Blattkritik: Oliver Gehrs, Verleger der “Dummy”, über “SZ am Wochenende”.

oliver-gehrs600Oliver Gehrs blättert für turi2 durch die Wochenend-Ausgabe der “Süddeutschen Zeitung”. Im Versuch, sich locker zu machen, zeige die “SZ” Schwächen, findet der Herausgeber des Magazins Dummy – vor allem in der Gestaltung und den Ressorts Gesellschaft und Stil.

Nur mal so ‘ne Frage: Warum muss man eigentlich bei einer Zeitung, die samstags erscheint, SZ am Wochenende drüberschreiben? Der Leser weiß doch, dass das Wochenende begonnen hat – und dass er die SZ in der Hand hält, wird er in den meisten Fällen auch merken. Oder weniger naiv gefragt: Warum muss eine Zeitung, deren normale Ausgaben es von der inhaltlichen Tiefe und Textqualität locker mit Wochenmedien wie dem Spiegel oder der Zeit aufnehmen können, am Wochenende ganz ostentativ auf Wochen(end-)Zeitung machen?

Es ist mit der “SZ am Wochenende” ein bisschen so, wie mit einem grundsoliden, vertrauenswürdigen Menschen, der die Woche über seinen Job mit großer Hingabe versieht, um dann am Wochenende einen auf locker zu machen. Im Fall der SZ heißt das, dass man es grafisch spielerischer angehen lässt und mehr Lifestylethemen ins Blatt nimmt. Blöd nur, dass die SZ zwar alles mögliche hervorragend kann – Recherche, Reportagen, Kommentare –, aber manches eben so gar nicht: zum Beispiel Grafik und Lifestyle.

Wenn sich die Artdirektoren in München locker machen, sieht das so aus, dass sie erst einmal eine Unzahl von Autorenköpfen über das Blatt verteilen. Da gucken dann etliche Redakteure schlecht gezeichnet aus ihren Texten heraus, und die Überlegung, die Artikel mit diesem Trick zu personalisieren, wird schon angesichts der Wahllosigkeit völlig konterkariert. Am Schlimmsten ist die wöchentlich wiederkehrende Großzeichnung von Caroline Emcke, die so marktschreierisch daherkommt, dass man lieber schnell weiterblättert, anstatt die oft klugen Anmerkungen zu lesen.

Wobei der Politikteil am Wochenende neben der Wirtschaft und dem Sport zu den lesenswerten Ressorts gehört, genau wie in der Woche. Nur in der Woche kommt da ja nicht mehr viel. Das allzu bildungsbürgerliche Feuilleton noch und die Bayernseiten, die man als Nicht-Bayer natürlich eh als Zumutung begreift. Am Wochenende aber kommt noch eine ganze Menge, wobei nur der für jeden Leser, der nicht vom Fach ist, völlig unverständlich Buch Zwei getaufte Teil, einen Mehrwert bringt, weil hier Platz für tiefgreifende Analysen oder Recherchen ist.

Dann aber kommen die Ressorts Gesellschaft und Stil, die man zwar den “WamS”-Lesern zumuten darf, aber nicht denen der “SZ”. Denn hier findet so ein Art Irrelevanzwettbewerb statt: Warum gibt es so viele graue Möbel, warum so viele rote Unterhosen, und was machen eigentlich die Paare, die letztens auf Youtube geheiratet haben? Hier ist das überregionale Qualitätsblatt plötzlich auf Privatfernseh- oder “GQ”-Niveau angelangt.

Dabei wird oft ein alter Feuilletonistentrick verwendet, bei dem man eine angeblich drängende Frage mit zwei, drei Federstrichen skizziert, und noch ehe der Leser “Stopp, das stimmt doch so gar nicht” rufen kann, in einem geschwätzigen Artikeln ausgebreitet. “SZ am Wochenende” heißt wohl auch, dass alle, die sonst auf die Qualität von Themen und Texte achten, mal ausspannen dürfen.

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Die Blattkritik erscheint jeden Sonntag bei turi2.de und folgt dem Prinzip des Reigens.

In der Vorwoche hat Stefan Plöchinger, Digitalchef der “Süddeutschen Zeitung”, taz.de kritisiert.

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