Eileen Dillenburg, FischerAppelt: “Der Return on Invest von Influencer-Maßnahmen ist unschlagbar gut.”
11. Mai 2023
Fähnchen im Wind? Influencer, die stets ihr grünes Herz raushängen lassen, dann aber für Fast Fashion werben, machen sich unglaubwürdig und werden zur Zielschreibe von Kritik aus der Community, meint Eileen Dillenburg, Chefin der Influencer-Einheit Squad bei FischerAppelt. Als Vorteil von Influencer-Kampagnen hebt Dillenburg im Marke sucht Mensch-Fragebogen für die turi2 edition #21 die geringeren Kosten gegenüber der Zusammenarbeit mit klassischen Testimonials hervor. Nachteile aus ihrer Sicht: weniger Kontrolle, etwa über politische Äußerungen und teils erschwerte Bedingungen bei den Verhandlungen – weil nicht alle Partnerinnen ein professionelles Management haben.
Wer sind heute die einflussreichsten Botschafterinnen für eine Marke?
Wer die einflussreichsten Botschafter*innen für eine Marke sind, hängt von vielen Faktoren ab: Wer ist die Zielgruppe, in welchem Branchensegment bewegt sich die Marke und wie ist die Marken- und Kommunikationsstrategie? Ob traditionelle Blogger*innen/Influencer*innen, Prominente oder Meinungsführer*innen und Markenrepräsentant*innen – der Bereich hat sich in den letzten fünf bis zehn Jahren bedeutend verändert. Im Detail:
● Klassische Influencer*innen entwickeln sich von reinen Social-Media-Blogger*innen und Multiplikator*innen zu authentischen Markenbotschaftern. Ihre Zielgruppen- und Markenrelevanz reicht mittlerweile sogar über ihre Social-Media-Kanäle hinaus, weshalb sie in klassische Kommunikations- und Marketingkanäle integriert werden.
● Prominente, Sportler:innen und klassische Werbegesichter erkennen die Bedeutung von Social Media, professionalisieren ihre Auftritte und verlängern ihre Reichweite über die herkömmlichen Kanäle hinaus.
Hier gibt’s noch mehr Gespräche über Markenbotschafterinnen. >>>
● Mit TikTok ist eine völlig neue Gruppe von Influencern entstanden: die sogenannten Creators. Sie sind die digitalen Testimonials. Dabei sind sie keine großen Influencer*innen mit millionenfacher Reichweite, sondern nahbare Nutzer*innen, die ihren 9:16-Content nutzen, um ihre Erfahrungen und Erlebnisse aus dem Leben mit dem Publikum zu teilen.
● Meinungsführer:innen oder auch KOLs (Key Opinion Leaders) genannt, eröffnen eine völlig neue Art von B2B-Kommunikation. Vom HNO-Arzt um die Ecke bis hin zur Startup-Gründer:in – jede Art von B2B-Kommunikation oder Employer Branding kann durch KOLs authentischer und nahbarer gestaltet werden. Diese Differenzierung verdeutlicht, dass die Möglichkeiten für Marken, mit Ambassadors zu arbeiten, heute vielfältiger denn je sind. Zudem gibt es viele verschiedene Verticals von Botschaftern:innen und Kanälen.
Wie hat sich das Bild der Markenbotschafterin in den letzten Jahren verändert?
Markenbotschafter*in sein meint heute mehr, als Menschen zum Kauf zu inspirieren. Brand Ambassadors laden Marken mit Sinn auf, übersetzen den Markenkern in Richtung ihrer Themen Communities und machen die Marke über den eigentlichen Produkteinsatz hinaus erlebbar – indem sie immer wieder Punkte zur kommunikativen Anknüpfung schaffen. Entsprechend begreifen sich immer mehr Social-Media-Stars auch nicht mehr als reine Influencer*innen, die ihre Communities mit Produktempfehlungen versorgen. Influencer*innen haben zunehmend den Anspruch, selbst zu erschaffen – daher verwenden wir zunehmend den Begriff Creator. Das kann dann von der Kreation des Content Pieces bis hin zur Produktentwicklung reichen. Gerade im Bereich der Content Creation profitieren Creators dabei von ihrer nativen und zeitgemäßen Nutzung der Social-Media-Features und -Formate. Die Social Networks haben das verstanden und bieten spezielle Plattformen und extra Support für Creators an. Wollen Marken sich die für sie relevanten Communities auf den Social-Media-Plattformen erobern, kommen sie also an Creators nicht mehr vorbei.
Wie findet man die perfekte Passung zwischen Person und Marke?
Die Identität der Marke muss zur Identität und den Werten der/des Influencer*in passen. Dabei sollte die Community eine große Überschneidung mit der Marken-Zielgruppe aufweisen. Für die Selektion selbst setzt man am besten auf eine Mischung aus Hard Factors (z.B. Anteil der Follower aus einem bestimmten Land, Engagement Rate, durchschnittliche Impressions etc.) sowie Soft Factors (z.B. Bildsprache, Brand Fit, Themenwelten des Influencers. Denn nicht jeder Influencer mit starken Insights funktioniert auch für jede
Marke.)
● Ein Beispiel für eine gelungene Kooperation ist die Zusammenarbeit von Farina Opoku (@novalanalove) als Brand Ambassador für Annemarie Börlind. Es ist eine besonders authentische Einbindung, da Farina die Produkte schon seit Langem bewirbt, die Co-Creation (goldene Augenpads) passt zudem extrem gut zu Farina und zur Marke.
● Nicht wirklich gelungen ist für mich die Kampagne von Na-kd.com mit Pamela Reif. Pamela betont, bei der Auswahl ihrer Kooperationen stark auf Nachhaltigkeit zu achten. Diese Aussage passt nun nicht zu der Kooperation mit der Fast Fashion Brand. Verständlich, dass es daher häufig negative Reaktionen aus der Community gibt. Die Kooperation ist somit wenig authentisch und glaubhaft.
Was sind die Vor- und Nachteile, wenn man als Marke auf Influencer/Creators als Botschafterinnen setzt?
Die Vorteile überwiegen ganz klar: Influencer*innen und Creators können Werbebotschaften von Marken und Unternehmen deutlich effektiver und nachhaltiger innerhalb der eigentlich sehr werbemüden Zielgruppen Gen Y und Gen Z platzieren – Influencer-Kampagnen sind somit sehr effektiv. Das schaffen sie, weil sie näher dran sind an ihren Communities: Influencer wissen dank der Tracking- und direkten Interaktionsmöglichkeiten in sozialen Netzwerken quasi in Echtzeit, was ihre Follower mögen – oder eben nicht.
● Durch ihre sehr authentische Art der Kommunikation zeigen Influencer Produkte und Marken in lebensnahen Anwendungszenarien. Das inspiriert die Community. Deswegen vertrauen Millenials und Gen Z Brandend Influencer Content mehr als klassischer Markenwerbung und Influencer*innen mehr als traditionellen Testimonials – ein klarer Pluspunkt, was das Thema Vertrauenswürdigkeit angeht. (Quelle: Digital Marketing Institute 2021)
● In unserer Teengeist-Studie (Vol. 6), bei der FischerAppelt zusammen mit Appinio die Gen Z zu verschiedenen Themen befragt, haben wir herausgefunden, dass knapp 66 % der Teens angeben, täglich Inhalte von Influencer:innen zu konsumieren. Influencer*innen und ihr Content haben also per se eine hohe Sichtbarkeit – vor allem bei der jungen Zielgruppe.
● Top ROI: Aus Unternehmens- und Markensicht ist vor allem der Investitionsfaktor ein relevanter Punkt! Die Anbahnung von Werbe- und Vermarktungsverträgen geht mit Influencern und Creators in der Regel nicht nur schneller als mit klassischen Testimonials. Die Kooperationskosten sind häufig auch deutlich günstiger als bei klassischen Testimonials – bei gleichzeitig besserem Output. Der Return on Invest von Influencer-Maßnahmen ist also unschlagbar gut, wenn Influencer*innen und Creators gezielt und planvoll eingesetzt werden. Die Stärken der Influencer bergen dann aber auch Nachteile:
● Gerade die Authentizität und Schnelligkeit der Influencer lässt sie mitunter zu Themen oder aktuellem Zeitgeschehen Stellung beziehen, die Marken gerne ausklammern möchten.
● Nicht alle Influencer werden durch professionelle Managements vertreten. Das kann Verhandlungen und Vertragsunterzeichnungen erschweren.
● In der Content-Produktion wollen sie sehr stark mitbestimmen bzw. frei agieren. Zu Recht: Denn der Zugang zu ihrer Community ist eben nur über sie möglich und die Connection fragil. Das setzt niemand gerne aufs Spiel. Dieser Wunsch nach möglichst großem Gestaltungsspielraum kollidiert manchmal jedoch mit dem Wunsch des Unternehmens, den Content eng an ihren Vorstellungen zu gestalten. Wer als Marketer strenge und langwierige Freigabeprozesse zu beachten hat, für den ist Influencer Marketing mitunter nicht die richtige Wahl. Aus meiner Erfahrung kann man die negativen Aspekte aber umgehen, indem man sich intensiv austauscht – vor, während und auch nach der Umsetzung. Auch die passgenaue Selektion der Influencer kann unnötige Probleme ersparen!
Mehr zum Thema:
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