turi2 edition #12, 50 Vorbilder: Sebastian Turner schreibt über Dieter von Holtzbrinck.
4. Oktober 2020
Verleger der alten Schule:Dieter von Holtzbrinck vertraut seinen Mitarbeiter*innen und setzt bedingungslos auf Qualität. Sebastian Turner, einer seiner publizistischen Ziehsöhne, schreibt in der turi2 edition #12 einen Ausblick – keinen Nachruf. Anfang Oktober hat Turner seinen Rückzug beim “Tagesspiegel” angekündigt, um sich künftig ganz seinem Medien-Startup Trafo zu widmen.
Ein Leser dieses Textes wird Dieter von Holtzbrinck sein. Hätte er davon gehört, hätte er gesagt: “Wenn es sein muss, aber bitte kein Nachruf.” Versprochen. Dieter von Holtzbrincks zweites Leben als Verleger hat erst vor wenigen Jahren begonnen – da geht der Blick nach vorne.
Das vorbildlichste Merkmal an diesem Verleger ist sein konsequentes Bekenntnis zur Qualität. Damit ist er nicht allein – viele Buchverleger von S. Fischer bis Ledig-Rowohlt (deren Werk die Familie von Holtzbrinck fortführt) waren auf Qualität bedacht. Mit ihren Verlagen erlangen sie große Bedeutung, auch wenn es kleine Firmen bleiben. Mit Qualität eines der ganz großen Häuser zu schaffen, das ist wenigen wie Dieter von Holtzbrinck gelungen.
Was für ein Kontrast, wenn man international die Murdochs und Zuckerbergs ansieht, die mit “Sun”, Fox und Facebook das Gemeinwesen Demagogen ausliefern. Auch in Deutschland hebt sich Holtzbrinck ab. Er erspart sich die Peinlichkeit mancher, die sich gegen die Verleumdung der Medien als “Fake News” stellen, um dann festzustellen, dass im eigenen Sortiment Regalmeter Yellows von Fakes leben.
Holtzbrinck steht durchgängig für Qualität. Über das halbe Jahrhundert seiner Verlegertätigkeit wird berichtet, wie er lieber auf Geld verzichtet, als auf diesen Anspruch. Das begründet seine hohe Glaubwürdigkeit und die seiner Medien. Es ist das größte Vermögen für ein Medienhaus. Er mehrt es, zum Wohl der ganzen Branche.
Von seinem Vater Georg wurde ihm als Gesellenstück das gerade erworbene “Handelsblatt” übertragen. Man ahnt seinen schwäbischen Mutterwitz, aber auch ein vielschichtiges Verhältnis zum Vater, wenn man ihm Jahrzehnte später beim Jubiläum des “Handelsblattes” in einer vollen Halle zuhört. Er sagte: “Mein Vater meinte, ich sei zu nichts zu gebrauchen – und wahrscheinlich hatte er damit recht.”
Immerhin ließ er den Sohn machen, und der machte – in Qualität. Zum väterlichen Bücherbund kamen immer mehr erste Adressen, ihm gelang als einem der ersten der erfolgreiche Sprung in den angelsächsischen Sprachraum. Nicht als Lizenz-Exporteur, sondern als vertrauenswürdigem Verleger, dem große Namen ihr Lebenswerk anvertrauen. So gelang ihm, die New Yorker Perlen Henry Holt und Farrar Strauss Giroux zu übernehmen, wie später auch die “Zeit”, den “Tagesspiegel” und mit Macmillan, “Scientific American” und “Nature” einige der bedeutendsten Wissenschaftspublikationen der Welt. Das Erfolgsprinzip immer wieder: Das gewachsene Vertrauen in seine hohen und durchgängigen Qualitätsstandards, die er auch dann bewahrt, wenn es einmal mit Mühen oder Nachteilen für ihn verbunden sein sollte.
Auf diesem Weg wurde Dieter von Holtzbrinck sogar sein eigener Käufer. Nach der Übergabe der Leitung an seinen Bruder Stefan entwickelten sich ihre Auffassungen darüber auseinander, welchen Weg das Haus nehmen sollte. Wo andere Familien eine wilde Saalschlacht mit saftigen Details und großer öffentlicher Anteilnahme angezettelt hätten, einigten sich die Geschwister auf eine reibungslose Realteilung: Dieter von Holtzbrinck übernahm ein zweites Mal das “Handelsblatt” und den “Tagesspiegel” und teilt sich mit seinem Bruder gemeinsam die “Zeit”. Den Häusern hat es nicht geschadet. Alle drei entwickeln sich besser als der Markt und sind in der Reputation ihren Wettbewerbern enteilt. Und alle drei sehen besonders gut aus beim wichtigsten Zukunftsmerkmal, auf das man heute bei Qualitätsmedien achten muss: Sie erzielen Höchstwerte bei den Lesererlösen, ob in Print oder digital, und steigern sie weiter. Kein Nachruf, sondern ein Ausblick: Qualität hat Zukunft.