Satire ist Kunst - Dichter, Zeichner, Bildhauer, Filmer oder Journalisten sind ihre Überbringer. Und die leben oft gefährlich, denn Satire, die nicht wehtut, ist keine. weiterlesen auf lexikon2.de
Unter Medienjunkies: “Ich habe mich schon als Kind zu allem hingezogen gefühlt, was auf Bildschirmen geschieht – egal ob Fernseher oder Kinoleinwand”, sagt TV-Kritiker und Satiriker Oliver Kalkofe im turi2 Jobs-Podcast. Mit Chefredakteur Markus Trantow spricht Kalkofe über seine Karriere, die beim Radio begann und ihn inzwischen regelmäßig in politische Talkshows wie “Maischberger” führt. Er erklärt, dass er das Kultformat “Kalkofes Mattscheibe” durchaus wiederbeleben würde und dass er inzwischen von Netflix enttäuscht ist. Auch für die Influencer-Ökonomie hat der TV-Terminator wenig schmeichelhafte Kommentare übrig: Dass es gelinge, junge Menschen so zu täuschen, dass sie “Influencer, die ihnen nur Scheiße verkaufen”, mögen und ihnen folgen, findet Kalkofe “gruselig”. Er erinnert sich an die “Influencer” seiner Jugend – Werbefiguren wir “Herr Kaiser” von der Hamburg Mannheimer oder “Klementine” von Ariel. “Wir wären nie auf die Idee gekommen, denen eine Postkarte zu schicken: ‘Klementine, ich finde dich so süß. Deine Latzhose ist so geil.’” Dieser Podcast ist Teil der Screen-Wochen bei turi2. Bis 8. Oktober beschäftigen wir uns auf turi2.de mit Entwicklungen und Trends für Bildschirme – von der Smartwatch bis zum großen Werbescreen. Weiterlesen >>>, turi2.tv (61-Min-Podcast auf YouTube), spotify.com, podcast.apple.com, deezer.com, plus.rtl.de
Am Eisberg vorbei: Die Rettungsaktion für das von der Insolvenz bedrohte Satire-Magazin "Titanic" ist erfolgreicher als erwartet. "Wir haben unser Ziel erreicht", sagt Chefredakteurin Julia Mateus dem "Spiegel" und spricht gar von einer "Übererfüllung des Plans". Innerhalb von zwei Wochen konnten 6.000 neue Abos abgeschlossen und 500 Retter-Shirts verkauft werden. Zudem seien 34.000 Euro auf dem Spendenkonto eingegangen. Damit sei die Finanzierung "erst mal für mindestens ein Jahr safe". spiegel.de, turi2.de (Background)
3sat gibt Satirikerin Sarah Bosetti eine monatliche Late-Night-Show. Ab 23. Oktober will sie in "Bosetti Late Night" die "aktuelle gesellschaftliche Debatte auseinandernehmen", um sie "zu entstauben, polieren und schließlich wieder neu zusammenzusetzen". Das Publikum soll über Social Media mitreden, fürs Studiopublikum gibt es einen "Bullshit-Button". dwdl.de, spiegel.de
Video-Tipp: Die Marketinggemeinschaft Mein EinkaufsBahnhof sucht mit einer vierteiligen Mockumentary Personal für Geschäfte und Gastronomie in rund 80 Bahnhöfen. In der Mini-Serie "Jobs" testet Protagonist T.J., gespielt von Merlin Sandmeyer, verschiedene Berufe im Bahnhofshandel und stellt unter Beweis, was er alles nicht kann. youtube.com (4-Min-Video), einkaufsbahnhof.de (Infos zur Kampagne)
Keine Hypothesen: Comedienne Parshad Esmaeili will sich auf keinen Fall am Ende ihres Lebens fragen: "Was wäre wenn?" Schon in jungen Jahren träumt sie von Öffentlichkeit, allerdings geht es damals noch um Politik. Privat orientiert sie sich an ihrer Mutter, beruflich ist ihr Vorbild Enissa Amani, bei der sie heute auch unter Vertrag steht. Im großen Interview in der turi2 edition #20 erzählt Esmaeili von ihrer "Frühlife-Crisis" und den Bedürfnissen der Generation Z. youtube.com (2-Min-Video), issuu.com (im kostenlosen E-Paper lesen), turi2.de/bestellen (E-Paper abonnieren)
Alle Geschichten der turi2 edition #20 – direkt hier im Browser als E-Paper:
Läuft... irgendwann:Extra3 bekommt extra Sendezeit im Ersten. Zusätzlich zu den 45-minütigen Ausgaben am Donnerstag nach den "Tagesthemen" – im Wechsel mit Dieter Nuhr und Carolin Kebekus – gibt es ab 23. März fünf 30-Minuten-Shows nach "Nuhr im Ersten" um 23.35 Uhr. In den Wochen, in denen das Satire-Magazin nicht im Ersten zu sehen ist, laufen neue 30-minütige Sendungen am Mittwochabend im NDR. Mit dieser leicht verständlichen Programmplanung bewirbt sich Programmdirektorin Christine Strobl offenbar für die "Extra3"-Rubrik Der reale Irrsinn. dwdl.de
Heikle Witze: Der WDR entfernt nach Kritik im Netz eine Passage über Pädophile aus dem Comedy-Bühnenprogramm von Moritz Neumeier, berichtet Sophie Herrmann für die Funke-Mediengruppe. Die Reaktionen der Zuschauer hätten gezeigt, dass dessen Herangehensweise "als verletzend und verharmlosend" wahrgenommen werde. Der Sender hat die herausgeschnittene Szene in der Mediathek transparent gemacht. Neumeier sagt, es tue ihm "unendlich leid", dass er mit seinen Äußerungen zu dem Thema Betroffene verletzt und getriggert hat. abendblatt.de, wdr.de (bearbeitetes 80-Min-Video), twitter.com (25-Sek-Ausschnitt) (Foto: WDR/Claus Langer)
Im WDR werden abfällige Witze über Eltern gerissen, die keine Pädophilen zu sich einladen wollen. Keine Pointe. pic.twitter.com/cBDU9mCV1K
Hör-Tipp: In der Silvester-Ausgabe der WDR5-Sendung "Satire Deluxe" rekapituliert Jan Böhmermann mit den Moderatoren Henning Bornemann und Axel Naumer mithilfe von kunstvoll kuratierten "2022er-Geräusche" die Themen des Jahres. Außerdem erzählt Böhmermann, dass er Pointen über Menschen, die er mag, fast lieber macht als naheliegende Pointen über unsympathische Personen. Im Team von "ZDF Magazin Royale" kommen die Themenvorschläge von Beschäftigte aus allen Gewerken, dafür müssen die Investigativ-Journalistinnen aber auch mal in lustigen Kostümen auf der Bühne stehen. ardaudiothek.de (75-Min-Audio)
Selbstgespräche: Ein Video-Zusammenschnitt macht derzeit die Runde, in der sich Bundesfinanzminister Christian Lindner bei seinem Podcast "CL+" vermeintlich selbst zu Gast hat. Er finde es paradox, dass man sich über viele Dinge Gedanken mache, aber nicht über ihn, gibt der doppelte Lindner darin von sich. Solche knallharten Interviews wünscht sich der "FDP-Posterboy" bestimmt auch bei seinen heiß geliebten Öffentlich-Rechtlichen. twitter.com via morgenpost.de
Kann nicht verlieren: Ex-Tennis-Star Boris Becker hat Berufung gegen das Urteil im Rechtsstreit mit dem Comedian Oliver Pocher eingelegt. Schon vergangenen Mittwoch seien die Unterlagen von Beckers Rechtsbeistand beim Oberlandesgericht Karlsruhe eingetrudelt. Das Landgericht Offenburg hatte Mitte November geurteilt, dass der vor zwei Jahren bei RTL ausgestrahlte Satire-Beitrag "Make Boris rich again" den früheren Tennisprofi nicht in seiner Ehre und seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. sueddeutsche.de, turi2.de (Background)
Meistgeklickter Kopf gestern aus der Wirtschaft war Mathias Döpfner. Im Firmen-Podcast hat sich der Springer-Chef Mitte der Woche bei seinen Beschäftigten für seinen Umgang mit der Causa Reichelt entschuldigt. Im Ranking folgen Flyeralarm-Chef Thorsten Fischer, der gestern Geburtstag hatte, und Meta-Lobbyistin Julia Reuss. turi2.de/koepfe (meistgeklickte Wirtschafts-Köpfe am 26.11.2022)
Rückschlag: Komiker Oliver Pocher darf seine satirische Spendenkampagne für Ex-Tennisstar Boris Becker weiter ausstrahlen. Das Landgericht Offenburg entschied, dass ein Fernsehbeitrag der RTL-Sendung "Pocher - gefährlich ehrlich" mit dem Spendenaufruf "Make Boris rich again" den früheren Tennisprofi nicht in seiner Ehre und seinen Persönlichkeitsrechten verletzt und Beckers Klage damit zurückgewiesen wird. bild.de
Video-Tipp: In seinem 13. "TV-Zyklus" probiert sich Olli Dittrich an einer Persiflage des True-Crime-Genres. Bei Infantinos Friseur – Leo Marchetti und die Fifa-Milliarden spielt Dittrich den schmierigen Friseur und Geldboten des Fifa-Präsidenten Gianni Infantino. Ein Investigativ-Team geht der Frage nach, wie das "geheime Milliardengeschäft Fußball" funktioniert. daserste.de (45-Min-Video)
Radio FFN startet am 6. November ein Webradio, das rund um die Uhr Comedy aus dem Frühstyxradio sendet, dem nach eigenen Angaben "größten Kulturmagazin der Welt". Sonntags um 9 Uhr läuft die einstündige Wortsendung "Frühstyxradio-Kompakt", die gebündelt Perlen aus dem Archiv präsentiert. Die einst wöchentliche Comedy-Show war in den 1990ern die Brutstätte von Satirikern wie Oliver Kalkofe, Oliver Welke und Dietmar Wischmeyer. ffn.de
Video-Tipp:Philipp Walulis fragt sich, wie schwer es schon sein kann, den "irren Lifestyle" von Gesundheitsminister Karl Lauterbach zu übernehmen. Eine Woche lang wagt Walulis daher ein waghalsiges Selbstexperiment, das Spuren von Satire enthalten kann: Kein Salz, wenig Schlaf, viel Rotwein und unverbissenes Tischtennis-Spielen. Das bahnbrechende Fazit: "Mit wenig Salz zu leben, ist gar nicht so schlecht, die Sachen schmecken tatsächlich irgendwie besser oder intensiver." youtube.com (16-Min-Video)
Lese-Tipp: Comedian Aurel Mertz wundert sich, dass er auf Partys oft den Satz hört: "Ich gucke gar kein Fernsehen, sondern nur Netflix oder die Mediathek." Das ist doch "basically auch Fernsehen", sagt er im Interview mit DWDL.de. Dass seine Show bei ZDFneo erst spät abends läuft, stört ihn daher nicht – sie sei ohnehin "Mediathek first". Es müsse heutzutage auch nicht mehr "die eine große Show" sein, er mache eher ein "Streufeuer an Projekten" – neben der Show zum Beispiel Podcast und Live-Auftritte. dwdl.de
Frau am Steuer: Das Satiremagazin "Titanic" macht Julia Mateus zur Chefredakteurin. Sie ist die erste Frau an der Redaktionsspitze und folgt auf Moritz Hürtgen, der das Blatt laut eigenem Tweet aufgrund von "Ermittlungen wg. Veruntreuung v. Verlagsgeldern" verlässt. Er freue sich, "wieder Leser, Fan und gewiss weiterhin Autor" des Magazins zu sein, schreibt er. Bei der "Titanic" wechselt die Chefredaktion turnusmäßig, in der Regel alle fünf Jahre. Hürtgen hatte den Posten 2018 übernommen.
Mateus erzählt im "Spiegel"-Interview von ihren Plänen für das Magazin. Sie sei pragmatischer als ihre männlichen Vorgänger: "Ich will für mich das Beste rausholen, zum Beispiel einen Massagesessel fürs Büro." Bei männlichen Autoren werde sie "jede Pointe rausredigieren und sie bei mir einfügen", um sich damit zu schmücken. "Dieser Redaktion fehlt ein Klima der Angst", sagt sie. (Foto: Frederike Wetzels) spiegel.de (€)
Ein Grund zu feiern: In wenigen Wochen übernimmt meine Kollegin @Juliamat11 die TITANIC-Chefredaktion & entlässt mich in die Freiheit (Ermittlungen wg. Veruntreuung v. Verlagsgeldern). Ich freue mich, wieder Leser, Fan und gewiss weiterhin Autor dieses weltbesten Magazins zu sein https://t.co/agI9C41pmM
Puppenkabinett: Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel gewinnt im Lotto und beruft eine Geheimrunde mit Markus Söder, Annalena Baerbock und Karl Lauterbach ein, um das Geld zu verteilen, während Helmut Schmidt und Helmut Kohl als Engel das Ganze kommentieren. Das ist die Handlung des Bundes Puppen Kabarett, einer satirischen Live-Show mit eigens angefertigten Handpuppen. Ein besonderer Spaß für alle, denen die Bundespolitik tatsächlich oft wie ein Puppentheater vorkommt. presseportal.de
Ostfriesen-Märchen:RTL produziert mit Komiker Otto Waalkes eine einmalige Märchen-Show. Die Aufzeichnung findet Ende Oktober statt, zu sehen ist die Sendung "im Laufe des Winters". Zusammen mit Schauspielerinnen und Comedians will Waalkes "den großen Fragen und Irrtümern der sagenumwobenen Welten" nachgehen. dwdl.de
Lese-Tipp: "Mir ist natürlich klar, dass es ungefähr so aufregend ist, wie wenn wir uns in unserem Alter zum ersten Mal bei Facebook anmelden würden", sagt Oliver Welke über seinen neuen Podcast Kalk & Welk, den er zusammen mit Oliver Kalkofe macht. Im Interview mit DWDL erzählen die beiden, dass sie den Podcast vor allem aus "egoistischen Gründen" machen, "geistig miteinander im Bett liegen" werden und als Reaktionen auf "originelle Beleidigungen" hoffen. dwdl.de, turi2.de (Background)
"Warum Anne Will nicht direkt vom Traumschiff senden soll, das kann mir auch keiner erklären. So käme Karl Lauterbach auch mal an die Sonne."
Micky Beisenherz witzelt in der "Zeit" über die Forderung, der ÖRR solle sich "auf den nackten Informationsauftrag" rückbesinnen – und sieht die Lösung in "hybriden Formaten", weil ARD und ZDF sich nicht von ihren "Unterhaltungsfiletstücken" trennen wollen. zeit.de (€)
Video-Tipp:Klaas Heufer-Umlauf präsentiert mal wieder, was er während der Sommerpause von Late Night Berlin getrieben hat – u.a. als Raumausstatter beim RBB. "Nur weil man Journalist ist, muss man ja nicht schlecht leben", rät Klaas der Ex-Intendantin Patricia Schlesinger zu Luxus-Parkett und Co. Und hinter dem unfreiwillig komischen Tanz von Friedrich Merz steckt Klaas: "Du musst ein bisschen menschlicher wirken. Ganz Deutschland denkt, du bist ein unsympathisches Arschloch." youtube.com (7-Min-Video)
Hör-Tipp: Beim "Typen, der am Schreibtisch sitzt und nörgelt", ist ein Peak erreicht, sagt Philipp Walulis im ersten von zwei Teilen des "HSS-Podcasts" Christian Jakubetz. Mit Blick auf humorige Formate konstatiert Walulis: "Egal, wo man hinschaut: Irgendwo sitzt jemand am Schreibtisch, regt sich auf und hat ein lustiges Bild neben sich." Weil das gut funktioniere, werde das von den deutschen Sendern "bis zum bitteren Ende" nachgemacht, statt was Neues zu probieren. Sein neues Format Wie schwer kann’s schon sein? gehe daher in eine andere Richtung. Walulis erklärt zudem, warum er konstruktive Kritik lieber hört, als Lobhudelei. Manchmal stolpere er über Dinge, die falsch beim Publikum angekommen sind. open.spotify.com (17-Min-Audio)
Video-Tipp: Der Fall Patricia Schlesinger ist "der beste 'Tatort', den der RBB jemals produziert hat", witzelt Christian Ehring bei "Extra3". Wer als ARD-Vorsitzende sogar Sendungen wie "Sturm der Liebe" oder "In aller Freundschaft" anschauen müsse, brauche danach locker zwei Stunden die Massage-Sitze im Dienstwagen – "allein damit sich die Nackenhaare wieder legen". Immerhin sichere Schlesinger Arbeitsplätze: "Durch ihre Amtsführung haben zur Zeit viele Investigativ-Journalisten eine Menge zu tun." youtube.com (7-Min-Ausschnitt in 45-Min-Video)
Witz hat einen Bart: Nationalelf-Kapitänin Alexandra Popp erscheint mit einem angeklebten Schnäuzer zur Pressekonferenz und spielt damit auf einen Beitrag der Satire-Seite "Postillon" an, die zuvor getitelt hatte: "Flick nominiert Newcomer Alexander Papp für Nationalmannschaft." Bleibt zu hoffen, dass sich Popps maskulines Auftreten nicht aufs Finalspiel auswirkt – die Fußball-Männer hatten bei internationalen Turnieren ja zuletzt kein glückliches Händchen bewiesen. welt.de, sportschau.de (2-Min-Clip), twitter.com
Video-Tipp: In der neuen Parodie-Show "Schloss Goldbach – Promis viel zu nah" von Sat.1 begeben sich u.a. Dieter Bohlen (Foto), Markus Lanz, Karl Lauterbach und Verona Pooth in ein "Selbstoptiminierungsinstitut", um dort ihre Mitte zu finden. DWDL-Redakteur Alexander Krei beschreibt die Sketch-Comedy als eine Mischung aus Brisant und Switch reloaded. sat1.de (frei nach Anmeldung, 42-Min-Video), dwdl.de (TV-Kritik)
Satire darf alles? Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat im Juni 2022 ihr Ermittlungsverfahren gegen ein satirisches Plakat mit Horst Seehofer eingestellt, meldet Netzpolitik.org. Seehofer war darauf mit einer Augenklappe auf dem rechten Auge abgebildet. Es habe nicht genügend Anlass zur Erhebung einer Klage wegen u.a. "verfassungsfeindlicher Verunglimpfung" gegeben. Die Wiesbadener Polizei hatte zwischenzeitlich sogar nach DNA und Fingerabdrücken gesucht. netzpolitik.org, turi2.de (Background)
"Ich verstehe mich als Service-Dienstleister, weil ich Lachen ermögliche. Das ist in Zeiten der Klimakrise und des Ukraine-Kriegs wichtiger denn je."
Entertainer Wigald Boning sagt im "Zeit"-Interview, dass Eskapismus heute eine "wichtige Funktion" habe: Weil die Zeiten ernster geworden sind, sei "die psychohygienische Notwendigkeit von Humor viel größer als noch in den Neunzigern". zeit.de (Paid)
Witz lass nach: "Der Lacheskapismus von früher ist passé", schreibt DWDL-Kolumnist Peer Schader und beobachtet einen "Wandel der deutschsprachigen TV-Comedy zum gesellschaftlichen Impulsgeber". Die Sendungen von Carolin Kebekus und Jan Böhmermann seien dafür positive Paradebeispiele. Ein Nachteil aber sei es, "Woche für Woche einen mühevoll dokumentierten Missstand kathartisch weglachen zu sollen – anstatt einfach ein halbes Stündchen sehr gut unterhalten zu werden". dwdl.de
"Überspitzt gesagt, weiß man von Politikern oft schon bei der Frage, was und wie sie darauf antworten. Um das aufzubrechen, nutzen wir das Stilmittel der Unterhaltsamkeit."
"Heute-Show"-Außenreporter Fabian Köster sagt im DWDL.de-Interview, wie Humor zur politischen Aufklärung beitragen kann. Er sei aber froh, dass es "im Gegensatz zu uns auch noch seriöse Journalisten gibt, die seriös informieren". dwdl.de
Hör-Tipp: Die beiden Moderatorinnen und Podcasterinnen Katrin Bauerfeind (Foto) und Sarah Kuttner beschäftigen sich bei "Hotel Matze" u.a. mit der Frage, wie es um den Humor in diesen Zeiten bestellt ist. Bauerfeind sagt, sie habe das Gefühl, Witze im Internet heutzutage häufiger erklären zu müssen. Kuttner findet, dass man "jedes Wort auf der Welt sagen sollen dürfte", allerdings "nicht um aktiv Leute zu verletzen". Es sei immer die Frage, in welchem Zusammenhang man die Wörter benutzen würde. Es werde allerdings zunehmend schwieriger, humoristisch "unbequeme Sachen" zu thematisieren. open.spotify.com (176-Min-Audio)
Lese-Tipp: Zum 11. Geburtstag der Stuttgarter Wochenzeitung "Kontext" singt Satiriker Cornelius W. M. Oettle kein Loblied, sondern beschimpft das Blatt. "Solange ein solch stümperhaftes Blatt als ernsthafte journalistische Arbeit angesehen wird", müsse es um die restliche deutsche Presselandschaft "äußerst schlecht bestellt sein". Die regelmäßige Lektüre nehmen einem "garantiert die Angst vor dem Zeitungssterben". kontextwochenzeitung.de
Hör-Tipp: "Man darf sich nicht über das Leid lustig machen, aber über den Umgang mit dem Krieg", sagt Micky Beisenherz im Gespräch mit Wolfgang Heim bei "SWR1 Leute". Auf Basis der "sehr schlechten Weltlage" würden "viele absurde Dinge" passieren, die "gefundenes Fressen" für Satirikerinnen seien – etwa, wenn der Grüne Anton Hofreiter "plötzlich alle Panzertypen wie das Kamasutra herunterrattert" oder wenn Gerhard Schröder Hausverbot in einer Kneipe auf Norderney bekommt. In der Komik dieser Absurditäten liege allerdings auch oft eine Tragik. open.spotify.com (33-Min-Audio), swr.de (Video)
Lese-Tipp: Was als Hobbyprojekt für Stefan Sichermann begann, ist inzwischen schon fast eine deutsche Redensart: Die Satirezeitung "Postillon" macht inzwischen ein ganzes Team und erzielt damit konstant hohe Reichweiten. Im Interview mit dem RND freut sich Gründer Sichermann diebisch über Leserinnen und Medien im In- und Ausland, die auf seine Satire hereingefallen sind, sieht aber auch einen Bildungsauftrag: Wer viel Satire konsumiere, werde "ein bisschen ruhiger und reflektierter" und empöre sich nicht mehr so schnell. rnd.de
Hör-Tipp: Die SR-2-Sendung "Medien – Cross und Quer" geht der Frage nach, inwiefern Satire und Journalismus ein "gutes Paar" sind. Kabarettist Florian Schroeder findet, dass beides grundsätzlich gut zusammenpasst. Er stört sich jedoch an der "simplizistischen Weltauffassung" mancher Satire-Sendungen, also die Einteilung der Welt in "Gut und Böse". Dass immer mehr Satire-Shows auch journalistisch arbeiten, habe u.a. damit zu tun, dass der klassische Journalismus nicht immer genug Raum für bestimmte Themen biete, weil der sich schon mit "so viel anderem beschäftigen muss". sr.de (18-Min-Audio)
Lese-Tipp: Die Reaktion des SWR auf die "Spätschicht"-Ausgabe mit Kabarettistin Lisa Fitz war "konfus und wirkte unbeholfen", schreibt Journalist Matthias Meisner. Die Debatte treffe den SWR an seiner Schwachstelle, dem Fakten-Check. Meißner kritisiert, die Redaktion hätte herausfinden können, auf welche Quelle sich Fitz bei ihrem Auftritt bezogen hat. Fitz hingegen pflege bei TV-Auftritten ihre Opferrolle. journalist.de, turi2.de (Background)
Video-Tipp:Carolin Kebekus und Bastian Pastewka interpretieren in "Wer singt mir die Show?" die Titel-Melodien von TV-Klassikern neu – und verpassen ihnen bitterböse Texte. Zur "Traumschiff"-Melodie erfährt das Publikum "Harald Schmidt gibt's da auch – wo ist der Eisberg, wenn man ihn brauch'", zum "TV Total”-Intro singt Kebekus "Das ist der gleiche Kram wie vor 20 Jahr'n". youtube.com (5-Min-Video)
"Falls es in der ZDF-Personalabteilung noch einen Anstands-Wauwau gibt, könnte er heute Morgen wenigstens kurz anschlagen."
Gabor Steingart ärgert sich über die fäkalsprachlichen Entgleisungen von Jan Böhmermann. Der ZDF-Satiriker hatte Putin u.a. "dummes, kurzsichtiges Arschlochtum" vorgeworfen, Elon Musk nennt er einen "reichen Wichser". thepioneer.de (Paid)
Lese-Tipp: Die "Zeit" diskutiert mit Tim Wolff, ehemaliger Titanic-Chefredakteur und "Chefideologoe" von Jan Böhmermann, wie investigativer Journalismus und Satire zusammengehen. "Die Geschichte der Komik geht zwischen Dominanz von Nonsens und aufklärerischer Satire hin und her", sagt Wolff. Er verteidigt die These aus seinem neuen Buch, Deutschland sei ein "menschheitshistorischer Fehler", und spricht über typisch deutschen Humor. zeit.de
RTL verschiebt die Neuauflage von "7 Tage, 7 Köpfe" wegen magerer Quoten ins Nachtprogramm. Schon ab dieser Woche läuft die Comedy-Show statt am Samstag nach "DSDS" nun am Freitag nach "Let's Dance" und einem "Exclusiv Spezial" um 0:35 Uhr. Zuletzt wollten nur noch 1,1 Mio Zuschauerinnen die Zoten-Show sehen. dwdl.de
Hör-Tipp: Satiriker Till Reiners erläutert im "Mediasres"-Interview, was sich Satire in Kriegszeiten erlauben darf. Vor allem gehe es nun darum, den "richtigen Ton" zu treffen, Fingerspitzengefühl zu beweisen und neue Perspektiven auf die Themen zu bieten. Gegen Putin zu sein, sei "Teil des gesunden Menschenverstandes", aber in Satire-Shows inzwischen ausgelutscht: "Dass Putin doof ist, wissen wir ja jetzt." deutschlandfunk.de (8-Min-Audio)
Video-Tipp:Jan Böhmermann knöpft sich von der heimischen Corona-Quarantäne heraus die Internet-Pornobranche vor, die zu wenig gegen Missbrauchsaufnahmen tut. Um zu zeigen, wie Pornografie "ethisch und moralisch korrekt gehen kann", produziert das "ZDF Magazin Royale" mit Paulita Pappel auf Gebührenkosten einen "queer-feministischen Hochglanzporno", bei dem niemand zu Schaden gekommen sei. Den ganzen Streifen dürfe man jedoch nicht zeigen und im Internet würde ihn "sicherlich niemand finden", zwinkert Böhmermann. zdf.de (34-Min-Video, frei nur zwischen 22 und 6 Uhr)
Kunstfreiheit: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen Unbekannt wegen einer Satire-Aktion des Künstler-Kollektivs Dies Irae, berichtet Netzpolitik.org. Die Aktivistinnen hatten 2021 Plakate aufgehängt, die dem damaligen Innenminister Horst Seehofer vorwerfen, für rechtsextreme Auswüchse bei der Polizei blind zu sein. netzpolitik.org
Zahl des Tages: Unterm Strich 55.139,38 Euro Gewinn bleiben nach Abzug aller Kosten vom "Freizeit Magazin Royale" übrig, teilt Jan Böhmermann in einem Video mit. Detailliert macht er alle Einnahmen und Kosten der eigenen Parodie eines Klatschmagazins transparent. Insgesamt habe sich das Heft für 99 Cent 130.061 Mal verkauft. Den Gewinn will die Redaktion an 15 medienpädagogische Einrichtungen spenden. youtube.com (14-Min-Video) via teleschau.de
Kein Scherz: Passend zum Weltfrauentag bekommt die "Titanic" eine weibliche Herausgeberin dazu: Die Hamburger Schriftstellerin Ella Carina Werner gibt das Satire-Magazin zusammen mit den bisherigen Herausgebern Achim Frenz, Oliver Maria Schmitt, Martin Sonneborn, Tim Wolff und Hans Zippert heraus. titanic-magazin.de
Hör-Tipp: Unter den aktuellen Umständen ist es sehr schwer, "aus einer besonders ernsten Situation in etwas Komisches zu kommen", sagt Satiriker und Journalist Tim Wolff im Podcast Holger ruft an. Er würde deshalb aber nicht aufhören, Witze zu machen: "Dann produziert man eben noch mehr Ernst". Trotzdem könne nicht die gleiche "Lockerheit herrschen wie an anderen Tagen". Denn auch Komiker "müssen ihre Ängste und Sorgen verarbeiten". uebermedien.de (18-Min-Audio)
Uneitel zum Erfolg:Peter Wittkamp schreibt Witze für die Online-Ausgabe der "heute-show", Werbesprüche für die BVG und neuerdings einen wöchentlichen Newsletter. Aline von Drateln porträtiert den Witze-Autor für die turi2 edition #17.
Mit dem karierten Sakko und dem dunklen Schnurrbart sieht er aus wie aus der Zeit gefallen. Kein ironischer Schnauzer, wie man ihn heute oft sieht in Berlin, wo er seit 15 Jahren lebt. Ironisch ist ohnehin nichts an Peter Wittkamp. Weder sein Name – der klingt wie ein Max Mustermann der BVG, mit deren Social-Media-Kampagne er sich vor sieben Jahren einen Sitzplatz in der deutschen Humorlandschaft anlachte – noch seine Witze: Ironie versteckt die Wahrheit. Wittkamp zeigt sie.
Zumindest seine eigene. Mit seinen rund 100.000 Followern auf Twitter und Instagram teilt er unter dem Namen @diktator sein Mittagessen, er nimmt sie mit auf den Kinderspielplatz, hadert öffentlich mit minderwertiger Technik oder zu viel Alkohol. Hier landen auch die Gags, die er woanders nicht unterbringen konnte. Hauptauftraggeber ist gerade heute-show.de. Dazu kommen Aufträge als Speaker, bei den er dafür bezahlt wird, dass er erklärt, wie man mit Spaß Geld verdienen kann. Und Firmen, die ihn bitten, öffentlich ihre Produkte zu testen. "Davon mache ich aber nur, was mir Spaß bringt", sagt er.
Wäre Peter Wittkamp eine junge Frau, würde man ihn Influencerin nennen. Er selbst nennt sich Autor. Ende 2019 erschien sein lustiges Buch über seine unlustigen Neurosen. Wie etwa permanentes Händewaschen. Kurz danach kam die Pandemie und die ganze Welt musste es ihm nachmachen.
Was ihn antreibt? "Ich brauche ein Ventil für meine Kreativität", erklärt der 41-Jährige seine Umtriebigkeit, die sich nicht in einen 9-to-5-Job pressen lässt. "Und, klar, Bestätigung." Da ist sie wieder. Die Wahrheit. Es ist auch Verletzbarkeit, die einen Spaßvogel vom professionellen Hofnarren unterscheidet. Diese Uneitelkeit hat ihn groß werden lassen, auf dem virtuellen Jahrmarkt der Eitelkeiten. Er glaubt an Vernetzung im Netz, die analoge Erfolgsgeschichten schreiben kann: "Wer wirklich gute Ideen hat, sollte sie sozial media nutzen. Langfristiger, guter Content wird früher oder später entdeckt."
In letzter Zeit wurden seine Inhalte politischer. Über Impfgegner macht er sich nicht mehr nur lustig. Geht Humor heute überhaupt noch ohne Politik? "Bei der heute-show natürlich nicht. Bei mir persönlich kam das mit dem Alter. Um Witze über Politik zu machen, braucht man ja eine Haltung. Die hat ein Zwanzigjähriger oft noch nicht." Es ist seine Zeit. Im März startete er ein neues Projekt. In seinem Newsletter "Wittkamps Woche" ordnet er mit seinem feinem Witz das Weltgeschehen ein. Führung durch die Flut von beunruhigenden Nachrichten brauchen gerade viele.
Er ist wieder da: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
3 Tipps für Humoreinsteiger von Peter Wittkamp:
1. Werdet sichtbar
2. Üben! Humor ist Handwerk
3. Vernetzt Euch
Peter Wittkamp
Geb. 1981 in Siegburg
1995: erste Depression
2001: Studium Soziologie in Bamberg
2007: Marktforscher, Universal
2011: Konzepter, Digitalagentur TLGG
2015: Gagschreiber, u.a. für "heute-show", BVG-Kampagne #weilwirdichlieben
Dieser Beitrag ist Teil der turi2 edition #17 Jobs – lesen Sie alle Geschichten hier im E-Paper: