“Ich war nie digitalgläubig, du?” Ein Streitgespräch der Fachverleger Hans Oberauer und Peter Turi.
23. Juli 2021
Zwei Herren mit Branchennews – und konträren Meinungen: Peter Turi hat am 1. April 1996 als Verleger und Chefredakteur kress.de gestartet – damals der erste tägliche Online-Branchendienst in Deutschland. Zum 25. Geburtstag von kress.de hat Hans Oberauer, Kress-Verleger seit 2015, ein Sonderheft aufgelegt und darin mit Turi über die Zukunft der digitalen Medien diskutiert. Nicht nur über Paid Content, Clubhouse und die Rolle von Videos geht die Meinung der beiden befreundeten Verleger deutlich auseinander.
Hans Oberauer: Erinnerst du dich noch an unsere Begegnung am Bahnhof in Mannheim vor mehr als fünf Jahren? Ich erzählte dir vom neuen “kress pro” und du erklärtest mich für verrückt, weil ich noch Papier bedrucke. Jetzt machst du neben turi2.de mit der turi2 edition wunderbare Bücher. Warum? Peter Turi: Hans, da täuscht dich deine Erinnerung. Das Gegenteil ist richtig: Es war genau meine Liebe zum Papier, meine Sehnsucht, wieder Print zu machen, die mich im Frühjahr 2015 nach Mannheim brachte. Du hattest gerade den “kressreport” gekauft, ich wollte dir einen Plan präsentieren, wie wir den gemeinsam wieder flottkriegen. Ich kam aber gar nicht zu Wort.
Oberauer: Das habe ich anders in Erinnerung. Du schienst nur offene Ohren für Online zu haben und ich fühlte mich von dir als alter Mann behandelt, der nicht verstanden hat, dass ein neues Zeitalter angebrochen ist. Ich ging vom Platz und dachte, ok soll er sein Ding machen, ich mache es anders.
Turi: Da sieht man mal, wie sehr Empfindungen die Wahrnehmung trüben! Jedenfalls hast du dein fertiges Konzept für den neuen “kress pro” vor mir ausgebreitet. Ich war total frustriert, bis ich die Geschichte einem Verleger-Kollegen erzählt habe. Der sagte: “Für mich ist turi2 inzwischen die stärkere Marke als Kress”. Das hat mir Mut gemacht, im Dezember 2015 zusammen mit Uwe C. Beyer die turi2 edition zu starten. Aber ich beobachte mit Sympathie und Bewunderung, wie du die fast schon ruinierte Marke Kress wiederbelebt hast.
Oberauer: Danke, es scheint, wir haben bis heute unsere wechselseitige Wertschätzung gut voreinander verborgen.
Turi: Wir beide gehören halt zu einer Generation, die es nicht gelernt hat, ihre positiven Gefühle auszudrücken. Aber wenn gleich am Anfang dieses Gesprächs ein spätes Coming-Out der Liebe und der Zuneigung steht, dann hat es sich doch schon gelohnt.
Oberauer: Danke, Peter, hiermit offiziell: Ich liebe dich. Und nun zu weniger Wichtigem: Ich stelle mir das Jahr 1996 vor. Du warst in Heidelberg und hast deinen damaligen Partner mit einem neuen Online-Dienst genervt. Der hatte wohl genug zu tun mit dem gedruckten “kressreport”. Ein Kampf, der sich später auch in vielen anderen Medienhäusern abspielte. Warum war deine Vision am Anfang so schwer zu vermitteln?
Turi: Ganz so schwer war es nicht. Günther Kress sagte zwar: “Ich habe niemals was verschenkt”, aber mein Partner Thomas Wengenroth war schnell überzeugt, als ich an “Focus” und “TV Spielfilm” je einen Banner für 2.000 Mark im Monat verkauft hatte. Mit den 4.000 Mark konnten wir unseren Volontär Thomas Kemmerer bezahlen, der die ersten kress.de-Jahre geprägt hat.
Oberauer: Mit “kress Köpfe” hast du damals gleich ein zweites großartiges Projekt an den Start gebracht. Ein Vorläufer von Linked-in, könnte man heute sagen. Warum habt ihr diese Köpfe-Idee nicht aggressiver weiterentwickelt? Du hättest ein Welt-Projekt daraus machen können.
Turi: Ich bin 2000 bei Kress raus mit der Köpfe-Datenbank als Abfindung, plus 1,5 Millionen Mark. Ich wollte die deutschen Verlage hinter einer neuartigen Suchmaschine namens Internet123 vereinen und ihnen die Köpfe als Tool für Community-Building vermitteln. Hat offensichtlich nicht geklappt.
Oberauer: Noch immer melden sich jährlich mehr als 3.000 Köpfe bei kress.de an. In dieser Woche unter anderem ein Geschäftsführer eines Medienhauses, ein leitender Redakteur bei Radio Bremen, eine Managing Partnerin bei einem IT-Unternehmen. Hast du eine Erklärung? Erfüllt auch Linked-in nicht alle Bedürfnisse?
Turi: Vereinfacht ausgedrückt erntest du die Früchte, die Thomas Wengenroth und ich 1996 gesät haben. Dadurch, dass die “kress Köpfe” zwei Jahre vor Google gestartet sind, hat Google sie früh und weit oben indiziert, es lohnt sich also für Medienleute, sich einzutragen und mit einer Art Visitenkarte die Zugehörigkeit zu einer spannenden Branche zu demonstrieren. Du musst dabei als Betreiber natürlich aufpassen, dass die Wichtigtuer, Karteileichen und Verstorbenen nicht überhand nehmen.
Oberauer: Danke für den Hinweis. Die Idee mit den Köpfen hast du bei turi2.de auch übernommen. Gibt es keine neuen Ideen mehr?
Turi: Dirk Manthey hat mir mal gesagt: “Der Täter kehrt immer an den Ort seines Verbrechens zurück.” Und zu viel mehr, als meine eigenen Ideen zu klauen, reicht es bei mir mit 60 nicht mehr. Allerdings setzen wir bei turi2.de/koepfe auf ein etwas anderes Konzept: Hier kann sich niemand selbst eintragen, wir nehmen jeden Tag nur einen einzigen Kopf neu auf und stellen ihn den 20.000 Menschen vor, die täglich die News von turi2 lesen. Außerdem darf der Kopf im Video-Fragebogen die berühmten sieben Fragen beantworten von “Das wollte ich als Kind werden” bis “Das möchte ich am Tag meiner Beerdigung nicht hören”. Da fällt mir ein: Bist du eigentlich schon ein turi2-Kopf, Hans?
Oberauer: Nein. Muss ich das?
Turi: Das solltest du, denn bei Google rangiert ein Eintrag bei den Turi-Köpfen inzwischen weit über den Kress-Köpfen. Weißt du warum? Weil wir YouTube-Videos integriert haben und Google YouTube-Videos liebt. Google liebt auch gut gepflegte und strukturierte Einträge mit nützlichen Links nach außen.
Oberauer: Also Peter, Trommeln gehört bekanntlich zu unserem Geschäft, aber übertreib es jetzt bitte nicht. Du hast mit Stand heute 677 Köpfe, “kress Köpfe” hat 30.000 Einträge. Lass uns also diese Diskussion weiterführen, wenn du 1.000 erreicht hast.
Turi: Was nützt “kress Köpfe” mir als Nutzer, wenn dort Julia Jäkel noch CEO von Gruner + Jahr ist, Marion Horn Chefredakteurin von “Bild am Sonntag” und Donata Hopfen Vorsitzende der Verlagsgeschäftsführung Bild-Gruppe? Das Problem mit den Job-Wechseln konnten wir bei kress schon 1999 nicht lösen. Mit ein Grund, warum ich jetzt auf Qualität statt Quantität setze.
Oberauer: Mit der Gründung von kress.de warst du in der Branche für viele ein Vorbild. Wie zufrieden bist du mit dem, was du da in Gang gesetzt hast, auch in anderen Häusern?
Turi: Ich hab nix in Gang gesetzt. Ich war zufällig der Erste, der in Deutschland einen täglichen Branchendienst publiziert hat, der ein Köpfeverzeichnis ins Netz gestellt hat und der jeden Morgen um 5 aufgestanden ist, um einen Morgennewsletter zu publizieren. Mir passiert das, was der Historiker Sebastian Haffner über Politiker schreibt: “Sie kennen nicht das ganze Stück, in dem sie ihren kurzen Auftritt haben.” Ich bin in die Mediengeschichte eher so reingestolpert – als eine Art Forrest Gump der Branche.
Oberauer: Wir sind uns mal beim Geld fast in den Haaren gelegen: Du wolltest partout deinen Online-Leserinnen und Lesern alles gratis anbieten, ich verfolgte die Idee, von den Nutzern entweder Geld zu nehmen oder sie zumindest mit Job-Anzeigen zu beliefern. Wie ist dein Zugang heute? Nur weil es digital ist, muss es doch nicht gratis sein?
Turi: Hans, wie könnten wir uns in die Haare geraten, wo wir beiden Bauernsöhne doch unsere eigenen kleinen Äcker bestellen? Ich setze wie schon bei der Gründung von kress.de vor 25 Jahren auf eine offene Community. Du machst in Paid Content und Preisverleihungen. Ich bewundere die Konsequenz, mit der du dein Geschäftsmodell durchziehst: Wie du deine Partner mit Medienpreisen überhäufst und so ihr Herz und ihre Brieftaschen öffnest. Und die Energie, mit der 84-Seiten-Blättchen für 35 Euro zuzüglich Versandkosten verkaufst – großes Kino! Für mich bist du der allerbeste Fachverleger der alten Schule.
Oberauer: Ich hatte jetzt schon Sorge, du hättest deine feine Klinge vergessen und wir würden unser Publikum nur mit Nettigkeiten langweilen. Peter, wir kennen uns nun schon lange und trotzdem bin ich mir bei dir nicht sicher: Bist du ein Visionär, ein Pionier, ein Treiber oder ein Getriebener?
Turi: Ein Vorausdenker. Mit der Überzeugung: Die Idee geht der Wirklichkeit voran.
Oberauer: Hast du eine Mission?
Turi: Auf den Mars will ich jedenfalls nicht.
Oberauer: Ich staune immer wieder über deine Leidenschaft und deine Begeisterungsfähigkeit. Zuletzt als du dich bei Clubhouse engagiert hast. Wie schätzt du Clubhouse ein? Ist das Thema schon wieder durch?
Turi: Clubhouse ist ein Tool, genau wie Twitter Spaces, Webex, Zoom, YouTube oder Instagram – mehr nicht. Nützlich für alle, die ihre Community zum Gespräch einladen. Wir wollen den turi2.de/clubraum mit Audio-, Video- oder Real-Life-Diskussionen ausbauen zur dritten große Bühne neben turi2.de und der turi2 edition. Die Kunst wird sein, die Bühnen in unserem Drei-Sparten-Haus zu einem überzeugenden Gesamterlebnis zu verknüpfen.
Oberauer: Seit ich dich kenne, versuchst du mich für Bewegtbild zu begeistern. Ich bin immer an der Finanzierbarkeit hängengeblieben und bin auch von der Notwendigkeit für uns nicht überzeugt. Braucht ein Branchendienst Bewegtbild? Bietet uns nicht Lesen ganz andere Qualitäten, die wir vielleicht viel zuwenig im Blick haben?
Turi: Brauchen wir Augen, wo wir doch Ohren haben? Stehst du stabil auf deinem linken Bein? Gerade fürs Communitybuildung ist Video mit seiner emotionalen Unmittelbarkeit ungeheuer wichtig. Aber ich will einem Konkurrenten, der du bei aller Freundschaft ja bist, nicht den Glauben nehmen, die Zukunft der Medien läge allein in der Aneinanderreihung von Buchstaben. Was die Finanzierbarkeit angeht: Ich übersetze “kein Geld” gern mit “kein Interesse” oder “keine Idee”.
Oberauer: Für Community-Building nütze ich Kongresse, Tagungen oder Preisverleihungen, also die persönliche Begegnung. Zweifelst du manchmal an dem, was du tust?
Turi: Nicht mehr.
Oberauer: Zuletzt erlebe ich dich immer mit Heike zusammen, deiner Frau, die auch als Herausgeberin der turi2 edition wirkt. Was macht sie anders als du?
Turi: Einiges – und vieles besser. Sie hält zum Beispiel das Geld viel besser zusammen als ich.
Oberauer: Hat sich in der Zusammenarbeit mit ihr auch dein Blick auf die Arbeit verändert?
Turi: Ich arbeite viel weniger – und viel effektiver. Ich wandere jeden Samstag mit ihr vier, fünf Stunden durch Taunus, Hunsrück oder Odenwald. Ich besuche mehr Museen und Theater als früher. Und: Ich trinke viel mehr Kaffee und esse deutlich mehr Kuchen.
Oberauer: Das hört sich gesund und genussvoll an. Ich frage mich oft, ob wir mit dem, was wir tun, die Welt besser oder schlechter machen.
Turi: Wenn ich keine Hoffnung hätte, die Welt zu verbessern, würde ich morgens nicht aufstehen.
Oberauer: Bei Facebook, bei Google, bei Amazon müssen wir uns fragen: Sind wir zu lange digitalgläubig gewesen?
Turi: Ich war nie digitalgläubig, du?
Oberauer: Das fragst du mich?
Turi: Ich bin Jahrgang 1961, für mich war das Internet 1996 wirklich Neuland. Print war immer meine große Liebe und wir haben 2015 die turi2 edition unter dem Motto gestartet: Wo der Alltag digital wird, wächst die Sehnsucht nach analoger Qualität.
Oberauer: Gehört Facebook zerschlagen? Google ebenso?
Turi: Nein, warum? Diese Firmen halten sich an die Gesetze und da arbeiten keine Unmenschen. Die Politik muss den Ordnungsrahmen setzen, die Firmen müssen Steuern zahlen und Verantwortung übernehmen für das, was auf ihren Plattformen passiert. That’s it.
Oberauer: Wenn ich heute in Medienhäuser blicke, erlebe ich weitgehend einen lustvollen Umgang mit der Zukunft. Jeder will schneller, besser sein. Am besten gleich Pionier. Wie ist dein Eindruck?
Turi: Ja, da hat sich viel verändert. 2008 war das noch anders. Da hat mich Stefan von Holtzbrinck, damals noch Verleger vom “Handelsblatt”, eingeladen und gesagt: “Herr Turi, so einen Morgen-Newsletter wie von turi2 brauchen wir für jede Branche: Auto, Energie, Banken und so weiter.” Ich sagte: “Herr von Holtzbrinck, machen Sie mal, dafür brauchen Sie mich nicht. Sie brauchen nur einen Journalisten, der sich auskennt und morgens um 5 aufsteht.” Weißt du, was er geantwortet hat?
Oberauer: Ich war nicht dabei, aber ich habe eine Ahnung. Hat es mit dem Arbeitsrecht zu tun?
Turi: Er sagte: “Herr Turi, Sie unterschätzen die Schwierigkeit, in einem deutschen Verlag einen Journalisten dazu zu bringen, um 5 Uhr morgens aufzustehen.” Der Erste, der das dann gemacht hat, war Gabor Steingart, ein paar Jahre später. Steingart hat den Live-Journalismus, die Morning-Podcast-Show und das Medienschiff erfunden; von daher nennt er sich zu recht “Pionier”. Er ist unter den Journalisten, die bereit sind, morgens um 5 Uhr aufzustehen, der begabteste, ehrgeizigste und selbstbewussteste. Insgesamt fällt auf, dass gelernte Journalisten an der Verlagsspitze mehr bewegen als Betriebswirte.
Oberauer: Den Eindruck habe ich auch. Aber ist das in anderen Branchen nicht ebenso? Medien versuchen reihum ihren Weg in die Zukunft zu finden. Wie weit siehst du uns als Branche dabei? Werden wir jemals von Paid Content leben können?
Turi: Hans, ich werde deine Obsession für Paid Content nie verstehen. Schau, es gibt viele Möglichkeiten, ein Angebot zu refinanzieren: Was ist so schlecht an Anzeigen? Wenn du mit einem geilen Angebot die richtigen Leute erreichst, ist das ein Kinderspiel. Du darfst nur nicht im Mainstream fischen oder das Niveau deiner Zielgruppe zu niedrig ansetzen. Bei turi2 schreiben wir mit 10 Festangestellten und 10 Freien einen siebenstelligen Umsatz und sehr schöne Gewinne – einfach weil die Werbung in der turi2 edition und auf turi2.de so gut funktioniert. Und wenn sie mal nicht funktionieren würde, könnte ich immer noch um Spenden bitten, einen Clubbeitrag erheben oder meine Events sponsern lassen.
Oberauer: Spenden? Da würde ich eher mein Akkordeon packen und unter den Salzburger Dombögen mit aufgestelltem Hut Rosamunde spielen. Das wäre noch immer Bezahlung und hätte nichts mit betteln zu tun, wie ich das inzwischen bei manchen Medien wahrnehme. Wo bleibt unsere Würde?
Turi: Meine Erfahrung seit frühsten kress.de-Tagen ist einfach: Wenn ich eine tolle Community mit einem wirklich nützlichen Angebot erreiche, wird sich eine Finanzierung finden. Ich halte es für einen Kardinalfehler, das alte Modell “Information gegen Geld” ins Digitale retten zu wollen, statt neue Ideen für die Aufmerksamkeitsökonomie zu entwickeln. Dort bezahlt das Publikum mit seiner Aufmerksamkeit – und Firmen, die diese Aufmerksamkeit brauchen, bezahlen die Show.
Oberauer: Wenn das so einfach ist, dann frage ich mich, warum wir einen Wettlauf von Facebook, Google & Co auf der einen Seite und den Gesetzgebern auf der anderen Seite erleben? Zerstören die Großen und hoch Erfolgreichen nicht zumindest das, was wir Wertsystem nennen? Buchst du das unter Kollateralschaden ab?
Turi: Hans, erlaube mir eine persönliche Frage: Gehst du gern auf Parties, wo du für Musik, Essen und Getränke bezahlen musst? Ich fühle mich wohler unter Freunden, die mich einladen, weil sie meine Anwesenheit als Bereicherung sehen. Genau das ist das Konzept von turi2 als Kommunikationsclub. Vielleicht ist das meiner Erziehung und meiner Lebenserfahrung geschuldet, aber mein Motto lautet nunmal: Verschenke viel, erwarte nichts – dann bekommst du alles. Klingt komisch, ist aber so.
Oberauer: Ich gehe auf Parties der Menschen wegen und differenziere nicht, ob ich Eintritt zahle oder nicht. Außerdem lade ich auch gerne ein. Da passiert Begegnung auf Augenhöhe. Erzähl mir jetzt bitte nicht, dass das bei Facebook & Co der Fall ist und nur ich nicht verstehen würde, worum es geht.
Turi: Themenwechsel, bitte! Wir langweilen sonst unser Publikum.
Oberauer: Gern: Aus all deinen Büchern ist mir eine wunderbare Fotostrecke in Erinnerung. Mit dir und Julia Jäkel. Ihr sitzt an der Elbe und blickt in den Fluss. Man sieht dich nur von hinten, Jäkel im Halbprofil. Wie ein Regisseur inszenierst du viele dieser Bilder. Ist das ein Teil des Erfolges deiner Bücher? Werden Fotos wieder wichtiger?
Turi: Wird atmen wieder wichtiger? Bilder sind viel unmittelbarer und emotionaler als Text. Wir geben uns gemeinsam mit den Fotografen Selina Pfrüner, Holger Talinski und Johannes Arlt Mühe, bei jeder Ausgabe den Foto-Etat von 10.000 Euro auch wirklich auszugeben, und sind jedes Mal traurig, wenn wir es nicht schaffen. Jeder Interviewte – egal ob BMW-, Gruner- oder Bosch-CEO – muss mindestens zwei Stunden Zeit für die Fotoproduktion mitbringen. Wir betreiben inzwischen regelrechtes Location-Scouting, planen unsere Bücher Jahre im Voraus. Insgesamt stecken wir unfassbar viel Energie in Konzept, Foto und Text jeder edition, deshalb schaffen wir mit sieben, acht Leuten auch nur drei oder vier Bücher pro Jahr. Am Ende gibt ein Printobjekt nur so viel Energie ab, wie jemand hineingesteckt hast.
Oberauer: Wie gelingt es dir, bei turi2.de junge Menschen anzusprechen – auch mit deinen Büchern?
Turi: Erstmal indem ich keine Paywalls baue! Dann indem wir junge, diverse Stimmen und Perspektiven einbinden ins Gespräch über die Zukunft der Kommunikation. Hochwertige Bücher sind natürlich per se ein bisschen retro – aber retro ist bei klugen jungen Leuten ja schick. Und wer von uns in den Club der wichtigsten 10.000 Meinungsmacherinnen in Deutschland aufgenommen wird und deshalb die turi2 edition kostenlos nach Hause geschickt bekommt, freut sich über diese Geste der Wertschätzung – egal ob jung oder alt. Unter den rund 15.000 Menschen, die jedes Buch als kostenloses E-Paper lesen, sind übrigens überproportional viele junge.
Oberauer: Stecken noch viele Ideen in deinem Kopf, die raus wollen?
Turi: Nur eine: turi2 zum wichtigsten Kommunikationsclub in diesem Lande zu machen. Groucho Marx hat einmal gesagt: “Ich möchte in keinem Club sein, der Leute wie mich aufnimmt.” Wir würden den Spruch gern rumdrehen: “turi2 ist der einzige Club, in dem Leute wie ich sich wohl fühlen.”
Oberauer: Danke Peter. In fünf Jahren wieder? Bei 30 Jahre kress.de und zugleich zu deinem 65. Geburtstag?
Turi: Wenn du dann noch fit bist: gern!