Radio Dreyeckland: Die Razzia in der Redaktion des Freiburger Senders sowie den Wohnungen zweier Mitarbeitern im Januar war rechtswidrig, entscheidet das Landgericht Karlsruhe. Die Durchsuchung habe mehrere Grundrechte wie die Rundfunkfreiheit verletzt, teilt die Gesellschaft für Freiheitsrechte mit, die zusammen mit Radio Dreyeckland geklagt hatte. Anlass der Razzia war ein Online-Artikel, in dem Redakteur Fabian Kienert auf einen Archiv-Beitrag der verbotenen Internetplattform linksunten.indymedia verlinkt hatte. Ein Strafverfahren gegen Kienert selbst läuft weiter.
netzpolitik.org, freiheitsrechte.org
Diplomatischer Zündstoff: Die Polizei Darmstadt hat am Mittwoch zwei Journalisten der türkischen, Erdogan-nahen Zeitung Sabah zeitweise festgenommen. Ihre Privatwohnungen in Mörfelden-Walldorf wurden durchsucht, dabei wurden Speichermedien und weitere Beweismittel sichergestellt. Inzwischen sind beide Männer wieder auf freiem Fuß. Als Grund für die Razzia nennt Staatsanwaltschaft Darmstadt den Verdacht des gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten. "Sabah" hatte im September den Wohnort des im Exil lebenden Investigativjournalisten Cevheri Güven veröffentlicht sowie Bilder von ihm und seinem Wohnhaus gezeigt. Das türkische Außenministerium bestellt als Reaktion auf die Razzia den deutschen Botschafter in Ankara ein und wirft Deutschland vor, die Aktion solle die türkische Presse "einschüchtern und bedrängen". Der DJV fordert von den deutschen Behörden, schnell und umfassend aufzuklären, was genau sie den "Sabah"-Journalisten vorwerfen. "Transparenz ist das einzig wirksame Mittel gegen Erdogans Schimpftiraden", sagt DJV-Chef Frank Überall. (Archivfoto von 2018: Altan Gocher / NurPhoto / Picture Alliance)
fr.de, welt.de, bild.de, djv.de, turi2.de (Background)
Zurecht verlinkt: Die Verlinkung der verbotenen Plattform linksunten.indymedia stellt keine strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung dar, sondern ist Teil der journalistischen Aufgaben, entscheidet das Landgericht Karlsruhe. Eine Anklage der Staatsanwalt gegen einen Redakteur von Radio Dreyeckland lässt das Gericht daher nicht zu. Nach Interpretation der Gesellschaft für Freiheitsrechte war die Durchsuchung von Redaktion und Wohnungen im Januar rechtswidrig. Die Polizei muss angefertigte Kopien der ursprünglich beschlagnahmten Datenträger nun löschen.
netzpolitik.org, golem.de, freiheitsrechte.org, turi2.de (Background)
Anfrage Abgewehrt: Die Bundeswehr muss Presseanfragen dazu, wie die Bundesrepublik verhindern will, im Ukraine-Krieg zur Kriegspartei zu werden, nicht beantworten. Das Verwaltungsgericht Koblenz hat die Klage des freien Journalisten und Friedensaktivisten Hermann Theisen wegen verweigerter Auskünfte zur Ausbildung ukrainischer Soldaten in Rheinland-Pfalz zurückgewiesen. Journalisten hätten lediglich Anspruch auf die Mitteilung von Fakten, so die Begründung.
"epd medien aktuell" vom 16.03.2023 (€)
Abgelehnt: Das Hamburger Landgericht weist eine Klage der Exil-Organisation Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) ab, die per einstweiliger Verfügung gegen mehrerer Abschnitte eines Artikels im "Zeit Magazin" vorgegangen ist. In der Titelgeschichte vom 28. Oktober 2021 berichtete das Magazin über den Verdacht, die Volksmudschahedin hätten in den 90ern Kinder aus Köln als Soldaten in einem Militärcamp im Irak ausgebildet. Der Text darf nun wieder im Original erscheinen.
per Mail, zeit.de (Text)
Maulwurf-Suche: Der Bundestag sucht erneut nach Abgeordneten, die geheime Informationen aus dem Verteidigungsausschuss an die Presse geleakt haben, berichtet The Pioneer. Grund ist ein Bericht im "Spiegel" aus dem Januar, u.a. über Gefallenenzahlen der Ukraine. Bereits im Sommer hatte es Ermittlungen in vier Fällen gegeben.
thepioneer.de (€)
Einblick in den Zensur-Apparat: Ein Datenleck bei der russischen Kommunikationsbehörde Roskomnadsor, kurz RKN, zeichnet ein Bild davon, wie das russische Regime Propaganda im Netz betreibt und nicht linientreue Informationen zensiert. Das Hacker-Kollektiv "Belarusian Cyber-Partisans" hat 1,5 Terabyte Daten erbeutet, die "Süddeutsche Zeitung" und Datenjournalistinnen des russischen Mediums iStories haben sie ausgewertet. Ein Ergebnis dabei: Die russische Zensur kennt keine geografischen Grenzen, auch kritische Posts und Kommentare aus Deutschland versucht RKN mithilfe von KI ausfindig zu machen aus dem Netz zu tilgen. YouTube erweise sich dabei als "besonders unkooperativ". Kritik an Präsident Putin suche eine Software mit Schlüsselwörtern wie "glatzköpfiger Zwerg" oder "Oberster Korruptionsbeauftragter". (Bild: Screenshot "Süddeutsche Zeitung")
sueddeutsche.de (€), t-online.de (Zusammenfassung)
Zahl des Tages: Insgesamt 813 Verstöße gegen die Pressefreiheit zählt der Jahresbericht des Projekts Media Freedom Rapid Response 2022 in Europa, 415 davon in EU-Staaten. Mit 140 gemeldeten Verletzungen der Pressefreiheit entfallen 17,2 % aller Vorfälle auf die Ukraine. In Deutschland gab es dem Bericht nach 87 Verstöße.
faz.net, ecpmf.eu
Radio Dreyeckland legt beim Landgericht Karlsruhe Beschwerde gegen die Durchsuchung der Wohnungen zweiter Mitarbeiter Mitte Januar ein. Notfalls will der linksalternative Sender bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Die Staatsanwaltschaft hat beschlagnahmte Computer, Telefone und USB-Sticks zwar zurückgegeben, die Inhalte zu Auswertung jedoch gespiegelt. Geschäftsführer Michael Menzel glaubt, die Auswertung diene "nur noch der Ausforschung und Einschüchterung". Anlass für die Razzia war ein Link auf ein Archiv der verbotenen linken Webseite linksunten.indymedia.org.
taz.de, nd-aktuell.de, turi2.de (Background)
Deutsche Welle bricht die Produktion der in der arabischen Welt populären Talkshow "JaafarTalk" in Bagdad kurzfristig ab. Grund sind "eindeutige Drohungen" von Behörden gegen Moderator Jaafar Abdul Karim und sein Team. So sei Abdul Karim mitgeteilt worden, dass die Regierung keine Garantien für die Sicherheit der DW-Beschäftigten mehr übernehme. Geplant war eine Sendung zu den Themen Jugendarbeitslosigkeit und Frauenrechte. Die DW legt bei der irakischen Botschaft in Berlin Protest gegen den Umgang mit ihren Mitarbeitenden ein.
dw.com
Russland erklärt das unabhängige kremlkritische Online-Magazin Medusa, das von Lettland aus arbeitet, für "unerwünscht". Neben den Betreiberinnen können damit in Russland auch Journalistinnen der Seite strafrechtlich verfolgt werden. Auch das Teilen von Medusa-Inhalten ist nun verboten – selbst wenn dies schon Jahre zurückliegt. Die Redaktion kündigt an, trotz Angst weiterzumachen.
standard.at, faz.net, meduza.io (FAQ zum Verbot), meduza.io (Reaktion)
Spendet Aufklärung: Der niedersächsische Energieversorger Ewe muss der "taz" Auskunft über seine Spenden- und Sponsoring-Aktivitäten seit 2014 geben, urteilt das Landgericht Oldenburg. "taz"-Redakteur Felix Zimmermann hatte geklagt, weil das Unternehmen die Beantwortung eines Fragenkatalogs dazu verweigert hatte. Es sah sich als nicht auskunftspflichtig. Dieser Einschätzung widerspricht das Gericht, Ewe sei eine Behörde im Sinne des Niedersächsischen Pressegesetzes. Zudem bestehe an der Recherche ein öffentliches Interesse. "Mit dem Urteil hat das Gericht auch die Auskunftsrechte von Journalisten gestärkt", schreibt die "taz" in ihrem Hausblog. Unter Ex-Ewe-Vorstandschef Werner Brinker sollen u.a. Spendengelder versickert sein, sein Nachfolger Matthias Brückmann wurde 2022 wegen Untreue zu einer Haftstrafe verurteilt. (Foto: Soeren Stache / dpa / Picture Alliance)
blogs.taz.de
Warnschuss: Die EU-Kommission droht Tiktok mit einem EU-weiten Verbot, teilt EU-Kommissar Thierry Breton am Donnerstag nach einem Gespräch mit TikTok-Chef Shou Zi Chew mit. Breton habe auf das neue EU-Gesetz über digitale Dienste hingewiesen und mit Nachdruck die Einhaltung europäischer Regeln beim Datenschutz und Urheberrecht gefordert. Es sei unakzeptabel, wenn vor allem junge oft minderjährige Nutzer innerhalb weniger Sekunden zwischen lustigen und gefährlichen oder sogar lebensbedrohlichen Inhalten hin und hergeleitet würden. Breton zeigte sich auch besorgt über den Vorwurf, dass Journalisten via TikTok ausspioniert und Nutzerdaten in Drittstaaten übermittelt werden.
"Wir werden nicht zögern, alle möglichen Sanktionen zu beschließen, wenn Prüfungen nicht die volle Einhaltung erkennen lassen", so Bretons ungewohnt deutliche Warnung an den Chef der besonders bei Jugendlichen beliebten Video-App. Die App steht seit längerem in der Kritik, in puncto Datensicherheit und Nutzerschutz zu nachlässig zu sein. TikTok gehört zum chinesischen Konzern Bytedance und steht deshalb auch immer wieder im Verdacht, chinesischen Behörden Zugriff auf die App zu geben.
sueddeutsche.de, apnews.com, twitter.com
Langer Atem: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entscheidet in einem seit zehn Jahren andauernden Rechtsstreit zwischen Springer und der früheren Geschäftsführerin der Linksfraktion, Ruth Kampa, dass die Verpflichtung zu einer Gegendarstellung nicht die Meinungsfreiheit verletzt, berichtet epd Medien. Die "Welt" hatte 2013 unter dem Titel Die Stasi-Frau an Gysis Seite über Verbindungen von Kampa zur SED geschrieben und sie mit dem Verschwinden von SED-Parteivermögen in Verbindung gebracht. Ihr Anwalt forderte eine Gegendarstellung, die Springer zunächst verweigerte, auf Anordnung des Landgerichts Berlin aber 2014 doch veröffentlichte. 2018 zog der Verlag vor den EGMR, der nun urteilt, dass im konkreten Fall der Eingriff in die freie Meinungsäußerung des Verlags dem Schutz des Ansehens der Klägerin diene.
"epd Medien", Nr. 12a von 17.01.2023 (€)
Radio-Razzia: Der Staatsschutz hat am Dienstag die Geschäftsräume und Wohnungen von zwei Mitarbeitern des links-alternativen freien Senders Radio Dreyeckland in Freiburg durchsucht. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe wirft dem Sender vor, in einem Artikel auf seiner Homepage auf das Archiv von "linksunten.indymedia" verlinkt zu haben. Da die Vereinigung 2017 verboten wurde, bestehe damit der Verdachts "eines Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot", heißt es in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft. Andreas Reimann (Foto), Geschäftsführer von Radio Dreyeckland, berichtet, bei ihm zu Hause seien Geräte und Datenträger sichergestellt worden. In der Redaktion hätten Ermittler Fragen gestellt und Screenshots gemacht. Auch bei Redakteur Fabian Kienert hat morgens die Polizei geklingelt. Er hält das Vorgehen der Ermittler für "unverhältnismäßig". Immerhin sei das Archiv von "linksunten.indymedia" auch durch eine einfache Google-Suche zu finden. Radio Dreyeckland bekam 1988 als erstes freies Radio in Deutschland eine Sendelizenz. (Foto: Philipp von Ditfurth / dpa / Picture Alliance)
swr.de, rdl.de, newsroom.de
Gegenangriff: Der Zeitungsverband BDZV startet gemeinsam mit dem European Centre for Press and Media Freedom in Leipzig das Monitoring "Feindbild Journalist", um Angriffe auf Lokaljournalistinnen zu dokumentieren. Diese seien on- und offline "in dieser Massivität immer noch ein ungewohntes Phänomen", so BDZV-Hauptgeschäftsführerin Sigrun Albert. Die Daten sollen dabei helfen, die Innenministerien und Polizeien der Länder "für die Unterstützung und den Schutz der Mitarbeiter in den Lokalredaktionen zu sensibilisieren". Betroffene Medienschaffende können dafür einen Fragebogen ausfüllen.
presseportal.de
Zahl des Tages: Weltweit 86 Medienschaffende sind 2022 laut Unesco gezielt getötet worden. Von 2019 bis 2021 waren es jeweils 58. Die gefährlichsten Länder für Journalistinnen waren Mexiko, die Ukraine und Haiti. Rund die Hälfte der Getöteten sei zum Zeitpunkt des Angriffs nicht im Dienst gewesen, sondern z.B. auf Reisen, in ihren Wohnungen oder auf öffentlichen Plätzen.
sueddeutsche.de, spiegel.de
Papst-Nachruf: Die Ermittlungen der Berliner Polizei wegen "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" gegen Queer.de "müssen aus formalen Gründen eingestellt werden", twittert Herausgeber Micha Schulze. Grund sei, dass es sich um ein Antragsdelikt handle, "doch alle Antragsberechtigten sind tot". Schulze spricht bei Twitter von einem "Skandal" und einem fahrlässigen Angriff auf die Pressefreiheit. Bei der Staatsanwaltschaft Berlin sei die Akte zu dem Fall jedoch noch nicht eingegangen, sagt ein Pressesprecher dem "Tagesspiegel". Queer.de hatte den an Silvester verstorbenen Papst Benedikt XVI. als "queerfeindlichen Hetzer" bezeichnet.
tagesspiegel.de, twitter.com, turi2.de (Background)
Es ist ein Skandal, dass die Polizei Berlin dies nicht zuerst geprüft hat. Mit ihrer völlig unnötigen Aufforderung an https://t.co/KRz5DnvJur, den*die Autor*in des Benedikt-Nachrufs zu benennen, hat sie fahrlässig die Pressefreiheit angegriffen. (2/3)
— Micha Schulze (@queeriban) January 13, 2023
"Die größte Unsicherheit für Journalist*innen sind unqualifizierte Sicherheitsmitarbeiter von RWE und heiß gemachte Polizeieinheiten, die nach ein, zwei Tagen vor Ort den Frust rauslassen."
DJU-Gewerkschafter Jörg Reichel beklagt im "taz"-Interview die Arbeitsbedingungen für Medienschaffende bei der Räumung von Lützerath. Pressemitteilungen der Polizei hält er für nicht vertrauenswürdig.
taz.de, turi2.de (Background)
Frei, again: Die niederländische Medienaufsicht stattet den kremlkritischen russischen Exil-Sender Doschd mit einer europäischen Sendelizenz aus. So kann das Programm ins Kabelfernsehen zurückkehren. Lettland hatte dem Sender im Dezember die Lizenz entzogen, was u.a. der DJV kritisierte. Anfang März hatte Doschd den Sendebetrieb in Russland einstellen müssen – wegen angeblicher Fake-News über den Ukraine-Krieg.
standard.at, turi2.de (Background)
Iran reagiert auf Karikaturen in der "Charlie Hebdo"-Sonderausgabe zum 8. Jahrestag des Attentats auf die Redaktion. Sie zeigen den obersten geistlichen Führer des Landes, Ali Chamenei. Das Französische Institut für Forschung im Iran soll laut iranischem Außenministerium geschlossen werden. Auch werde der französische Botschafter einbestellt. In den Zeichnungen sieht die Regierung in Teheran eine "Beleidigung der Symbole der Souveränität und nationalen Werte".
tagesschau.de, faz.net, charliehebdo.fr (Sonderausgabe)
Zahl des Tages: Traurige 66 Medienschaffende, davon acht Frauen, sind 2022 weltweit wegen oder bei ihrer Arbeit ums Leben gekommen, zählt das Internationale Presse-Institut in Wien. 2021 lag die Opferzahl noch bei 45. Der Auswertung zufolge ist Mexiko mit 14 Todesfällen das gefährlichste Land für Journalistinnen, gefolgt von Haiti und der Ukraine mit je 8 Toten. Viele Fälle blieben unaufgeklärt, kritisiert das Institut.
zeit.de, ipi.media, turi2.de (Background)
Eigener Geheimdienst? Der Elektro-Autobauer Tesla sucht für seine Gigafactory im brandenburgischen Grünheide einen Security Intelligence Investigator - offiziell u.a. zum Schutz geistigen Eigentums. Die "Märkische Oderzeitung" vermutet hinter der Ausschreibung die Suche nach einer Fachkraft, die Whistleblower aus der eigenen Belegschaft identifizieren und so das Durchstechen interner Infos an Journalisten vermeiden sollen. Der E-Autobauer ist bekannt für seine rigide Informationspolitik und ein entschlossenes Vorgehen gegen kritische Medienberichterstattung.
sueddeutsche.de, moz.de (€)
"In vielen Ländern sind zwar unsere eigenen Plattformen gesperrt, wir erreichen die Menschen aber oft weiterhin über die sozialen Medien. Zum Beispiel die Menschen in Iran über Instagram."
Nadja Scholz, neue Programmdirektorin der Deutschen Welle, erklärt im Interview mit turi2, dass die Reichweite des deutschen Auslandssenders im Iran bei Instagram 2022 um mehr als 400 % gestiegen ist.
turi2.de
David gegen Goliath: Eine Klage der Schweizer Bank Credit Suisse gegen das Finanzblog "Inside Paradeplatz" von Journalist Lukas Hässig (Foto) sorgt für internationales Aufsehen. U.a. die "Financial Times" berichtet über den Fall, bei dem die Bank die Löschung 52 unliebsamer Artikel samt Leserkommentaren und rund 300.000 Euro aus den Gewinnen des Finanz-Portals einklagt. "Inside Paradeplatz" gilt als Enthüllungsplattform für den Schweizer Finanzplatz und ist bekannt für angriffslustige Berichterstattung. Auch Verleger Michael Ringier und Ringier-CEO Marc Walder klagen gegen die Finanz-Plattform.
watson.ch, kress.de, ft.com (€)
"Wir berichten zum Beispiel über gesellschaftliche Tabus, über Korruption oder Umweltkriminalität in unseren Zielländern. Das können Journalistinnen und Journalisten nationaler Medien vielfach gar nicht, ohne sich in Gefahr zu bringen."
Nadja Scholz, neue Programmdirektorin der Deutschen Welle, berichtet im turi2-Interview, dass DW-Medienschaffende ihre Arbeit in einigen Ländern nur unter Pseudonym veröffentlichen können, weil sie staatliche Repressionen für sich oder ihre Familien befürchten müssen.
turi2.de
Viele Regierungen empfinden die DW als bedrohlich: Nadja Scholz über Zensur und Konstruktiven Journalismus.
Probleme und Lösungen: Das Interesse daran, wie Deutschland mit Krieg, Klimakrise und wachsendem Populismus umgeht, ist im Ausland sehr groß, sagt Nadja Scholz. Die neue Programmdirektorin der Deutschen Welle zieht im Interview mit turi2 Chefredakteur Markus Trantow Jahresbilanz. Sie erklärt, dass es die Medienschaffenden des deutschen Auslandssenders vor allem in China, Russland, der Türkei und im Iran in diesem Jahr besonders schwer hatten. Scholz sagt auch, dass der Sender nicht nur Probleme benennt, sondern auch Lösungsansätze liefert, um den Menschen zu zeigen, dass “wir sie nicht mit den Problemen der Welt alleine lassen”. Und sie erklärt, warum TikTok, Instagram und andere soziale Medien für die Arbeit der DW wichtig sind.
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Presse-Unfreiheit: Weltweit sitzen so viele Medienschaffende im Gefängnis wie noch nie, melden Reporter ohne Grenzen. Die Zahl steigt 2022 um 63 auf 533, 78 von ihnen sind Frauen. Mehr als die Hälfte der Betroffenen sitzt in China, Myanmar, Iran, Vietnam oder Belarus ein. 57 Journalisten und Reporterinnen kamen im Kontext ihrer Arbeit ums Leben, 8 von ihnen in der Ukraine. Das gefährlichste Land bleibt Mexiko.
sueddeutsche.de, derstandard.at
Steilvorlage für den Kreml: Der russische Oppositionssender Doschd darf in Lettland nicht mehr senden. Grund für den Entzug der Sendelizenz sind Verstöße gegen das lettische Medienrecht. Der Sender hatte auf einer Karte die Krim als Teil Russlands gezeigt und einen Aufruf zur Unterstützung russischer Soldaten ausgestrahlt. Chefredakteur Tichon Dsjadko entschuldigte sich daraufhin und entließ den zuständigen Mitarbeiter. Doschd musste im März den Sendebetrieb in Russland einstellen und sendet seit einigen Monaten aus Lettland.
tagesschau.de, turi2.de (Background)
No-Protest-Politik: Die chinesische Zensurbehörde weist Tech-Konzerne wie Huawei, TikTok und WeChat an, noch drastischer gegen unliebsame und regierungskritische Inhalte im Netz vorzugehen, berichtet das "Wall Street Journal". Die neuen Richtlinien hätten zum Ziel, die Proteste gegen die umstrittene No-Covid-Politik aus dem Internet zu tilgen. Auch sogenannte VPNs und Suchmaschinen seien massiv eingeschränkt. Huawei greift angeblich besonders stark durch und löscht offenbar automatisiert Protestvideos auf Huawei-Smartphones.
bild.de, wsj.com (€)
Deutsche Welle: Das iranische Regime erhöht den Druck auf Mitarbeitende der Farsi-Redaktion des deutschen Auslandssenders, teilt der Rundfunkrat mit. Iranische Behörden drohten, gegen in Iran lebende Familienangehörige vorzugehen, sollte die kritische Berichterstattung andauern. Der DJV fordert Außenministerin Annalena Baerbock auf, den iranischen Botschafter einzubestellen.
taz.de, djv.de, corporate.dw.com
China hat den BBC-Reporter Edward Lawrence festgenommen und misshandelt – inzwischen ist der Journalist wieder frei. Er war nach eigenen Angaben am Rande der Corona-Proteste für mehrere Stunden festgenommen, getreten und geschlagen worden. Die Behörden behaupten, die Maßnahmen seinen zu Lawrence Schutz vor den Protestierenden erfolgt.
zeit.de
Free Hate Speech? Der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun macht ein Schreiben publik, in dem Twitter behauptet, beim Löschen von Hassposts und Fake-News eine Art Freifahrtschein vom Bundesjustizministerium zu haben. Das Ministerium bestreitet eine solche Absprache. Vielmehr gebe es "eine sogenannte Stillhaltezusage, die das zuständige Bundesjustizministerium gegenüber dem Verwaltungsgericht Köln getätigt habe". Dort klagt Twitter gegen Teile des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes – u.a. gegen die Meldepflicht für illegale Inhalte beim Bundeskriminalamt. Solange diese Entscheidung aussteht, genießt Twitter offenbar eine Art Narrenfreiheit.
Chan-jo Jun vertritt vor dem Landgericht Frankfurt am Main den baden-württembergische Antisemitismusbeauftragten Michael Blume. Der wirft Twitter die Verletzung der eigenen Löschpflichten vor und verlangt, dass die Plattform nicht nur bestimmte Verleumdungen gegen ihn umgehend und dauerhaft löscht, sondern auch ähnliche Hasskommentare erkennt und proaktiv löscht. Elon Musk will eher den umgekehrten Weg gehen und die Sperrung blockierter Twitter-Accounts aufheben.
rnd.de, spiegel.de, handelsblatt.com (Generalamnestie gesperrter Konten)
Transparenz-Stream: Die umstrittene Klimastiftung MV um Stiftungsvorstand Erwin Sellering muss die Namen der Unternehmen nennen, die am Bau der Gas-Pipeline Nord Stream 2 beteiligt waren, entscheidet das Bundesverfassungsgericht. "Bild" und "Welt" hatten geklagt, weil die Stiftung bei der Nennung mauert. Das Landgericht Schwerin und das Oberlandesgericht in Rostock hatten bereits eine Auskunftspflicht der Stiftung festgestellt. Eine Beschwerde dagegen hat das Bundesverfassungsgericht nun abgelehnt.
ndr.de, turi2.de (Background)
Iran: Der in Frankreich lebende, iranische Journalist Vahid Shamsoddinnezhad ist nach acht Wochen gegen Kaution aus der Haft freigelassen worden. Er war mit der Produktionsfirma Keyi Productions im Auftrag von Arte im Einsatz, als er festgenommen und inhaftiert wurde. In einem Prozess muss sich er sich nun zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen erklären.
presseportal.de, arte.tv (Background)
Verbotene Liebe: Die Fifa kündigt nach dem umstrittenen Nein zur "One-Love"-Armbinde das nächste Gaga-Verbot an und ordnet an, dass die belgische Mannschaft einen kleinen "Love"-Schriftzug im Kragen ihrer Trikots entfernt. Weil sportliche Sanktionen drohen, ist der Protest auf dem Platz vorerst abgeblasen. Abseits des Platzes und in den Medien regen sich dagegen Widerstand und Unverständnis darüber, wie leicht die Verbände gegenüber der Fifa eingeknicken: ZDF-Reporterin Claudia Neumann zeigt sich im Fernsehen mit Regenbogen-Shirt, die englische BBC-Moderatorin Alex Scott trug die verbotene "Love"-Armbinde während der Berichterstattung.
ZDF-Moderator Jochen Breyer kritisiert auf Twitter die Verbände: "Ein Zeichen, das man nur dann setzt, wenn man dadurch keinerlei Konsequenzen zu befürchten hat, ist kein Zeichen." Ex-Fußballprofi Thomas Hitzlsperger nennt die Verbote in den "Tagesthemen" eine "Machtdemonstration". Der Druck komme vom WM-Ausrichter Katar. Die Verbände seien auf die Probe gestellt worden, eingeknickt und hätten viele Menschen und Fußballfans damit enttäuscht.
Die "Bild" bezeichnet den DFB als "Einknicker" und den 21. November als "Tag der Schande", an dem die Nationalelf ihre Glaubwürdigkeit verspielt habe. Die "Frankfurter Rundschau" zieht den Vergleich zu den mutigen iranischen Nationalspielern, denen durch den Boykott der eigenen Nationalhymne beim Spiel gegen England wirklich Sanktionen drohen. Die französische "L'Equipe" schreibt: "Diese Geschichte wird Spuren hinterlassen."
sportbuzzer.de (Belgische Nationalmannschaft), sportbuzzer.de (Claudia Neumann), tagesschau.de (Hitzlsperger), sportbuzzer.de (Pressestimmen), turi2.de (Background)
Abgewehrt: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht muss Auskunft darüber geben, wer das Foto ihres Sohnes im Bundeswehr-Hubschrauber gemacht hat. Das Oberlandesgericht Münster hat eine Beschwerde von Lambrecht gegen ein früheres Urteil des Landgerichts Köln zurückgewiesen. Lambrecht verweigerte bisher die Auskunft zum umstrittenen Hubschrauber-Flug mit ihrem Sohn in der Sylt-Affäre mit Verweis auf ihre Privatsphäre.
businessinsider.de, turi2.de (Background)
Hör-Tipp: Hauptstadtbüro-Leiterin des "Spiegel" Melanie Amann spricht im NDR-Podcast "Die Idee" u.a. darüber, wie überrascht sie von der Kampflust von Richard David Precht bei Markus Lanz war. Die Journalismus-Kritik aus dem Precht-Welzer-Buch hält sie zum Teil für widersprüchlich. Zur Stärkung des Bewusstseins für die Probleme im Journalismus hätte es die Kritikschrift aus Sicht von Amann nicht gebraucht.
ndr.de (59-min-Audio)
Lese-Tipp: Die Firma WhiteInt soll im Auftrag Katars in den vergangenen Monaten Kritikerinnen der Fußball-WM in Großbritannien ausspioniert haben. Betroffen seien mehr als 100 Vertreter aus Medien, Politik und Unternehmen, deren E-Mail-Konten gehackt wurden. Das Unternehmen habe im Auftrag von Privatdetekteien gehandelt, die Katar bezahlt hat.
netzpolitik.org
Lese-Tipp: Deutschland stellt künftig die Verharmlosung aller Genozide und Kriegsverbrechen weltweit unter Strafe, beobachtet Ronen Steinke in der "Süddeutschen Zeitung". Staatsanwaltschaften sollen sich demnach "mehr in historische Debatten einmischen als bisher". Von der neuen Strafandrohung könnten auch Äußerungen zu russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine betroffen sein.
sueddeutsche.de
"Wissen ist die Antwort."
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat auf der Frankfurter Buchmesse die Verlagswelt dazu aufgefordert, unermüdlich die Wahrheit über den russischen Angriffskrieg immer wieder neu zu berichten.
hessenschau.de
Schweighaft: Dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern Erwin Sellering drohen 15 Tage Zwangshaft oder ein Bußgeld von 3.000 €. Grund ist die Weigerung, eine Presseanfrage von "Bild" zur Stiftung Klima- und Umweltschutz MV zu beantworten. Sellering ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung, die den Bau der umstrittenen Gas-Pipeline Nord Stream 2 trotz US-Sanktionen vollenden sollte. Das Landgericht Schwerin hatte Sellering im Juli rechtskräftig zur Herausgabe von Infos zum Geschäftsbetrieb der Stiftung verurteilt.
bild.de
Zwölfter Mann: Der Fußballclub Paris Saint-Germain beschäftigt eine "digitale Armee", die gegen Journalisten und eigene Spieler im Netz vorgeht, berichtet das Portal Mediapart. Der von Katar finanzierte Club dementiert das zwar, doch Dokumente der beauftragten Agentur zeigen: Auftraggeber soll der Kommunikationschef selbst sein, der wohl mit Trollen statt Worten die verwöhnten Stars auf Linie zu bringen versucht.
faz.net, mediapart.fr
Wes Geistes Kind: Bei der großen AfD-Demo am Samstag in Berlin kam es zu Angriffen auf Medienschaffende, bilanziert die Polizei am Sonntag. Teilnehmer hätten versucht, die Berichtverstattung zu unterbinden und hätten dabei Aufnahmetechnik beschädigt. Die Polizei hatte vorm Reichstag einen "Medienschutzbereich" eingerichtet, der "zahlreich und vielfach" genutzt worden sei.
n-tv.de
Niemandes Mädchen: Altbundeskanzlerin Angela Merkel hat beim 77. Jubiläum der Süddeutschen Zeitung am Donnerstagabend in ihrer Festrede den hohen Wert der Pressefreiheit und Meinungsvielfalt beschworen und für ihren Schutz geworben. Die "Süddeutsche Zeitung" bezeichnete sie als ihren "ständigen Begleiter" und als "Stachel im eigenen Fleisch" der Schwesterpartei CSU.
Merkel wurde in ihrer Rede auch persönlich und sagte, die Bezeichnung vieler Medien als "Kohls Mädchen" zu Beginn ihrer politischen Karriere habe sie als "jemand, der sich freute, erstmals im Leben eigenständig seine Meinung zu äußern, ohne mit staatlichen Institutionen in Schwierigkeiten zu kommen", als "ziemlich deprimierend" empfunden.
Die Altbundeskanzlerin lobte die "Süddeutsche Zeitung" u.a. für die "klare Unterscheidbarkeit von Sachverhaltsmeldungen, Reportagen und Meinungsartikeln" und sagte weiter: "Wenig ist aus meiner Sicht bei der Zeitungslektüre erfreulicher, als einen Meinungsartikel zu lesen, dessen Quintessenz man nicht schon kennt, wenn man nur die Zeitung aufschlägt oder den Namen des Autors oder Autorin liest."
Merkel wurde auch politisch und bezeichnete den russischen Angriffskrieg in der Ukraine als Zäsur und lobte die Entschlossenheit und Geschlossenheit des Westen. Im Hinblick auf die Drohgebärden aus Moskau empfahl sie, die "Worte ernst zu nehmen und sich ernsthaft mit ihnen auseinanderzusetzen und sie nicht von vornherein als Bluff einzustufen".
sueddeutsche.de, sueddeutsche.de (Rede-Manuskript), sueddeutsche.de (Insights zu 77 Jahren "SZ")
Unter dem Info-Meer: Das Netzwerk Recherche verleiht Tesla den Negativpreis "Verschlossene Auster" für den "Informationsblockierer des Jahres". Kayhan Özgenç, Chefredakteur von Business Insider, sagt bei der Preisverleihung, er habe keinen Respekt vor jemandem, "der die freie Presse mit Füßen tritt". Elon Musk habe den Preis wie "kaum jemand zuvor" verdient. Tesla gibt keinen Kommentar zu der "Würdigung" ab.
netzwerkrecherche.de, youtube.com (Preisverleihung, 17-Min-Video)
Gegen das Vergessen: Reporter ohne Grenzen erinnert seit heute in Berlin, Hamburg, München und Frankfurt am Main mit großflächigen Plakaten an den ermordeten saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi. Hinter der "Tarnung einer hippen Verkaufsplattform" versteckt sich ein Animationsfilm, der über den Auftragsmord von vor vier Jahren aufklärt. Anlass sind die Treffen von Regierungschefs wie Olaf Scholz mit Kronprinz Mohammed bin Salman, um Handelsbeziehungen zu verfestigen. Indizien deuten darauf hin, dass der Mord an dem regierungskritischen Journalisten "von höchster saudischer Stelle mindestens gebilligt wurde", sagt RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. "Kein Herrscher dieser Welt darf mit solch einer monströsen Tat durchkommen." Die ROG-Kampagne #SoundOfJustice mit den "trojanischen Postern" ist in Zusammenarbeit mit der Agentur thjnk entstanden.
reporter-ohne-grenzen.de (Pressemitteilung), true-tune.com (Film)
Presseunfreiheit: Der iranische Journalistenverband fordert die sofortige Freilassung mehrerer Medienschaffender, die über die Demonstrationen im Land berichtet haben. Mindestens neun Reporterinnen seien entweder in Haft oder müssten sich demnächst bei den Behörden melden. Darunter ist die Journalistin Nilufar Hamedi von der Reformzeitung "Shargh", die den Fall Amini als erste publik gemacht hatte.
zeit.de
Mörderische Diplomatie: Bundeskanzler Olaf Scholz hat bei seinem Besuch in Saudi-Arabien Kronprinz Mohammed bin Salman auf den Mord am Journalisten Jamal Khashoggi angesprochen. "Das gehört sich so", so der Kanzler. Er habe auch das Thema Meinungsfreiheit angerissen, nannte aber keine weiteren Details. Der US-Geheimdienst macht den Kronprinzen für den brutalen Mord an dem saudischen Regierungskritiker verantwortlich.
zeit.de
Überland-Leitung: Amerikanische IT-Firmen dürfen ihre Geschäftstätigkeit in Iran ausweiten, um den Menschen vor Ort besseren Zugang zum Internet und zu unabhängigen Nachrichten zu ermöglichen, teilt US-Außenminister Antony Blinken mit. US-Sanktionen hatten seit 2014 verhindert, dass IT-Firmen Soziale Medien, Videokonferenz-Software und Cloud-Dienste voll umfänglich anbieten können. Die iranische Regierung hat wegen der aktuellen Proteste den Zugang zum Internet massiv eingeschränkt.
spiegel.de