Doof gelaufen: Für diese Menschen und Marken aus Medien, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ging es auf der Karriereleiter 2023 teils richtig weit nach unten. Mal wegen falscher Entscheidungen, mal wegen seltsamer Auffassungen von Gut und Böse. Mal fehlte das Publikum, mal der gesunde Menschenverstand. Dabei stolperten sie alle über ganz unterschiedliche Dinge, von Hundekot bis Bier-Werbung. Dieser Beitrag ist Teil der Agenda-Wochen 2024.
1. René Benko
Der Immobilien- und Einzelhandelsunternehmer verabschiedet sich von der Spitze seiner Signa Holding, die in der Insolvenz steckt. Steigende Zinsen und sinkende Immobilienpreise lassen die Gruppe abstürzen. Die ohnehin schon gebeutelte Kaufhaus-Kette Galeria Karstadt Kaufhof, weitere Firmentöchter und etliche Bestlage-Projekte wie der Hamburger Elbtower geraten mit in Schieflage. Die deutschen Innenstädte drohen weiter auszusterben.
2. Bud Light
Die US-Biermarke wirbt die trans Influencerin Dylan Mulvaney für einen Sponsored Post an. Nach Boykott-Aufrufen von Rechten duckt sich die dahinterstehende Brauerei Anheuser-Busch weg und lässt Mulvaney sitzen. Die berichtet von Hass und Verfolgung. Dass Budweiser den größten Wertverlust aller Marken im Interbrand-Ranking hinnehmen muss, ist da redlich verdient.
3. Nancy Faeser
Quasi nebenberuflich will die SPD-Innenministerin der CDU um Boris Rhein die Wiesbadener Staatskanzlei abjagen und scheitert mit Pauken und Trompeten. Auf Bundesebene dürfte Nancy Faeser die Absetzung des BSI-Chefs Arne Schönbohm nach Vorwürfen im “ZDF Magazin Royale” Ende 2022 wohl noch über das Jahr 2023 hinaus verfolgen.
4. Sam Bankman Fried
Der Gründer der Ende 2022 insolvent gegangenen Kryptobörse FTX fällt tief. Der Prozess gegen den einstigen Krypto-König ist eine Schlammschlacht: Er wird des Finanzbetrugs und der Geldwäsche für schuldig befunden. Nun drohen bis zu 110 Jahre Haft. Promis wie Tom Brady, die einst für FTX getrommelt hatten, dürften sich wünschen, dass es nun ruhiger um SBF wird.
5. Maurice Gajda
Der RTL-Reporter will einen rassistischen Tweet von Ex-AfD-Chefin Frauke Petry gesehen haben, findet ihn aber nicht. Also baut er das Ganze für einen Beitrag nach. RTL macht Schluss mit ihm, Petry mahnt ab. Dabei ist die Aktion von vornherein reichlich unnötig: Auf X steht so viel Stuss, dass wirklich keiner peinliche Posts nachbauen muss.
6. Marco Goecke
So viele Schlagzeilen wie 2023 hat die Staatsoper Hannover noch nie produziert. Der Balletchef beschmiert eine ihm missliebige Journalistin mit Hundekot und muss nach langem Hin und Her gehen. Der wohl absurdeste Angriff auf die Pressefreiheit seit Langem.
7. Gott
Die Katholische Kirche verliert 2022 so viele Mitglieder wie nie, bei der Evangelischen sieht es nur unwesentlich besser aus. Gerade einmal 6 % der Deutschen praktizieren ihren Glauben überhaupt noch. “Seid fruchtbar und mehret euch”? Für die Kirche geht diese Rechnung in Deutschland nicht mehr auf.
8. Karl Lauterbach
Die Pandemie ist zu Ende, bei Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist trotzdem alles andere als heile Welt. Die Apotheken laufen Sturm wegen Versorgungslücken, das kontrollierte Kliniksterben steht in der Kritik und die Menschen spüren den Ärztemangel. Da löst auch die zähe Cannabis-Legalisierung keine Party-Stimmung mehr aus.
9. Die Linke
Nach dem Austritt einer ihrer wenigen Galionsfiguren und mehreren Mitzüglerinnen verliert die Partei im Bundestag den Fraktionsstatus. Auch wenn Genossin Sahra die Linken zuletzt eher geknechtet hat, erscheint ihr Abgang nicht als Befreiungsschlag. Die Partei gewinnt neue Mitglieder, trotzdem kriselt es: Bei allen Landtagswahlen verliert sie 2023 Wählerstimmen.
10. Looping Group
Plot Twist: Die Agenturgruppe um den ehemaligen “stern”-Chefredakteur Dominik Wichmann verpasst ihrer eigenen Geschichte einen unerwarteten Dreh und stellt 2023 Insolvenzantrag. Querelen mit der Agentur von Großkunde BMW und Kündigungen sowie angeblich nicht gezahlte Rentenbeiträge im Londoner Büro fahren den Laden in die Schlagzeilen. Ein möglicher Verkauf muss zeigen, ob Looping noch die Kurve kriegt.
11. Sigrid Nikutta
Als BVG-Chefin startet die Managerin einst richtig durch, auch dank kluger Selbstvermarktung. Damit gewinnt sie 2023 den German Diversity Award. Die seit 2020 von ihr gemanagte Gütersparte der Deutschen Bahn bleibt derweil mit roten Zahlen ein Sorgenkind. Nun muss Sigrid Nikutta bei DB Cargo statt großer Visionen unangenehme Sparmaßnahmen verkaufen.
12. Gil Ofarim
Via Instagram macht der Sänger 2021 einen vermeintlichen antisemitischen Vorfall in einem Hotel in Leipzig öffentlich. Die Staatsanwaltschaft zweifelt an seiner Version. Im Verleumdungsprozess bekennt Ofarim sich 2023 schuldig, gelogen zu haben. Der Zentralrat der Juden sagt es am treffendsten: “Gil Ofarim hat all denen, die tatsächlich von Antisemitismus betroffen sind, großen Schaden zugefügt.”
13. Malcolm Ohanwe
Nach dem Überfall der Hamas auf Israel äußert der Journalist Verständnis für den grausamen Terrorakt. Ehemalige Auftraggeber wie Arte und der BR machen daraufhin sehr deutlich, dass sie nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten werden. Malcolm ist jetzt out of the middle, in der er wohl nie war.
14. Postbank
Die Marke macht mit miesem Service von sich reden. Die IT-Probleme sind so massiv, dass sich der Chef der Mutter Deutsche Bank öffentlich dafür entschuldigt. Fast die Hälfte der insgesamt 550 Filialen sollen in den nächsten zweieinhalb Jahren dichtmachen. Paketversand und Briefmarkenkauf sollen aus weiteren 100 Standorten verschwinden. So verliert der Markenname seinen Witz.
15. Richard David Precht
Im ZDF-Podcast mit Markus Lanz haut der Philosoph Aussagen zu orthodoxen Juden raus, die Antisemitismus-Vorwürfe nach sich ziehen. Richard David Precht entschuldigt sich mehrfach, eine Honorarprofessur in Lüneburg legt er nach Protesten der Studis nieder. Um es mit Sokrates zu sagen: Am klügsten sind die, die wissen, was sie nicht wissen.
16. Rammstein
Presserechtlich lässt sich allenfalls ein Zwischenfazit ziehen. Außerhalb des Gerichtssaals und der treuen Fanbase haben die Meldungen über ein Casting-System für Frauen die ohnehin polarisierende Band und ihren Frontmann Till Lindemann allerdings nicht gerade sympathischer gemacht.
17. Til Schweiger
Getuschelt wurde über seinen Alkoholkonsum schon lange. Die Schikane- und Gewaltvorwürfe waren neu. Dem “stern” gesteht der Schauspieler und Regisseur im Herbst, den Herstellungsleiter des Films “Manta, Manta 2“ alkoholisiert geohrfeigt zu haben. “Eine Katastrophe”, für die sich Schweiger “heute noch schäme”. Er sei nun in Therapie.
18. Hubert Seipel
600.000 Euro “Sponsoring” von einem Putin-nahen Oligarchen legen andere Einkommensquellen trocken. Der NDR lässt Seipels Filme u.a. von Ex-“Spiegel”-Chef Steffen Klusmann checken, das Grimme-Institut prüft seine Preisvergabe, das Netzwerk Recherche will Seipel loswerden, Hoffmann und Campe stellt den Buchverkauf ein. Aua.
19. Greta Thunberg
Jahrelang versuchen viele, die Aktivistin zu diskreditieren. Das schafft die Schwedin nun selbst, indem sie sich im Krieg zwischen Hamas und Israel einseitig mit Palästina solidarisiert. Der Keil bei Fridays For Future ist da, der deutsche Ableger geht auf Abstand und leckt seine Wunden.
20. X
Zur einstigen Zwitscherbude scheint alles gesagt: Milliardengrab von Elon Musk, Werbegeld-Wüste. Die Kommunikationsbubble bleibt der Plattform oft in nüchterner Trägheit treu, während ihr Besitzer Verschwörungen und Hass teilt. Ein Konkurrenz-Check (Elefant oder Blauer Himmel) klingt nach einem guten Vorsatz für 2024.
21. Cawa Younosi
Sein Image als Karriere-Macher pflegt der damalige SAP-Mann sorgsam in Interviews und bei Linked-in. Das abrupte Ende der Aufstiegsstory vom Geflüchteten zum Kioskbetreiber zum Vorzeige-Personaler bringt anscheinend eine interne Untersuchung. Das “Manager Magazin” berichtet darüber. Bei SAP arbeitet Cawa Younosi nicht mehr.
22. Zeitschriften
Sie sind der Dauerbrenner unter den Verlierern: Für viele Magazine wird die Luft auch 2023 dünner – und mit ihr Erscheinungsfrequenz und Umfang. Klambts “Grazia” kommt nur noch alle zwei Wochen, die “Glamour” von Condé Nast nur noch quartalsweise. Ganz verschwinden u.a. “Shape”, “Joy” – und natürlich etliche Titel von Gruner + Jahr.
23. Zervakis & Opdenhövel
2021 wirbt ProSieben die beiden wichtigen ARD-Promis ab. Anfangs bespielt das Duo zwei Stunden die Primetime, zuletzt laufen nur noch 45 Minuten – nach “TV Total”. Ende 2023 ist nach 77 Folgen Schluss. Unterföhring macht zwar wieder selbst News, die Info-Offensive scheint trotzdem gebremst – Linda Zervakis und Matthias Opdenhövel brauchen neue Formate.
Dieser Beitrag ist Teil der Agenda-Wochen 2024. Bis 17. Dezember blickt turi2 in Interviews, Podcasts und Gastbeiträgen zurück auf 2023 und voraus auf 2024.