, erzählt Behroz: “Aber irgendwie wussten wir nicht, was wir darüber hinaus über Deutschland, über diese Gesellschaft groß erzählen können, was wir nicht schon mit Ken Jebsen erzählt haben. Und deswegen haben wir das nicht gemacht.”
Ohnehin ist Behroz wählerisch, welche Projekte er mit seiner Podcast-Firma Undone umsetzt: “Wir machen keinen Leerlauf-Scheiß, keine Corporate-Podcasts, keine Podcasts, auf denen wir vorne nicht mit draufstehen.” Seit der Gründung der Firma muss er sich als Unternehmer auch mit Steuern und Buchhaltung beschäftigen, eine Arbeit, “auf die ich auch gerne verzichten könnte”, sagt er. Die monatlichen Gehälter für seine Beschäftigten überweise er aber stets selbst, “um den Stich zu spüren”.
Hier gehts zum turi2 Podcast:
Seit Juli macht Behroz zusammen mit der Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal den wöchentlichen Gesprächspodcast Tekkal & Behroz, der sich an Menschen richtet, die “von der aktuellen Nachrichtenlage latent überfordert sind – also alle”. In ihrem Podcast liefern beide eine Einordnung wichtiger Ereignisse der Woche. Zwar bereitet eine Redaktion die Themen vor, frei zu sprechen, ist für Behroz, der bei seinen Doku-Podcasts sogar Kichern und Schnäuzen ins Skript schreibt, jedoch eine Herausforderung: “Da muss ich mich reintrainieren. Das ist ein Muskel, den ich vorher nicht bedient habe. Aber man kommt da Stück für Stück rein.”
Ungewohnt war anfangs auch die Werbung, die – wie in den so genannten Laberpodcasts üblich – die Hosts selbst sprechen. Beide wollen nur Produkte empfehlen, “die wir auch selbst gut finden, hinter denen wir auch stehen können”. Der Vermarkter SevenOne Audio frage sie zuweilen auch, für welche Firmen sie gerne Werbung machen würden, wodurch eine Werbe-Kooperation mit der Online-Drogerie Koro zustande kam.
Auch für Doku-Podcast sieht Behroz gute Vermarktungschancen: “Ich glaube, es wird noch unterschätzt, wie gut das eigentlich vermarktbar ist.” Wer eine Folge anfange, höre meist bis zum Ende. Auch nach drei Jahren seien die Geschichten noch “genauso gut und genauso spannend”. Doku-Serien wie “Cui Bono” haben bei neuen Staffeln auf Anhieb tausende Hörerinnen, die noch den Feed der vorherigen Staffel abonniert haben. Auch “SchwarzRotGold” soll nach Mesut Özil weitere Staffeln bekommen.
Und das ist nicht das einzige Projekt, das Behroz und Undone in Planung haben: Am 20. Dezember erscheinen zwei neue Folgen von Legion, der Podcast-Reihe, deren erste Staffel sich mit dem Hacker-Kollektiv Anonymous beschäftigt hat. Eine zweite, sechsteilige “Legion”-Staffel kommt 2024. Im April oder Mai erscheint eine Podcast-Kooperation mit dem “Spiegel”. Und auch für “Cui Bono” gibt es Überlegungen für eine dritte Staffel.
Im 44-minütigen Podcast erzählt Behroz auch, warum Musik ein wichtiger Bestandteil seiner Podcasts ist und er statt “Dosenmusik” ausschließlich Eigenkompositionen verwendet. Und er erklärt, welche Stilmittel er einsetzt, um auch komplexe Geschichten verständlich zu erzählen. Dieser Podcast ist Teil der Agenda-Wochen 2024. Bis 17. Dezember blickt turi2 in Interviews, Podcasts und Gastbeiträgen zurück auf 2023 und voraus auf 2024.
Headerfoto: Serafin Dinges / Portätfoto: Lisa Kempke / Cover: Studio Bummens & Undone