Spiel, Satz, Sieg: Die einen unterhalten und inspirieren. Andere finden zur richtigen Zeit die richtigen Worte. Alle beeinflussen, wie wir leben, arbeiten und auf die Welt blicken. Hier sind 23 Menschen, Marken und Trends, die 2023 Karriere gemacht haben – in Medien, Politik, Wirtschaft und Showbusiness. Dieser Beitrag ist Teil der Agenda-Wochen 2024. Bis 17. Dezember blickt turi2 in Interviews, Podcasts und Gastbeiträgen zurück auf 2023 und voraus auf 2024.
1. A24
Mit Everything Everywhere All At Once erreicht die Erfolgsstory der US-Produktionsfirma bei den Oscars 2023 ihren vorläufigen Höhepunkt. Der irrsinnige Streifen gewinnt siebenfach, u.a. in der Königsdisziplin “Bester Film”. Im Innovationsvakuum der großen Studios ist A24 das Gütesiegel im Independent- und Genre-Kino.
2. Sam Altman
Der OpenAI-CEO wird dank ChatGPT-Durchbruch zum KI-Posterboy, jettet um die Welt und trifft Staatenlenker wie Emmanuel Macron. Als der Verwaltungsrat ihn Ende 2023 überraschend entlässt, droht fast die ganze Belegschaft, zu kündigen und ihm zu folgen. Altman bekommt seinen Job wieder. Künstlich ist diese Liebe wohl nicht.
3. Jacinda Ardern
Im Ausland war die einstige neuseeländische Premierministerin immer ein Politik-Star. Im Inland schwindet die “Jacindamania” in ihrer zweiten Amtszeit. Doch ihr vorzeitiger Absprung Anfang 2023 gerät dank hervorragender Kommunikation zum Meisterstück. Mittlerweile hat König Charles sie geadelt.
4. Augenklappe
Spätestens seit dem Gerichtsprozess zwischen Johnny Depp und Amber Heard sind Piraten popkulturell unsexy, auch parteipolitisch reißen sie nicht mehr viel. Trendbewusst stürzt sich Jogger-Kanzler Olaf Scholz in diese Marktlücke und fordert danach selbstironisch den Spott zum Schaden. Pardon, aber man muss es so sagen: Klappt!
5. Christiane Benner
Was lange währt: Erstmals in 132 Jahren wählt die größte Arbeitnehmervertretung der Welt, IG Metall, eine Frau zur ersten Vorsitzenden. Sie erhält 96,4 % der Stimmen. Die studierte Soziologin trägt jetzt die Verantwortung für mehr als 2 Mio Mitglieder – und wird deshalb zurecht als mächtigste Frau Deutschlands gehandelt.
6. Julia Bönisch
Nach einem kritischen Text im “Journalist” 2019 und ihrem darauffolgenden, turbulenten Abgang bei der “Süddeutschen Zeitung” ist Julia Bönisch wieder oben angekommen. Als erste Vorständin der Stiftung Warentest verantwortet sie ab 2024 das wohl bekannteste Qualitätssiegel Deutschlands.
7. Brandbriefe
Krisenzeiten verlangen Krisenkommunikation. Besonders Personal in der Medienbranche richtet seinen Ärger gern teilöffentlich nach oben. Bei der “Welt” kritisieren sie die Kommunikation von Mathias Döpfner, die G+J-Redaktionen bitten erfolglos bei Liz Mohn und Christoph Mohn um Schutz. Auch aus der Politik kommen feurige Zeilen – so mancher Brief reitet da schon mal in den falschen Hof.
8. Das Büro
Back to Business-Outfit: Der heimische Schreibtisch hat vielfach ausgedient. Seit es keine Corona-Maßnahmen mehr gibt, verödet das Home Office zusehends. Einer der ganz großen Zurückholer: Amazon. Der Konzern fordert seine Mitarbeitenden 2023 dazu auf, an mindestens drei Tagen wieder vor Ort zu arbeiten. Die protestieren. Es hilft nix, Amazon bleibt bei seiner Entscheidung – und die Jogginghose künftig häufiger im Schrank.
9. “Eltern”
Der Wort und Bild Verlag fusioniert das traditionsreiche Magazin mit dem hauseigenen Titel “Baby und Familie” und legt es als schnieken “Apotheken Umschau”-Ableger neben “Medizini” und Co vor die Pharma-Verkaufstische. Mit einer Verzehnfachung der Auflage auf 500.000 wohl das dickste Upgrade für eine Marke aus dem geschrumpften G+J-Kosmos.
10. Anna Ermakova
Die Tochter von Ex-Knasti Boris Becker löst sich 2023 final von ihren schlagzeilenträchtigen Wurzeln. Die RTL-Show “Let’s Dance” gewinnt sie mit einer Rekordpunktzahl – die Klatschpresse feiert Ermakova als braves, freundliches Gegenstück zu ihrem unartigen Vater. Da sieht RTL Potenzial für Familien-Unterhaltung und setzt die 23-Jährige 2024 neben Dieter Bohlen in die “Supertalent”-Jury.
11. Die Kaulitz-Brüder
Die Ehe mit Heidi Klum befördert Tom Kaulitz und seinen Zwillingsbruder Bill auf die ganz großen roten Teppiche und mitten rein in den ProSieben-Kosmos. Bei “The Voice” sind sie TV-Talent-Ausbilder, mit ihrer Band Tokio Hotel stehen sie wieder auf der Bühne. In die Hamburger Elbphilharmonie spült sie aber nicht der “Monsun”, sondern eine Live-Aufnahme ihres Podcasts “Kaulitz Hills”. Entertainment-Klaviatur durchgespielt.
12. Mattel
Ist der “Barbie”-Film nun ein empowerndes Popkultur-Statement oder die perfide Läuterung eines den Feminismus kommerzialisierenden Großkonzerns? In jedem Fall ist er der Talk of the Town des Sommers und bringt Mattel einen netten Umsatzschub sowie ein plötzlich lässiges Markenimage. Und das ist auf Dauer wohl einiges wert.
13. Mai Thi Nguyen-Kim
Kurz nach der Geburt ihres zweiten Kindes und dem Ende ihres erfolgreichen YouTube-Kanals liefert Maithink X von Mai Thi Nguyen-Kim eine neue Staffel ab. Als Elternzeitvertreterinnen moderieren Kolleginnen wie Hazel Brugger und Salwa Houmsi. Damit macht die Wissenschaftsjournalistin normal, was im Showgeschäft – erst recht in einer Sendung mit dem eigenen Namen – lange als unmöglich galt.
14. Tijen Onaran
Als Dame fürs Diverse tingelt Tijen Onaran schon seit Jahren durch die Medien. Linked-in feiert sie für Posts, die daran erinnern, dass man zum Business-Meeting natürlich in pinker Hose aufkreuzen kann. Mit Douglas bringt sie ihr Signature-Rot als Lippenstift heraus. Der Investorensessel in der “Höhle der Löwen” trägt Onaran dann endgültig aus der Vielfalts- und Karriere-Bubble zum Mainstream-Publikum.
15. Boris Pistorius
Es ist eine dankbare Aufgabe, einen besseren Verteidigungsminister abzugeben als Pannen-Vorgängerin Christine Lambrecht. Dass Boris Pistorius als Shooting-Star der Bundespolitik nun aber regelmäßig die Beliebtheitsrankings anführt, war ob seiner relativen Unbekanntheit vorab eher nicht zu erwarten. Ampel-Kabbeleien prallen an dem nüchternen Niedersachsen ab.
16. Paul Ronzheimer
Der “Bild”-Vize wird 2023 mit Lob und Ehre überhäuft. Axel Springer nutzt die Gunst der Stunde und macht den Kriegsreporter als “markenübergreifendes journalistisches Gesicht” zur Personen-Marke. Im selbstbetitelten Podcast bleibt Paul Ronzheimer trotzdem Mensch – und geht da hin, wo es brennt. Erst in die Ukraine, Anfang November als erster deutscher Reporter seit dem Hamas-Terror vom 7. Oktober auch nach Gaza.
17. Sebastian Rudolph
Der PR-Spezialist von Volkswagen und Porsche führt die Kommunikation von gleich zwei Dax-Konzernen. Mit Chef Oliver Blume baut Sebastian Rudolph den zuvor von Herbert Diess gepflegten Personenkult in der Kommunikation ab und geht auf die Mitarbeitenden zu: Sie sollen immer vor der Öffentlichkeit Bescheid wissen. Das “PR-Magazin” sieht darin eine “Charmeoffensive in Richtung Belegschaft”, Rudolph dominiert die Sprecher-Rankings 2023.
18. Shahak Shapira
Der Krieg in Nahost kennt nur Verlierer. Vor Ort sterben Tausende Menschen, international stirbt der Diskurs. Trotzdem sagt der israelische Comedian: “Wir müssen lachen”, bringt zu dem Thema nur wenige Tage nach dem Anschlag ein Comedy-Special und positioniert sich als Stimme, die an die Menschlichkeit appelliert. Persönlich hat Shapira 2023 sicher wenig gewonnen, aber er ist ein Gewinn für uns alle.
19. Ski Aggu
Erfolg geht nicht ohne Auffallen. Das schafft der ewig 19-jährige Rapper mit Vokuhila und Skibrille als Erkennungsmarken. Ein Cover von Friesenjung wird zum ganz großen Hit, selbst Original-Interpret Otto Waalkes gibt sich im Video die Ehre. Die Gen Z hat ihren nostalgischen Spaß-Rapper gefunden.
20. Benjamin von Stuckrad-Barre
Auch dank ihm reden alle wochenlang nur über Springer: Zwar bestreitet der Autor, dass sich sein Roman “Noch wach?” an einer fiktiven Version von Julian Reichelt abarbeitet, doch der Ex-”Bild”-Chef schwebt genauso über den Seiten wie Springer-CEO Mathias Döpfner. Promis wie Caren Miosga, Bettina Rust, Joko Winterscheidt und Linda Zervakis werben für das Werk. Der Hype ist perfekt.
21. Taylor Swift
Eine Pop-Ikone ist die US-Amerikanerin nicht erst seit gestern. Doch 2023 wird die Milliardärin ein echter Wirtschaftsfaktor. Ihre Eras-Tour trägt zurückhaltenden Schätzungen zufolge 4,3 Mrd Dollar zum Bruttoinlandsprodukt der USA bei. Ihr Liebesleben dominiert die Klatsch- und Sportpresse. 2024 kommt die Eras-Tour nach Europa.
22. Sebastian Turner
Im Verlagshaus Table Media von Sebastian Turner sprießen die Briefings nur so aus dem Boden, viele gute Leute wollen mitmachen. Chefredakteur Michael Bröcker landet vom Medienschiffer Gabor Steingart an, Bröckers neue Vize, Helene Bubrowski, kommt von der “FAZ”, Geschäftsführer Simon Kretschmer von Correctiv.
23. Kai Wegner
Linksgrünes Berlin? Nun ja: Im Februar holt Kai Wegner dort für die CDU die meisten Stimmen. Nach drei Wahlgängen ist das Rote Rathaus dann seit mehr als 20 Jahren erstmals wieder schwarz. Einmal im Amt, stoppt der neue Regierungschef zeitweilig den Bau neuer Radwege und ätzt gegen’s Gendern. Seine Pfingst-Grüße an “christliche Bürgerinnen und Bürger” zeigen: In der Bundeshauptstadt hat jetzt die CDU das Sagen.
Die Reihenfolge ist alphabetisch – kein Ranking nach Zahlen.
Dieser Beitrag ist Teil der Agenda-Wochen 2024. Bis 17. Dezember blickt turi2 in Interviews, Podcasts und Gastbeiträgen zurück auf 2023 und voraus auf 2024.
Fotos: Picture Alliance / dpa (Karl-Josef Hildenbrand, Kay Nietfeld, Fabian Strauch), SZ Photo (Lukas Barth), HMB Media (Dita Vollmond)