“Konzernsprech gehört nicht in ein Unterhaltungsformat” – OMR-Podstars über Podcast-Werbung und Trends für 2024.
5. Dezember 2023
Shopping mit den Ohren: Der erhoffte Boom bei Podcast-Werbung ist 2023 ausgeblieben. Bei der OMR-Podcast-Schmiede Podstars blickt man trotzdem optimistisch ins kommende Jahr. “Es ist ein langanhaltender Trend und kein Hype, der einfach so vorbeigeht”, sagt Geschäftsführer Vincent Kittmann im Interview für die Agenda-Wochen 2024. Er und seine Kollegin Manon Klotz sehen noch Potenzial bei Podcast-Werbeformen abseits der klassischen Host-Reads. Und auch für Podcast-Formate haben die beiden noch ein, zwei Ideen.
Was war die schlechteste Podcast-Werbung, die ihr 2023 gehört habt?
Manon Klotz: Ich habe mehrfach eine sehr, sehr schlechte KI-generierte Ad gehört. Sie war super hakelig und hat überhaupt nicht zum Medium Podcast gepasst. Ich weiß nicht mehr, welche Brand das war – das zeigt, wie schlecht sie war.
Vincent Kittmann: Mir fällt negativ auf, wenn in englischsprachigen Podcasts Werbung auf Deutsch kommt. Das wirkt mitunter sperrig. Ich erinnere mich auch an eine Werbung, die einfach mittendrin abgebrochen ist, weil sie nicht richtig eingestellt war.
Und was war die beste?
Manon Klotz: Ich erinnere mich an eine Host-read Ad in Kaulitz Hills für die Versicherungs-App Clark. Das Storytelling von Bill und Tom Kaulitz war super, denn sie haben es in einen Kontext gebracht, der zuvor schon Thema im Podcast war. Ihr Tour-Equipment wurde geklaut und sie haben beschrieben, wie gut es ist, in so einem Fall mit einem Versicherungsanbieter zusammenzuarbeiten. In dem Roll haben sie noch zusätzliche Infos zu dem Vorfall geliefert, wodurch die Werbung in mehreren Folgen ausgespielt werden konnte und damit zusätzlichen Mehrwert geliefert hat.
Die OMR Podstars
produzieren, publishen und vermarkten seit 2015 von Hamburg aus Podcasts aus verschiedenen Genres. Zu den bekanntesten Eigenformaten gehören der OMR Podcast mit Philipp Westermeyer, der Business-Podcast Fast & Curious mit Lea-Sophie Cramer und Verena Pausder sowie Fussball MML von Micky Beisenherz u.a. Für die Podstars arbeiten rund 90 Angestellte. Vincent Kittmann bildet zusammen mit Constantin Buer und Jasper Ramm die Geschäftsführung. Manon Klotz ist Teamlead Campaign & Partnerships Management.
Laut eurer Podcast-Umfrage sind klassische Host-read Ads die mit Abstand beliebteste Werbeform der Hörerschaft. Ist es auch immer noch das, was Marken wollen?
Vincent Kittmann: Native Ads sind beliebt und zuverlässig erfolgreich, aber nicht immer das, was Marken wollen. Wenn eine Brand beispielsweise eine ganz bestimmte Zielgruppe erreichen will – 35-jährige Männer und Frauen, zwei Kalenderwochen, 500.000 Kontakte – oder eine sehr breite Zielgruppe, ähnlich wie bei TV-Werbung oder OOH, bietet sich auch an, Werbung programmatisch über mehrere Podcasts auszuspielen. Das Wording ist dann immer gleich und wird von einer professionellen Sprecherin oder Sprecher eingelesen. Das ist für diejenigen Werbungtreibenden von Vorteil, die die komplette Kontrolle über die Ad haben wollen und vielleicht etwas konservativer sind oder sich in einem engeren gesetzlichen Rahmen bewegen, wie Banken oder klassische Finanzdienstleister.
Manon Klotz: Podcaster*innen können oder wollen die Werbebotschaft nicht immer eins zu eins im jeweiligen Konzernsprech rüberbringen, weil es dann nicht mehr authentisch wirkt.
Vincent Kittmann: Auch die Podcaster*innen selbst wollen manchmal keine Werbung vorlesen, beispielsweise in journalistischen Podcasts. In diesem Fall bieten sich Producer-Reads oder Audio-Spots an.
Formate in der Podcast-Werbung:
– Host-read Ads: diese Native Ads werden von den Podcasterinnen persönlich eingesprochen. Sie basieren auf einem Briefing des Werbekunden, sind aber meist mit persönlichen Anekdoten angereichert. Es ist die verbreitetste Werbeform in Podcasts
– Producer-read Ads: werden von einer professionellen Drittstimme eingelesen. Sie werden entweder für ein bestimmtes Format oder für eine Reihe von Podcasts mit ähnlicher Stimmung produziert. Producer-Reads hört man beispielsweise in Spotify Originals wie “Fest & Flauschig” und “Gemischtes Hack”.
– Audio-Spots: ähneln klassischer Radio-Werbung. Sie werden vom Werbekunden vorproduziert und können dadurch in einer Vielzahl von Formaten ausgespielt werden. Allerdings sind sie die unbeliebteste Werbeform unter der Hörerschaft
Wie überzeugt ihr Marken davon, die bei der Hörerschaft “unbeliebtere” Werbeform der Audio-Spots zu wählen?
Manon Klotz: Ich gehe davon aus, dass Audio-Spots in Podcasts in den nächsten Jahren bei der Werbeakzeptanz zulegen. Nicht zuletzt ist es auch eine Zeit- und Kostenfrage. Ein Audio-Spot in der Channel-Vermarktung ist günstiger als eine Host-read Ad, weil weniger individuelle Briefings angelegt werden müssen und es weniger Freigabeschleifen gibt.
Vincent Kittmann: Bei Native Ads haben wir einen mittleren bis hohen zweistelligen Tausend-Kontakt-Preis (TKP), manchmal auch dreistellig. Bei Producer-Reads und Audio-Ads liegen wir teilweise deutlich darunter, sind aber immer noch zweistellig. Zum Vergleich: Bei Radio-TKPs sind es teilweise nur 2, 3 Euro.
Wird Podcast-Werbung in Zukunft immer mehr automatisiert?
Vincent Kittmann: Der Markt bietet hier noch großes Wachstumspotenzial. In den USA werden rund 43 % der Podcast-Ads programmatisch ausgespielt, in Deutschland sind es weniger als 5 %. Der amerikanische Markt ist uns immer ein paar Jahre voraus. Mittlerweile haben es Werbungtreibende – und Podcaster*innen – aber auch hierzulande verstanden, welchen Wert diese Werbeform hat.
2022 lagen die Nettowerbeerlöse von Podcast-Werbung laut Bundesverband Digitale Wirtschaft bei 38 Mio Euro, 2023 sollen es 42 Mio Euro sein. Nicht unbedingt der Boom, den viele vorhergesagt haben, oder?
Vincent Kittmann: Die Tausend-Kontakt-Preise sind 2023 durch die Krisen etwas zurückgegangen. Aber es ist ein gutes Zeichen, dass es trotzdem immer noch ein leichtes Wachstum gibt. Es ist ein langanhaltender Trend und kein Hype, der einfach so vorbeigeht, wie bei Clubhouse – also ein gesundes Wachstum. Aber klar, in Sachen Werbespendings können Podcasts beispielsweise nicht mit TikTok mithalten. Prinzipiell gehen wir 2024 von einem Wachstum aus, wie stark die Erholung sein wird, kann man schwer vorhersagen.
Podcast-Marken wie die Online-Drogerie Koro oder das Steuertool Taxfix kennt man. Welche Produktsparte hat das Potenzial Podcast noch nicht genügend ausgeschöpft?
Vincent Kittmann: FMCG-Werbung hört man selten, also Werbung für klassische Konsumgüter, die meistens im TV oder mit Aufstellern im Supermarkt beworben werden, wie neue Pizzasorten oder ein neues Shampoo. Hier bietet sich an, eine lokale Aussteuerung über Podcasts auszuprobieren, zum Beispiel für eine lokale Brauerei, die eine bestimmte Sorte bewerben will.
Wie sieht denn die perfekte Podcast-Werbung für 2024 aus?
Manon Klotz: Die Stimmung der Werbung muss zum Format passen, egal ob witzig oder ernst. Das gilt vor allem für Producer-Reads, Voice-Talent-Ads und KI-generierte Ads. Hier muss auch die Ansprache passen: Wenn die Hosts sich duzen, sollte in der Roll nicht gesiezt werden. Konzernsprech gehört nicht in ein Unterhaltungs- oder Gen-Z-Format. Bei Host-read Ads ist das Storytelling wichtig, eigene Anekdoten zum Produkt sind immer erfolgreich. 30 bis 90 Sekunden Länge sind perfekt.
Ihr seid nicht nur Vermarkter, sondern produziert auch eigene Podcasts. Welches Learning bei den Inhalten nehmt ihr aus 2023 mit? Und was sind die Podcast-Trends für 2024?
Vincent Kittmann: Wir sind super happy mit dem Storytelling-Format Rabbit Hole: Die Samwer-Story und dem True-Crime-Podcast Wo ist Lars?. Bei interaktiven Show-Formaten wie 1 auf die Ohren und fiktiven Formaten, ähnlich wie Hörbücher, sehe ich noch großes Potenzial – das braucht aber noch ein bisschen.
Manon Klotz: Interaktion und Community-Engagement nehmen eine immer wichtigere Rolle ein, also dass Podcaster*innen zum Beispiel Fragen der Hörer*innen beantworten oder bei Spotify eine Umfrage zur Podcast-Folge gestartet wird.
Vincent Kittmann: Talk-Kombinationen aus zwei interessanten Personen sind aber noch immer das Erfolgsrezept. Joko Winterscheidt mit Sophie Passmann, Gregor Gysi mit Karl-Theodor zu Guttenberg – vor zwei Jahren hätte ich gefragt, ob der Podcast-Markt solche Duos noch braucht. Aber wie man sieht, finden sie noch immer ihre Zielgruppe.
Stichwort Gysi gegen Guttenberg: Entdecken die Boomer jetzt so langsam das Medium Podcast? Und was lockt die ältere Hörerschaft an?
Vincent Kittmann: Sie hören gerne Personen zu, die sie aus dem Fernsehen kennen, sei es Tim Mälzer, Oliver Kalkofe oder Markus Lanz. Podcasts sind an sich ein super Medium für ältere Hörer*innen, weil sie einfach zu konsumieren sind. Aber es ist ein langsamer Prozess, wir erwarten keinen Hockey-Stick innerhalb des kommenden Jahres.
Wer sollte 2024 unbedingt einen Podcast starten – mal abgesehen von Angela Merkel?
Manon Klotz: Ich höre gerne Begleitmaterial zu Serien und Filmen, wie zum Beispiel “Sex and The City”. Im Podcast-Trend-Report von Spotify habe ich gelesen, dass kulturelle Ereignisse häufig zu einem Anstieg von Podcast-Konsum führen – sei es die Met Gala, der “Barbie”-Film oder Beyoncés Renaissance-Tour. Die Menschen wollen mehr Infos zu diesen Events oder den Personen dahinter. In diesem Genre scheint also noch weitaus mehr Potenzial zu stecken. Um beim Thema Popkultur zu bleiben: Ich schätze, dass ein Podcast mit Hailey und Justin Bieber extrem erfolgreich wäre. Ich würde mir ihn definitiv anhören. Meine persönliche Wahl würde auf einen Podcast mit Chimamanda Ngozi Adichie fallen, einer großartigen Schriftstellerin und Feministin, die viele schlaue Dinge zu sagen hat.
Vincent Kittmann: Ich sehe generell in dem Bereich Podcast von Musiker*innen und über Musik noch viel Potenzial. Passenderweise hat RAF Camora im “OMR Podcast” angekündigt, bald einen Podcast machen zu wollen. Wir schauen mal, was daraus wird!
Dieses Interview ist Teil der Agenda-Wochen 2024. Bis 17. Dezember blickt turi2 in Interviews, Podcasts und Gastbeiträgen zurück auf 2023 und voraus auf 2024.